Das Fehlen einer Nachrichtenkultur in Deutschland ist unübersehbar

Als politisch interessierter Mensch und als Mitglied einer Gesellschaft, die sich als Grundlage ihre Gesetzgebung den Satz „Die Macht geht vom Volk aus“ auf ihre Fahnen geschrieben hat, bin ich angewiesen auf eine Nachrichtenberichterstattung, die mir die Möglichkeit gibt, Entscheidungen/Ansichten über den politischen Stand meines Staates in Form von Wahlentscheidungen und/oder der Teilnahme an Protestaktionen zu treffen. Das ist in einer repräsentativen Demokratie, wie sich das so schön verkleidet nennt, nicht viel, zugegeben, aber immerhin eine Grundlage, die gegenüber früheren Regelungen in der Geschichte Europas einen Fortschritt darstellen. Was ich jedoch Tag für Tag immer wieder feststellen muss ist die Wahrnehmung, das der Bürger mittlerweile keiner Medienberichterstattung mehr vertrauen kann.

Ich spreche hier nicht nur von den sogenannten Qualitätsmedien 1, sondern auch von alternativen Medien, von Medien anderer Staaten sowie von den Beschreibungen in der Vergangenheit liegender Ereignisse, wie sie in Wikipedia und anderen die Geschichte interpretierenden Zeugnisgebern dargestellt werden. Mittlerweile gehe ich persönlich davon aus, das ich keiner einzigen Quelle mehr trauen kann, da selbst Bilder und Quantitätsangaben in einer Weise aufgearbeitet werden (können), das der Leser sich nur noch die Augen reiben kann. Wenn zum Beispiel eine Partei, Organisation oder Gruppe gleich welcher Farbe (Couleur) eine Demonstration abhält, gehen die Schätzungen der Teilnehmerzahlen soweit auseinander, das der unbeteiligte Nachrichtenempfänger nicht mehr klar sehen kann, um wie viele Demonstranten es sich handelte. Das ist aber wichtig zu wissen, denn ob 1000 Menschen, 10000 oder 100000 an der Protestveranstaltung teilgenommen haben, ist durchaus wissenswert. Neben manipulierten Bildern werden dabei auch geschickt geschnittenen Filmaufnahmen verwendet, die die Ereignisse der Veranstaltung nachweislich falsch wiedergeben. Es geht dabei für einen Unbeteiligten doch um eine Abschätzung der „Stimmung im Lande“, wie es so schön heißt. Wenn wir weiterhin die Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine aufmerksam verfolgen, und der logisch richtigen Linie folgen, das alle Beteiligten des Konflikts unbeschränkt und uninterpretiert zu den Ereignissen sich äußern können müssen, um dem Unbeteiligten eine möglichst gut fundierte Meinungsbildung zu ermöglichen, werden wir feststellen, das es zur Zeit keine eindeutig zu identifizierende Medienaktivität gibt, der wir in Bezug zur Wahrheit über die dort stattfindenden Ereignisse noch vertrauen können. Die Widersprüche sowohl über die Aussagen von Entscheidungsträgern, über das Tagesgeschehen, über den geschichtlichen Hintergrund als auch über die Authentizität der Bilder sind so groß, das von einer Berichterstattung eigentlich nicht mehr gesprochen werden kann. Tausende von Kulturwissenschaftlern 2 auf der ganzen Welt, zu denen auch jeder einzelne Journalist gezählt werden muss, scheinen sich mit großer Energie die Aufgabe gestellt zu haben, ihre ganz persönliche Weltsicht unter Umgehung der Wahrheit einem großen Publikum zu vermitteln, wobei nur noch zu zählen scheint, was sich profitabel vermarkten lässt, also der Stimmung und dem Gefallen der großen Masse zu entsprechen verspricht. Eine vom Mainstream 3 abweichende Meinung scheint mittlerweile so verfehmt 4 zu sein, das sie die Lebensgrundlage ihres Schreibers, Autors oder Moderators in Gefahr zu bringen droht. Der Mainstream aber, und das sei hier deutlich und in Klarheit zur Kenntnis gebracht, ist nicht gleich zu setzen mit der Ansicht der Mehrheit in einer Bevölkerung, sondern ist nur die mehrheitliche Ansicht der Berichterstatter, die mit Hilfe der ihnen zugänglichen privaten Medien über das Monopol der Verkaufsflächen über Nachrichten verfügen. Das Geschehen ist mittlerweile so eingeschliffen, das bedeutende Details von aufgenommenen Veranstaltungen von verschiedenen Seiten völlig unterschiedlich dargestellt werden. Ein aktuelles Beispiel, das mir auffiel, ist die Berichterstattung über die Reden von Selensky und Scholz vor der UN. Im Beitrag zur Selensky-Rede wurde ein Bild von Beifall-gebenden Zuhörern gezeigt, das nicht authentisch sein kann, weil Selensky dabei nicht auf der Bühne stand, sondern noch im Publikum saß. Tatsächlich soll, so alternative Medien wiederum, der Saal während der Rede nur zu einem Viertel gefüllt gewesen und die Zustimmung nur recht verhalten ausgefallen sein. Bei der Scholz-Rede wurde dieser in den Hauptnachrichtensendungen nur auf der Bühne stehend gezeigt und ein Schwenk in die Zuhörerschaft entfiel. Da gab es den alternativen Medien zufolge auch gar nicht viel zu sehen, da der Saal mit nur wenigen Zuhörern gefüllt war. Darüber allerdings hat die sogenannte Qualitätspresse und ganz besonders die Hauptnachrichtensendung im Fernsehen aber nicht berichtet. Wem also soll ich glauben? Ist es nicht mehr wichtig, ob eine Rede in einem Plenum Gehör findet oder nicht? Was mich besonders irritiert ist die Beobachtung, das es nur wenige Bürger zu geben scheint, die an einer wahrheitsgetreuen Berichterstattung überhaupt noch interessiert sind. Es scheint die Ansicht vorzuherrschen, es wird schon alles irgendwie gut ausgehen und/oder so in Ordnung kommen. Nun halte ich das nicht einmal mehr für das Ergebnis einer egoistische Einstellung, wo also nur noch die eigenen Interessen zählen, sondern es scheint angesichts der Griffe des Staates in den Geldbeutel aller Bürger sich schon um Resignation, Aufgabe oder den Fokus auf „das nackte Leben“ (nach Agamben) zu handeln. Ich halte das für bedenklich, denn Unwissenheit und falsche Interpretationen sind und waren stets die Ursache für politische Trends, die sich alle, wie die Vergangenheit zeigt, „in die Hose gegangen“ sind. Was aber, und das frage ich mich immer häufiger, sind die Ursachen hinter dieser Entwicklung?

