Wir Menschen sind ganz besonders stolz darauf, uns aus der großen Zahl der Säugetiere, zu denen wir ja Entwicklungsgeschichtlich gehören, herausgearbeitet zu haben und uns eine technologische Zivilisation geschaffen zu haben, die viele Annehmlichkeiten und ebenso viele Erweiterungen mit sich bringen. Soweit so gut. Wir Menschen werden heute älter, leben also länger, leiden nicht mehr so viel wie in früheren Zeiten, haben viele kleine Helfer, die uns die Arbeit erleichtern, fühlen uns wohler und müssen nicht mehr so ums Überleben kämpfen wie in vergangenen Zeiten. Haben wir uns aber auch jemals die Frage gestellt, ob das Narrativ mit den vermeintlichen Annehmlichkeiten auch wirklich stimmt? Ist das wirklich so? Stimmt diese Annahme?
Nun, um die Frage mal ganz rational zu beantworten, „wir können diese Entwicklung ja gar nicht mehr rückgängig machen. Wir sind hinein geboren in eine Wirklichkeit, auf die wir nach dem Erscheinen keinen Einfluss mehr haben“. Zumindest ist das so die wohl meist zu registrierende Antwort auf die oben genannten Fragen. Auch hier ist doch wohl zu fragen, ob das so wirklich auch stimmen mag. Ich sehe und bemerke viele Menschen heute, die sich ein ruhigeres, mehr mit der Natur verbundenes Leben durchaus wünschen und bei jeder sich bietenden Gelegenheit dieses auch in die Tat umzusetzen versuchen. Urlaub nennen sich die ganz großen Versuche, Freizeit die viel häufigeren kleineren dieser Art, und die ganz kleinen Aktionen sind dann die Spaziergänge irgendwo im Feld hinter den Häusern. Halten wir die zwei Kernstücke der Aussagen noch einmal ganz konkret fest:
1. Wir wünschen uns heute alle ein ruhigeres Leben, vielleicht besser benannt als weniger hektisches und (noch) mehr gesichertes Leben.
2. Wir wünschen uns mehr Einklang mit der Natur, also den Verhältnissen, wie sie „vor der Erfindung der Zivilisation“ mit all den Häusern, Straßen, Feldern und abgezäunten Grundstücken bestanden.
Ist die Aussage unter Punkt 1 wirklich richtig? Also wenn ich richtig beobachte ist es doch so, das nahezu alle relativ neuen Erfindungen unserer Epoche eher das Gegenteil dessen bewirken, was hier als Wunsch geäußert wurde. Auch mit dem Internet hat sich die Schlagzahl der Anforderungen immer mehr erhöht. Wir müssen, so ist unser zeitgemäßes System ausgelegt, immer mehr in immer kürzerer Zeit leisten, um unseren Lebensunterhalt zu gewährleisten und müssen doch wohl feststellen, das die Ruhezeiten, also die Voraussetzung für ein ruhigeres Leben, immer mehr beschnitten werden. Ich sehe (leider) nur sehr wenige Menschen, die ihren Tag in unbelasteter Form verbringen können. Die bekannten (Zivilisations-)Krankheiten nehmen zu. Stress, Überforderung, Verwirrung, Ausgebrannt-Sein, Konzentrationsschwächen und andere nervöse Störungen sind immer mehr verbreitet. Besonders das durch die überstandene (?) Pandemie eines wohl künstlich hergestellten Krankheitserregers (?) eingeführte Heim-Büro, das zumindest die langen Arbeitswege ersparen sollte, hat doch hier wohl auch nur kleine Erträge erbracht. Die vielen dazu notwendigen Helferlein fressen die Zeit doch geradezu auf, die wir durch deren Einsatz eigentlich zu befreien gedachten. Im früher gewohnten Arbeitsumfeld störten vielleicht mal ein unruhiger Kollege oder ein (über)motivierter Vorgesetzter. Im Heim-Umfeld kommen Nachbarn, Kinder, Post- und Paketboten, Software-Aktualisierungen, ein ebenfalls im Haus