Strategiedefizite der deutschen Politik 2023

Wer sich jemals mit dem Thema Strategie beschäftigt hat und Herkunft und Prägung eines strategischen Denkens studiert hat, wird in der bundesdeutschen Politiklandschaft ein deutliches und nicht zu übersehendes Strategiedefizit feststellen. Ein Studienberatungsportal definiert Strategie als ein „Zusammenwirken von Gestaltungspotentialen auf dem Weg, ein Ziel zu erreichen“. Wenn wir uns allerdings die Ziele anschauen, die die politischen Strategien der Jetzt-Zeit zu erreichen suchen, stellt man doch erschrocken fest, das wir einerseits von der Erreichung der angestrebten Ziele weiter entfernt sind als je zuvor und wir andererseits sogar das Gegenteil dessen erreicht haben, was angestrebt wurde.

Das Ziel bundesdeutscher Politik war es doch in der Vergangenheit zumindest immer, einerseits den Frieden in Europa und vielleicht sogar der ganzen Welt zu sichern und auf der wirtschaftlichen Seite dafür zu sorgen, das zumindest das bundesdeutsche Volk in wirtschaftlichem Wohlstand lebt und sich die Fähigkeit erhält, anderen meist weniger gut entwickelten Gesellschaften hilfreich zur Seite zu stehen. Nun ist die Friedenssicherung geradewegs zu einer Kriegsbereitschaft mutiert, das wirtschaftlich reiche Deutschland erlebt eine Deindustralisierungwelle und verliert zunehmend das Vermögen, hilfreich und vermittelnd international zu wirken, schlimmer noch: Diese Fähigkeit ist mittlerweile weit unter die Nulllinie gesunden. Daher frage ich mich, ob es nicht langsam an der Zeit wäre, unsere strategischen Ausrichtungen sowohl in geo-strategischer als auch wirtschaftlicher als auch kultureller Perspektive zu überdenken.

Nach offizieller Auslegung hat der Frieden in Europa durch „den russischen Überfall“ auf die Ukraine sich aufgelöst. Das ist einerseits eine sehr kurzsichtige Auslegung und stimmt auch Fakten-technisch nicht mit der Wirklichkeit überein. Der Friede in Europa wurde nach dem zweiten Weltkrieg durch „den Überfall der Nato“ auf Serbien erstmals ins Gegenteil verkehrt und wir wissen heute, das die Gründe dafür auf mehr oder weniger falschen Informationen der westlichen Geheimdienste und Medien beruhten. Dann hat der Wirtschaftskrieg der EU gegenüber Russland nicht 2022 begonnen, sondern bereits 2014 nach der „Annektion“ der Krim durch Russland. Ob es sich dabei wirklich um eine Annektion oder um eine Völkerrechts-konforme Sezession handelte, ist heute umstritten. Niemand in der Welt heute glaubt ernsthaft, das die Bevölkerung der Krim zurück in den ukrainische Staat gelangen möchte. Sowohl die Krim als auch die die anderen russisch bevölkerten Teile der Ukraine waren jahrelang einer Politik ausgesetzt, die die russische Kultur in Sprache, Literatur und Lebensgefüge bekämpfte und eine Ukrainisierung dieser Landstriche mit Gewalt vorsah. Dazu wurden nicht nur politische Verfahren verwendet, sondern auch das Militär wurde gegen die eigene Bevölkerung dort eingesetzt. Es gab offizielle Opfer dieser Einsätze in fünfstelliger Höhe. Erst der Einsatz der russischen Armee hat dieses systematische Morden beendet bzw. reduziert. Der Einsatz der russischen Armee hat dann von Seite der EU zu einem bis heute ständig verschärften Wirtschaftskrieg geführt, der in der Politik der letzten JH beispiellos ist. Die Strategie der westlich orientierten Welt, die ukrainische Armee parallel dazu massiv aufzurüsten und gegen Russland in Stellung zu bringen, wie Merkel, Holland und Poroschenko unmissverständlich aussagten, spricht dafür, das nicht nur ein wirtschaftlicher Konflikt, sondern auch ein militärischer Konflikt dort das erklärte Ziel der politischen Strategie der Nato und damit auch Deutschlands war und noch immer ist. Wie auch immer…

Nun muss doch Ende 2023 unmissverständlich festgestellt werden, das diese Strategie massiv gescheitert ist und sich wohl ins Gegenteil dessen verkehrt, was gewünscht wurde. Daran zu Zweifeln oder sich die Realität schön zureden, ändert nichts an dem Ergebnis. Weder ist Russland wirtschaftlich am Boden noch militärisch geschwächt. Ob die Bereitschaft, diese Ziele anzustreben, wie deutsche Politiker immer wieder artikuliert haben, sinnvoll oder erbärmlich, realistisch oder einfach nur krank waren, sei dahingestellt, aber das die strategischen Ziele nicht erreicht wurden und sich sogar ins Gegenteil verkehren, ist eindeutig Realität und sollte doch wohl die Einsicht nach sich ziehen, das die angestrebte Strategie verfehlt wurde und verändert werden muss. Stattdessen aber wird „ein immer weiter so“ propagiert ohne Rücksicht auf Verluste, und ich verstehe einfach nicht, wie eine solchen Haltung zustande kommen kann. Das ist gegen alle Definitionen von Strategie und deren Handhabung. Ein Blick in Machiavelli oder Sun Zu wird das unmissverständlich bestätigen.