Ich möchte mich nicht beteiligen an den so oft beschworenen Spekulationen, die irgendein Detail aus der Alltagsbeobachtung herausziehen und darauf eine Argumentation aufbauen, die damit endet, das wer auch immer Gegenmaßnahmen einleiten soll/muss, um zu einem Besseren zu kommen. Es gibt mittlerweile so viele solcher Gegenmaßnahmen, dass ich durchaus auch zu dem Schluss kommen kann, das es nicht mehr die ursprünglichen Ursachen sind, die das Geschehen leiten, sondern die unzähligen Gegenmaßnahmen sich zu einem höchst „unseeligen“ Automatismus zusammengeschlossen haben. Wohlgemerkt, die ursprünglichen Ursachen sind geblieben und weiten ihr Unheil ständig aus, dazu kommen dann die schlecht kalkulierten und oft auch nur Interesse-geleiteten Gegenmaßnahmen, die in der Summe weiteres Unheil heraufbeschwören. Ich sehe die aktuellen Geschehnisse dieser Art so, das sich wohl überall in der Wissenschaft so große Spezialisierungen und Eingrenzungen vorgenommen wurden, das keiner der Akteure mehr über seinen eigenen Tellerrand hinaus blicken kann. Besonders bedeutsam sind dabei die kulturschaffenden „Wissenschaften“. Der große Fokus dieser Disziplinen liegt doch nicht mehr in der Erschaffung und Filtration von Wissen im Dienste der Allgemeinheit, sondern um, ich wiederhole mich gerne, um Interesse-geleitete Meinungsbildung 5. Und Interessen kann wohl nur der am wirkungsvollsten verfolgen, der über genügend Geld und Mittel verfügt, um einerseits überhaupt gestaltbare Interessen haben zu können und andererseits Angestellte bezahlen kann, die diese Interessen in einer Massengesellschaft auch wirksam ausformulieren können. Die große Masse der Menschen, die von der Arbeit im Angestelltenstatus oder Familienbetrieb leben, haben hier keine Chance, die modernen Erkenntnisse der Kulturwissenschaften wirksam für sich zu nutzen. Öffentlichkeitsarbeit (PR), Werbung sinnvoll zu platzieren und die Herausforderung, auf dem aktuellen Stand der Entwicklung zu sein/bleiben sind zeitraubend und höchst aufwendig und können von der Mehrheit der Bürgerschaft gar nicht bewältigt werden. So ist auch der Trend zu erklären, das sich nur die ganz Großen (Geld, Macht, Konzerne, Finanziers) noch der Wissenschaften bedienen können. Die Masse der Bürger ist und bleibt heute ausgegrenzt. Das Ergebnis ist sichtbar: Resignation bis Selbstaufgabe.