tätiger unruhiger Partner, das Essen selbst besorgen und zubereiten müssen und Telefongeklingel hinzu, ohne das die zuvor alltäglichen Störungen durch Kollegen oder Vorgesetzte verschwunden wären. Sie rufen nämlich jetzt an oder bitten zu Calls 1. Nur das Medium hat sich geändert, aber die Störungen sind nicht nur nicht beseitigt, sondern sogar es sind viele Störmöglichkeiten dazugekommen. Ich höre immer wieder Stimmen, die doch gerne wieder ein geregeltes Arbeitsleben in einem externen Büro zurück haben möchten. All das Gemetzel des modernen Arbeitslebens, egal ob zu Hause oder im Betrieb, erfreut doch wirklich niemanden mehr, oder täusche ich mich da? Wir warten auf den Feierabend, hoffen, sofern wir extern arbeiten, auf eine schnelle Heimkehr, sehnen uns nach dem Wochenende und dem wohlverdienten Urlaub, und oftmals glaube ich zu sehen, das „nichts wie weg hier…“ ein fast alltägliches Motto geworden ist. Zu Hause dann aber warten/sind die Kinder, der Ehepartner und die Sorge um Haus und Haushalt, die Eltern und die Freunde, die vielen kleinen Verpflichtungen von der Steuererklärung, dem Frisör, den Paketboten, den Arztbesuchen, den gesunden Sportstunden, dem Elternabend, der ein oder andere Geburtstag und/oder andere Feierlichkeiten usw. Und das alles nimmt und nimmt keine Ende… und nennt sich dann Leben.
Nach Punkt 2 der beiden zentralen Fragen gibt es heute in einer Zivilisation die große Sehnsucht, sich zumindest in der freien Zeit im Einklang mit Natur und gesunder Betätigung zu bewegen. Dazu werden die verschiedensten Sportarten im Freien gepflegt, werden Wanderungen (durch Naturparadiese) und Kurzreisen (zu Sehenswürdigkeiten) unternommen. Immerzu „auf Achse sein“ ist das Credo dieser Bewegung (Narrativ), die durch nahezu alle Schichten der Gesellschaft geht. Was ich aber dazu anmerken muss, ist, dass diese Bewegung ebenfalls alles andere als ein ruhiges und weniger hektisches Tageswerk betrachtet werden muss. Denn jeder Tätigkeit, sofern sie nicht im Garten oder dem Feld hinter dem Haus stattfinden kann, setzt zunächst einmal ein dort Hinkommen oder Hinreisen voraus. Und da wir besonders in Stadtnähe allen Narrativen gemeinsam, sprich zur selben Zeit frönen möchten, wird das zum Wochenend-Anfang und Ende immer mit langen An und Abfahr-Aktivitäten verbunden bleiben. Die Straßen und Wege, die Bahnhöfe und Flughäfen sind überfüllt und verschlingen einen nicht unwesentlichen Teil der Zeit, die wir in Ruhe verbringen wollten. Dazu kommen dann die durch die körperlich ungewohnten Freizeit-Aktivitäen verbundenen Risiken 2. Auf der anderen Seite aber ist zu bemerken, das ein eigener Garten, der eine Alternative zum Externen bieten könnte, ja nicht nur nicht für sich alleine wächst und gedeiht, er macht auch jede Menge Arbeit. Nicht umsonst werden besonders Vorgärten heute in einen entgrünten Zustand sprich in Steingärten versetzt, um so zumindest dieseArbeitszeit einzusparen, die für derenPflege erforderlich ist. Nur ist das dann aber nicht mehr Natur pur (siehe Exkurs unten). Hinter dem Haus dann wird dann noch die früher durchgängigbegrünte Fläche durch ein Schwimmbecken, Klettergerüste und Trampolin-Konstruktionen für die Kinder ersetzt. Man kann die lieben Kleinen ja nicht mehr unbedarft rauslassen auf die Straße, wie das heute nur noch in kleinen Dörfern zu beobachten ist. Städte und Wohnsiedlungen sind allein schon wegen des Verkehrsaufkommens zu