Wir brauchen mehr Meinungs- und Medienkompetenz

Heute gibt es eine fatale Tendenz im Nachrichten-Spiel, das nämlich scheinbar Jeder/Jede nur noch die Medien konsumiert, die seine/ihre eigene Meinungen stützen oder, sollten solche (noch) nicht vorhanden sein, dem breiten Mainstream 1 entsprechen. Ich persönlich finde diese Beobachtung angesichts des Zustands unserer Medienlandschaft zutiefst besorgniserregend. Unzählige Geheimdienste zeugen doch nach wie vor von der Notwendigkeit, Ansichten, Entwicklungen und Forschungen der anderen Seite (Freund/Feind-Schema) zu erkunden. Es ist zum Beispiel auch für Entscheidungsträger in der Politik absolut notwendig, die Argumente der Gegenseite zu kennen und diese in den Prozess der politischen und staatstragenden Entscheidungen einzubinden. Und auch wenn wir in D heute der Ansicht sind, das wir als Bürger doch gar keine Macht haben, das diese vielmehr von „denen da oben“ ausgeübt wird, so stehen wir regelmäßig im Wahllokal doch als Souverän unseres Staates vor einem Zettel, der darüber bestimmt, wer mit welchen Zielen und Ausrichtungen die nächste Legislatur fahren wird. Als Einzelne sind wir machtlos, als Masse aber könn(t)en wir Revolutionen gestalten. Dazu gehört als Minimum, das Weltgeschehen uninterpretiert wahrzunehmen und sich eine unabhängige Meinung/Entscheidung zu gönnen. Dazu bedarf es heute meiner Ansicht nach besonders im Medienbereich etwas mehr Aufwand als in früheren Zeiten. Manipulation, Propaganda, Meinungsmache und PR sind allgegenwärtig und besonders in Wahljahren wie dem jetzigen weit verbreitet. Als verantwortungsbewusster Wähler laufe ich aber keiner Fahne nach, sondern ich entscheide, was ich für mich und mein Umfeld für notwendig halte und wer dazu die Vertretung übernehmen soll. Ich persönlich würde gerne mehr im Detail mitbestimmen, wäre also für regelmäßige Volksbefragungen und Bürgerentscheide, auch wenn mir sehr sicher bin, dass das mir hier und da etwas Bauchschmerzen bereiten würde. Aber auch dazu müssten zuerst einmal Wählerstimmen dort abgegeben werden, wo auch Parteien für eine solche Regel einstehen wollen. Und dazu sollte ich schon wissen, wer das sein, wer dafür eintreten könnte und komme wieder mal nicht um das Lesen langweiliger Parteiprogramme herum.

Wir stehen in D heute in einem großen Wahljahr. Allein die bevorstehende Bundestagswahl stellt das schon klar. Wir kämpfen weltweit gegen eine Pandemie und mit sehr unfeinen Mitteln um Vorteile in der Verteilung der wenigen Impfdosen, Medikamente und intensiv-medizinischen Produkten. Zwischen den USA und China tobt ein Handelskrieg, der (noch) mit Zöllen und Sanktionen ausgeführt wird. In der Ukraine entsteht gerade erneut ein Pulverfass, das zwei Weltmächte in einen Krieg ziehen könnte. Weitere Konfliktherde in Südamerika, Asien und Afrika geraten mehr und mehr außer Kontrolle. Die große Ordnungsmacht des 20. JH, die USA schwächeln, verrennt sich selbst zunehmend in innerstaatliche Kämpfe, die fast religiös anmuten und versucht mehr und mehr mit allen, selbst Völkersrechts-widrigen Mitteln ihren bröckelnden Status zu erhalten, sowohl geopolitisch, wirtschaftlich als auch militärisch. Die EU ist uneinig und handlungsunfähig wie eh und je, und immer neue Konfliktherde brechen weltweit auf in diesem Machtvakuum. Wir sollten als Souverän über all diese Problemfelder umfangreich informiert sein. Es ist daher nicht egal, wer und mit welchen Mehrheiten in Berlin unseren Standort in diesem Geflecht repräsentiert. Es gibt neben diesen friedensbezogenen Problemen unzählige weitere ungelöste Fragen, vom Klima der Welt bis zu Ernährung der Menschen, von ungerechter Verteilung der Ressourcen bis zu Freiheit und Gleichheit vor dem Gesetz. Diese lassen sich aber nur in einer friedlich ausgerichteten Weltstruktur lösen. Es geht nur gemeinsam mit allen Völkern, allen Menschen, und dafür ist es notwendig, mehr über die „Anderen“ zu wissen, auch diese zu verstehen und ihren Beitrag anzunehmen. Gut und Böse ist hier keine Kategorie mehr, Machbarkeit und Sinnhaftigkeit könnten eine solche sein, auch Akzeptanz und Toleranz. Und vielleicht brauchen wir dazu weniger Waffen, stattdessen mehr Pflugscharen, mit Sicherheit aber mehr wahrheitsgetreue Informationen. Propaganda ist keine Information, keine Nachricht. Wir müssen vielmehr massiv verbal abrüsten, jetzt, hier und auf breiter Linie. Dazu brauchen wir im Gegensatz zu den anderen Problemen weder Geld noch Technologie. Es reicht der gute Wille!

  1. Mainstream-Medien, oft Qualitätsmedien genannt, siehe Medien-Navigator

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