  1. Ein Ausdruck, den sich die dort Versammelten selbst gegeben haben.
  2. Bei „Kulturwissenschaft“ handelt es sich heute weniger um eine einzelne akademische Disziplin als um einen Sammelbegriff für ein breites Feld an Ansätzen in den Geistes- und Sozialwissenschaften, die kulturelle Aspekte hervorheben. Da auch der Kulturbegriff als solcher nicht unumstritten ist, ist „Kultur“ hier in der breitest möglichen Bedeutung zu verstehen: Kultur ist erst einmal alles, was nicht Natur ist, soll heißen, von Menschen gemacht. Nicht etwa gleichzusetzen ist Kultur also mit Kunst. (http://bildwissen.hs-fhg. geschichte.uni-frankfurt. de/ueberblick-kulturwissenschaften/)
  3. Mainstream, englisch „Hauptströmung“, spiegelt den kulturellen Geschmack einer großen Mehrheit wieder, den Massengeschmack der Massenkultur im Gegensatz zu Subkulturen oder dem ästhetischen Underground. Das entspricht dem Begriff Populärkultur und kann nach Antonio Gramsci als Konzept kultureller Hegemonie interpretiert werden. Im Bereich der Medien ist der Begriff oft verknüpft mit dem Begriff der Leitmedien und drückt einen Anspruch auf Qualität aus. Wikipedia.de
  4. Jemanden „verfemen“ ist ein von mir verwendeter ehemals mystischer Begriff, der eine Person, den Verfehmten, sozusagen außerhalb des Gerichts- und Gesellschaftsschutzes stellt. Wir kennen das heute noch mit dem vergleichbaren „Vogelfrei sein“, wobei heute die Angst/Sorge verwendet wird, dafür vom Mainstream an den Pranger gestellt zu werden und dadurch berufliche oder geschäftliche Verluste erleiden zu müssen. Der Mainstream ersetzt heute sozusagen das „Geheime Gericht“ früherer Zeiten. Heute werden Menschen dazu bei/in/an der Abhaltung von Veranstaltungen behindert, werden Bankkonten von Autoren/Vortragenden gekündigt, werden Veröffentlichungen erschwert oder Beiträge in den sozialen Medien zensiert (gelöscht, versteckt, unkenntlich gemacht). HpS
  5. Wissenschaftliche Objektivität (in den Kulturwissenschaften, HpS), d.h. eine saubere Trennung zwischen den Forschenden und ihrem Untersuchungsgegenstand, wird als nicht wirklich möglich erachtet. So erfolgt schließlich bereits bei der Wahl eines Themas eine Gewichtung ausgehend von den eigenen Vorannahmen. (http://bildwissen…)

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert