„Ich fürchte mich so vor des Menschen Wort.“ ist eine Aussage, die heute deutlich mehr Realität gewonnen hat als noch im Jahr 1898, als die zitierte Gedichtszeile durch Rainer Maria Rilke entstand. Wir leben heute medial und in täglichen Diskurs in einer Zeit, wo Lügen, Propaganda, Werbung und Wesensverschleierung nahezu allgegenwärtig sind. Vergleicht man die verschiedenen Aussagen in unterschiedlichen Medien, entsteht weder einheitliches Bild noch folgt das dort niedergelegte irgendeinem Muster. Jemand behauptet etwas, der Nächste widerspricht, der Dritte relativiert und der Vierte zieht das bisher Gesagte nur ins Lächerliche, ohne auf Argumente zu reagieren. Und zusätzlich beschimpfen und beleidigen sie sich alle noch gegenseitig. Und diese sehr frustrierende Beobachtung gilt nicht nur für manch außenpolitische Agenda, sondern in ebensolcher Form im Innenpolitischen, Wirtschaftlichen, Medialen und Sozialen. Nun möchte ich hier nicht einfach mit Beispielen beginnen, das ist langweilig und in jeglicher Presse als Wahrheitsauslegung oder auch als Schmiererei und übler Nachrede schnell nachzulesen.
Worüber ich schreiben möchte ist eine ganz andere Perspektive, nämlich die unserer Verfassung (Grundgesetz) gemäße. Jeder Interessierte muss nicht lange suchen, sondern kann sich in wenigen Minuten Klarheit darüber verschaffen, warum viele aktuelle Medienerzeugnisse und die ihnen zugrunde liegende politische Agenda und deren Hintergründe genau genommen mit unserem Grundgesetz und seinen Forderungen nicht in Einklang stehen können. Dort steht nämlich in Artikel 1:
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Nun muss das richtig gelesen werden, denn dort steht nicht „Die Würde der deutschen Staatsangehörigen…“ sondern ganz und gar allgemein „…der Menschen…“. Da ist auch nicht von Menschen die Rede, die meine Überzeugungen, Werte, Dogmen oder Vorstellungen teilen, sondern absolut verallgemeinernd von Menschen. Daraus schließe ich, das nach unseren Grundsätzen alle Menschen gleich welcher Hautfarbe, Religion, politischer Zugehörigkeit oder Abstammung das gleiche Recht auf Unverletzlichkeit ihrer Würde zusteht. Und ich folgere weiter, das neben Baerbock, Scholz, Biden, Putin, Selenski, Erdogan, Asange, Gadaffi und jedem beliebigem katholischen Priester und Banker auch alle anderen Menschen auf dieser Welt damit gemeint sind. Unantastbar ist ein Wort, das nicht ausgelegt werden kann. Und dieses Wort ist Gesetz in unserem Lande, ob es gefällt oder nicht. Nun könnte man davon ausgehen, das die Zeilen nach Absatz 3 dieser Zeilen nur für die Inhaber der staatliche Gewalt gelte und jeder einzelne Bürger von diesen Regeln ausgenommen bliebe. Ihm sei es also sozusagen privat erlaubt, anderen Menschen gegenüber sich unwürdig zu verhalten. Dem allerdings widerspricht der letzte Satz der Präamblel des GG:
Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben. Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk.
Wenn dieser letzte Satz also für das ganze deutsche Volk gilt, sind also auch die deutschen Medien, die sogenannten Sozialen Medien und jede Meinungsäußerung von Privatpersonen, die entgegen dieser Gesetzeszeilen sich artikulieren oder handeln, in Deutschland im Grunde ein Verstoß gegen unser Grundgesetz. Oder verstehe ich das vielleicht falsch? Und in Artikel 2 stehen folgende Sätze:
(GG 1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(GG 2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Nun auch diese beiden Sätze sind meiner Ansicht nach mehr als eindeutig formuliert. Alle genannten Einschränkungen können also nur auf der Grundlage eines Gesetzes eingeschränkt werden. Daraus kann doch wohl mehr als eindeutig abgeleitet werden, das über Meinungen, Ansichten oder Glaubensfragen jede Gesinnung, die gesetzlich nicht verboten ist, erlaubt sein muss. Nun kann ich mich nicht erinnern, jemals gelesen zu haben, das es ein Gesetz gibt, das es manchen Politikern oder Privatpersonen verbietet, eine vom „Mainstream“ abweichende Meinung zu haben und diese auch zu äußern. Ich muss es also einem Menschen zugestehen, zum Beispiel in Sachen Politik Putin oder Biden für gute Politiker, Merkel und Wagenknecht für gute Politikerinnen oder auch Relotius und Berger für gute Journalisten zu halten. Und auch der berühmte „Verschwörungstheoretiker“ darf seine Ansichten äußern, sofern er damit nicht gegen Gesetze verstößt. Und die Aufzählung der Grundgesetze geht ja noch weiter, ich vereinfache das alles jetzt mal ein wenig, in dem ich nur eine kurze Liste mit ausgesuchten Aussagen hinterlege:
(GG 3/1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(GG 3/2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt.
