Hineingeworfen ins Leben
Im Grunde genommen ist es für jeden Menschen so, das er durch Geburt in eine Gesellschaft „hineingeworfen“ sich vorfindet, auf die er selbst und aus eigener Kraft nur wenig bis keinen Einfluss mehr ausüben kann. Darin gefordert ist spätestens mit der Volljährigkeit die Aufforderung, sich in der Gesellschaft seinen Platz zu suchen, für seinen künftigen Platz zu kämpfen und alles Mögliche dafür zu tun, um in der gegebenen Hierarchie aufzusteigen. Das ist der Standard, der sich in vielen Kulturen immer wieder abbildet. Nur wenige Menschen haben sich darum bemüht, diesen Standard jemals in Frage zu stellen. Meist waren diese die Anführer oder Vordenker von Umsturzbewegungen, die je nach Erfolg in die Geschichte als Revolutionen, misslungene Aufstände oder einfach nur als Modeerscheinungen Einzug erhalten haben. Und wie so oft sind/waren es immer wieder die Eliten der Bewegungen, denen ein erreichter Erfolg zugestanden wird. Die Vielen, die den erfolgreichen Kampf letztlich geführt haben, die sich geopfert haben, ohne die eigentlich nichts hätte gelingen können, bleiben meist ungenannt. Das ist das Prinzip, mit dem Macht seit Menschen-Gedenken ausgeübt wird. Sich aus der Masse herausheben zu können ist zwar meist nur durch glückliche Umstände möglich, ist aber das einzige Kriterium für Menschen, denen Erfolge zuerkannt werden. So ist/war das auch JHe-lang in Europa der Standard. Über viele Narrative, die das immer wieder möglich machten, sind wir heute noch lange nicht hinweg. Es funktioniert nach wie vor und nach den immer gleichen Prinzipien, nur die Motive gestalten sich dank der Wissenschaften heute etwas verborgener.
Der Platz in der Gesellschaft
Ich möchte zum Platz zurückkommen, den ein Mensch sich in einer Gesellschaft erarbeiten/erkämpfen/erobern muss. Stellen Sie sich vor, als Mensch allein in einer weiten Gras-Landschaft zu stehen. Jeder Bewohner der Graslandschaft steht in solch einem Bild, jeder für sich, jeder steht allein auf weiter Flur. Die ist mal abschüssig, mal aufsteigend, es gibt tiefe Schluchten und flache Täler, es gibt hohe Berge und kleine Küppel und vieles dazwischen. Und dann stellen Sie sich vor, das ein großer Regen permanent Wasser in die Landschaft entlässt. Wohin wird das Wasser fließen? Auf diesem Bild aufbauend sehen sie die Gras-Landschaft als eine gegebene Gesellschaft, die Küppel und Berge betrachten Sie bitte als möglichen Aufstieg innerhalb derselben, die Täler und Schluchten als Abstiege. Orte der Vergangenheit existieren nicht. Die Prägungen der Landschaft sind das unveränderliche Ergebnis der Neigungen der Vergangenheit. Die Landschaft selbst befindet sich somit immer im Zustand einer Neigung, die das Wasser leitet. Die Ziele, die Teile des Wassers ansteuern, werden als Zuneigungen benannt. Was wäre also zu tun, wenn der Dauerregen deutlich sichtbar auf eine Katastrophe zusteuern würde, eine, die das Leben vieler unmöglich machen würde? Ich würde dafür plädieren, sich nicht die Visionen derer, die auf den sicheren Hügeln wohnen, sondern die Neigungen der Landschaft und die Zuneigungen aller Bewohner genauer anzuschauen. Durch Regulationen derselben könnte doch eine Konfiguration (Einstellung) im Grasland entstehen, die ein Leben dort dauerhaft ermöglichen oder zumindest erleichtern könnte. Ist es daher nicht geboten, sich mehr mit den Neigungen und deren Regulation zu beschäftigen als mit den Visionen und Zielen, die von den Eliten auf den Hügeln vorgegeben werden. Ich finde, das ist eine sehr zutreffendes Bild aller Gesellschaften der Erde heute. Wir leben in der Masse in und für die Visionen einiger weniger. Entscheiden Sie selbst: Sollte man diese Einseitigkeiten nicht mal korrigieren? Regulationen als Mittel sind langsam und sorgsam bedachte Änderungen der Neigungen und Zuneigungen. Sie sind keine Revolutionen oder Umstürze und stellen die vorgefundene Welt nicht auf den Kopf. Sie sind auch nicht zu großen Zielen hin ausgerichtet. Sie sind mehr lautlose und natürlich wirkende Mikrokorrekturen, zu denen jeder Bewohner beitragen kann. Sie sind mythisch betrachtet der „Flügelschlag des Schmetterlings“, der einen Sturm auslösen kann.
Ungleichgewicht und Relation
Ich frage mich oft, warum unser Beitrag zur Allgemeinheit zum einen immer wieder in anteiligen Prozentabgaben gewichtet, aber in anderen Fällen aber mit absoluten Maßstäben gemessen werden. So werden Steuern zum Beispiel immer in Prozent des Gesamteinkommens berechnet, zumeist nach Einkommenshöhe gestaffelt. Andererseits sind Strafen, zum Beispiel für zu schnelles Fahren, immerzu als absoluter Wert angegeben. Wenn ich also 2000€ brutto im Monat verdiene, sind 60€ für den Strafzettel 3% des Einkommens. Verdiene ich aber 20000€ im Monat, dann sind es nur 0,3%. Ich frage mich, ob diese Diskrepanz gerecht ist. Eine Strafe soll doch wohl von künftigem Fehlverhalten abhalten. 3% tun das in meinen Augen schon, tun es aber 0,3% oder weniger auch? Da bin ich mir nicht so sicher. Und weiter nach oben in den Einkommen sind 60€ doch nur noch etwas aus der Portokasse. Ich sehe in der Gesellschaft sehr oft ein Ungleichgewicht in den Relationen. Wäre es nicht vernünftiger, zum Beispiel Kindergeld, Zuschüsse für E-Mobilität oder Wärmepumpen nach Bedürftigkeit statt pauschal an alle zu verteilen. Oder: Warum zum Beispiel rechnen Anwälte ihr Honorar nach der Größe des Streitwertes ab? Ist bei einem Verkehrsunfall nicht einfach nur die Schuldzuweisung festzustellen und wer die Kosten zu tragen hat? Und ob das geschädigte Fahrzeug teuer zu reparieren oder ein Kleinwagen wenig Streitwert erbringt, ist für den Anwalt doch eigentlich ohne Belang. Warum bekommt er also bei Ersterem mehr Geld? Der Handwerker, der das Tropfen eines Wasserhahns behebt, kann doch auch nicht bei einer großen Wohnung mit vielen Quadratmetern mehr Geld nehmen als in einer kleinen Einzimmerwohnung. Für ihn ist ein Wasserhahn ein Wasserhahn und eine Stunde eine Stunde. Wo es ganz besonders auffällt, wie mit Relationen gespielt wird, um Vorteile zu verschleiern oder Nachteile zu verdunkeln findet sich bei den mittlerweile nicht mehr alljährlichen Gehaltsverhandlungen zwischen Arbeitgeber und den Gewerkschaften. Da werden nicht mehr Laufzeiten von 12 Monaten, sondern irgendwelche ungeraden Zeiträume abgeschlossen und dann noch Einmalzahlungen eingebaut, wobei letztere ja bei den nächsten Abschlüssen als Basis gar nicht angerechnet werden können. Grund für diese Praxis ist meiner Ansicht nach nur die Absicht, mit großen Zahlen Eindruck zu schinden, wobei die Nachberechnung unter Berücksichtigung der Relationen ein ganz anderes, meist nachteiliges Ergebnis zeigen würde. 1 Macht man sich vielleicht die allgemein weit verbreitete Rechenschwäche bezüglich Relationen zunutze, um sinkende Löhne und schlechte Verhandlungsergebnisse zu verschleiern. Ähnliche Motive bezüglich Relationen sind bei Wahlen, bei der Preisgestaltung von Waren und Dienstleistungen, bei Steuern und anderen Festlegungen in nahezu allen Bereichen des modernen Lebens zu beobachten.
- Beispiel: 7% auf 22 Monate bei einer Inflationsrate von 7% ist ein beachtlich aussehender Abschluss. Nur: 7% sind auf 22 Monate fest, die Inflation aber nur für 12 Monate. Der Abschluss steht also wirklich nur bei 3,8% pro Jahr. ↩