gefährlich geworden. Also müssen den Kleinen auf der ohnehin geringen Grün-Fläche Möglichkeiten zur Beschäftigung geschaffen werden, die nicht selten auch mit Spielgeräuschen verbunden sind. An Erholung dort ist dann auch nicht mehr zu denken, auch nicht für die kinderlosen Nachbarn. Die verbleibende Grünfläche ist kurz geschoren, Bäume und Sträucher sind exakt und eckig zurecht geschnitten und halten so den zu beobachtenden heißen Sommern der letzten Jahre ohne ständige Bewässerung nicht mehr stand. Eine Woche Sonne ohne Regen und der Garten erstarrt zu ungemütlichen Graugrün. Da treibt es den Erholungs- und Natursuchenden dochin Massen direkt wieder auf die Straße, um unberührte Natur zu finden, die dann ebenfalls nicht mehr lange unberührt bleiben kann. Bemerkt ein Leser dieser Zeilen die sich in Spiralform drehenden Schleifen unserer Gewohnheiten? Wenn ja kommt doch wohl sofort die Frage nach einer Alternative. Und das ist dann doch wohl die Frage, um die es eigentlich wirklich geht oder gehen sollte. Gibt es eine Alternative zum Lebensstil, den wir aufgrund unseres Sicherheitsbedürfnisses, unseres „Mehr ist besser…“, aufgrund von Bequemlichkeit und unserer Sehnsucht nach Ruhe und Naturnähe seit langer Zeit pflegen?
Exkurs: Natur…
Was ist das eigentlich, Natur? Über diesen Begriff trickst und rätselt die Philosophie seit 2500 Jahren, meiner Ansicht ohne Sinn-gebenden Erfolg. Ich selbst favorisiere nach wie vor die alte Ansicht des Aristoteles, das Natur das ist in Flora und Fauna, was da war, bevor sich der Mensch diese „Untertan“ gemacht hat und sie seitdem permanent und ohne Rücksichtnahme ausbeutet. Denker aller Kulturen versuchen seit langer Zeit, dafür eine philosophische und theologische Rechtfertigung zu finden. Meiner Ansicht nach gibt es diese aber nicht (mehr). Und daher bezeichne ich diese Versuche als Ticksereien. Wir Menschen sind vorgeblich dieser Natur vor langer Zeit entsprungen, sind aber nach wie vor auf die Gaben dieser Natur angewiesen, haben aber den Sinn und die (wohl) einmalige Chance wohl nicht verstanden, die uns die Natur mit dem Leben geschenkt hat, sonst würden wir „den Ast, auf dem wir sitzen, doch nicht immer mehr zerstören“. Wir wissen nach wie vor nichts über denn Sinn, den das Leben unserer Logik nach doch enthalten muss. „Was da ist muss doch auch einen Sinn haben, sonst würde es ja nicht da sein, oder?“ Wissen aber ist etwas wie die Beweise in der Strafverfolgung. Da gilt nämlich wie das Prinzip, das „…nur verurteilt werden kann, was bewiesen werden konnte“. Somit können auch wir nur wissen, was eindeutig belegt ist. Was wir mit der Natur aber seit langer Zeit machen, erscheint mehr und mehr als das genaue Gegenteil. Wir halten uns wohl für den Chef des Ganzen, sind aber mehr nur ein kleiner Angestellter mit einem kurzem Zeitvertrag.
Anfang Mai war der Tag, an dem Deutschland seinen Anteil der Ressourcen der gesamten Welt für das laufende Jahr verbraucht hat. Wir verbrauchen also nach Adam Riese 3x so viel pro Jahr, wie uns anteilig zusteht. Um das auszugleichen, dürfen also 80 Millionen Menschen anderer Länder nur ein Drittel ihres gerechten Anteils verbrauchen. Diese Erkenntnis ist bitter. Auch die USA, China und Indien verbrauchen mehr Ressourcen als ihnen in einer gerechten Verteilung zusteht. Da wird das nicht nur mit der Mathematik schon langsam schwierig, sonder auch schon mit dem Gefühl von Gerechtigkeit.