Weiterhin frage ich mich, welche Verpflichtungen Deutschland gegenüber der Ukraine eingegangen ist, um die massive und immer aufwendigere Unterstützung eines Krieges zu rechtfertigen. Die immensen Mittel, die diesem Staat zufließen, schädigen den Wohlstand im eigenen Land. Die militärischem Mittel, die kostenfrei (?) geliefert werden, schädigen die Verteidigungsbereitschaft und decken das Unvermögen auf, sich selbst sowohl wirtschaftlich als auch militärisch aus eigenen Kräften zu behaupten. Deutschland verliert so seine Reputation in der Welt. Als kleines Land ohne eigene Ressourcen ist das eine Katastrophe ohne Gleichen. Diese sagt aus, das wir uns ohne zwingenden Grund ein rohstoffreiches Land und einen für unseren eigenen Wohlstand wichtigen Handelspartner zum Feind gemacht haben, selbst schädigend mit unwirksamen Sanktionen unsere eigene wirtschaftliche Stabilität gefährden, uns in der Welt zunehmend isolieren, uns abhängig machen von unzuverlässigen Partnern, unseren Staatshaushalt plündern zugunsten einer unwirksamen Strategie und scheinbar keinen Weg sehen, diese Fehleinschätzungen zu ändern. Das ist erbärmlich und jenseits jeglicher Vernunft.

Lassen wir jetzt die Ukraine-Krise einmal außen vor und schauen uns andere strategische Entwicklungen der Neuzeit kritisch an. Ein ganz eindrucksvolles Strategiedefizit ist im Umbau der Wirtschaft mit einer Klima-freundlichen Ausrichtung zu beobachten. Strategie besteht ja nicht aus einer Zielvorstellung allein, sondern auch auf der Beschreibung und Planung des Weges, auf dem diese Anpassungen vorgenommen werden können. Wenn ein System verändert werden soll, das wie ein Netz permanent benötigt wird, kann ich doch nicht das bestehende System abschalten und mir dann Gedanken darüber machen, wie der Ausfall ausgeglichen werden kann. Eine Strategie diesbezüglich würde doch so aussehen müssen, das neben dem bestehenden System ein neues System entsteht, das dann schrittweise das alte System ersetzt. Das heißt, das für einen sinnvollen Zeitraum deutliche Überkapazitäten entstehen müssen, die dann durch geschicktes Ausbalancieren in die gewünschte Richtung geleitet werden. Nun haben wir in Deutschland unsere Energieversorgung zuerst auf Füße gestellt, die alles andere als sicher sind und dafür die funktionale und preiswerte Versorgung der alten Form zu einem verfrühten Zeitpunkt abgeschaltet. Ungeschickt ist dafür ein viel zu harmloses Wort. Und „abgeschaltet“ ist ebenfalls ein Wort, das auch nicht der Realität entspricht. „Gesprengt“ ist dafür wohl eine zutreffendere Formulierung. Das der Staatshaushalt die selbst verschuldeten massiven Preissteigerungen im Energiesektor mit Einnahmeverzicht und Subventionen ausgleichen muss und dafür Einsparungen in nahezu allen Teilbereichen durchgezogen werden müssen, zeigt eindeutig das Nichtvorhandensein einer realistischen Strategie an. Die Umstellung auf erneuerbare Energien kosten nun einmal Geld, das aufgebracht werden muss. Ob das Elektro-getriebene Fahrzeuge, ob das Stromerzeugung aus der Fotovoltaik oder durch Windkraft, ob das der Umbau der Heizungstechniken oder begleitende Technikveränderungen betrifft, nichts davon ist zum jetzigen Zeitpunkt so beschaffen, das von „Sicherheit in der allgemeinen Versorgung“ gesprochen werden kann. Mir kommt das so vor, als ob jemand sein altes Haus in die Luft gesprengt hätte, ohne Mittel für den Neubau zu besitzen und zu bedenken, das er für längere Zeit ohne Unterkunft und Dach über dem Kopf dasteht. So zu handeln ist ein grundsätzlicher Strategiefehler, der durch nichts anderes als durch Dummheit zu erklären ist. Da helfen keine Durchhalteparolen und auch keine Wertediskussionen. Das ist strategisch gedacht schlicht und einfach falsch.

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