(GG 5/1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(GG 5/2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(GG N5/3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Und so geht es weiter und weiter über 146 Artikel, viele mit mehreren Absätzen. Viele der hierin beschrieben unverletzlichen Regeln scheinen heute keine allgemeine Wissensgrundlage mehr zu sein, weil sich mehr und mehr herausstellt, das nicht nur die Staatsorgane und ihre Vertreter, sondern auch die Medien und viele Bürger selbst das Gegenteil von dem tun, was hier für alle bindend festgelegt ist. In meiner alltäglichen Nachrichtenrecherche muss ich immer häufiger feststellen, das gerade von der Würde und Ehre von Mitmenschen häufig nicht viel übrig geblieben ist. Es tropfen die Beleidigungen und die üblen Nachreden aus allen Zeilen heraus, auch bei den sogenannten Qualitätsmedien. Es stellte sich weiterhin heraus, das staatliche Stellen auf Medien Einfluss nehmen und sogar Organisationen von staatlichen Ministerien finanziert und gefördert werden, die sich dann anmaßen, über Wahrheit und Lüge zu entscheiden. Faktencheck nennt sich das dann, aber es gibt bei einer Faktenfeststellung doch nur dann brauchbare Ergebnisse, wenn alle Ansichten zu Wort kommen und der Diskurs alle Quellen berücksichtigt. Ich sehe das aber leider nicht mehr. Das ist im Grunde genommen schon aufgrund der staatlichen Macht, durch Geldmittel erzeugt, die nur vergeben werden, wenn Meanstream-Gefolgschaft gefordert wird, bereits eine Zensur, die nach GG absolut verboten ist.
Selbst unsere Kinder, die schwächsten Glieder der Gesellschaft, werden vom Staat nicht wirklich geschützt, solange Organisationen wie die Kirchen sich jenseits der allgemeinen juristischen Ordnung sich ein eigenes Rechtswesen anmaßen können. Wenn Priester, die sich an Kindern vergangen haben, weiterhin ihr Amt ausüben dürfen und durch eine stillschweigende Versetzung auf eine uninformierte neue Gemeinde losgelassen werden, ist das wirklich nicht mehr statthaft im Rahmen unserer Gesetze. Ich sage das besonders, weil der Schutz der Kinder oftmals selbst von den Kirchen so hoch im Diskurs gehandelt wird wie kein anderes Grundrecht. Und da ist dann noch die Frage, warum die beiden christlichen Kirchen in Deutschland eine Sonderregelung genießen, wo doch ganz klar in Artikel 137 Absatz 1 (s.u.) etwas anderes geschrieben steht. Weiterhin gibt es da den Artikel 136 Absatz 3 (s.u.), wo eine Offenbarungspflicht der religiösen Überzeugung deutlich abgewiesen wird. Warum muss ich das dann aber in jeder Steuererklärung, jeder Anmeldung und vielen Befragungen immer wieder angeben. Ist den Behörden in Deutschland dieser Absatz vielleicht nicht bekannt? Wenn ich nicht verpflichtet bin, etwas zu offenbaren, sollte doch auch das Fragen danach unterlassen bleiben.
(GG 136/3) Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren.
(GG 137/1) Es besteht keine Staatskirche.
Viele sogenannte aufrechte Bürger gestehen heute zum Beispiel anderen Menschen nicht das Recht auf Versammlungsfreiheit und das Recht auf den Ausdruck ihrer Freiheit in Form einer Demonstration zu, indem sie Gegendemonstrationen organisieren. Ist es nicht logisch, das, wenn ich gegen die Versammlungsfreiheit anderer demonstriere, ich mich damit auch gegen das Recht auf Versammlungen im Allgemeinen ausspreche? Wenn ich mich also nur dazu bereit erkläre, meiner eigene Gesinnung dieses Freiheitsrecht zu gewähren, kippe ich nicht dann auch mein eigenes Recht in letzter Konsequenz?