Wir brauchen mehr Meinungs- und Medienkompetenz

Mir stellte sich einfach die Frage, wie kann man heute soweit informiert sein, das man seine Pflichten und Rechte als Staatsbürger noch immer verantwortungsvoll wahrnehmen kann. Zunächst einmal ist, so meine Überzeugung, eine Unterscheidung beim Lesen und Studieren von „Nachrichten“ wichtig, ohne die eine Differenzierung gar nicht möglich ist. Wir müssen Nachrichten von Meinungsäußerungen und Fakten von Kommentaren unterscheiden können. Was auf den ersten Blick so einfach daherkommt, ist genau betrachtet in der Praxis nahezu als Schwerstarbeit anzusehen, denn in unseren Medien (D, 2021) sind diese unterscheidenden Kategorien nicht mehr ohne weiteres sichtbar und häufig sogar bis ins Unkenntliche vermischt. Und dabei meine ich nicht nur, wie viele vielleicht jetzt schon vermuten mögen, die in D so gerne zitierten Qualitätsmedien. Dieser Begriff, von den einen als Selbstlob, von den anderen als sarkastischer Abwertungsbegriff missbraucht, versammelt die großen Medien Deutschlands (ARD, ZDF, Spiegel, FAZ, SZ, Bild und viele andere…) in einer Kategorie. Auch in den „alternativen Medien“ (Blogs, RT, Nachdenkseiten, Telepolis und viele andere…), ebenfalls ein oft missbrauchter Begriff, ist das ebenso zu verzeichnen. In Meinungen und Kommentaren werden Zitate zum Beispiel oft auf dem Zusammenhang gerissen und so in einem ganz falschen Licht dargestellt, werden selten Quellen benannt und offengelegt, werden wichtige Teile einer Nachricht weggelassen oder es wird ganz eindeutig Stellung bei einer Partei oder Organisation bezogen, ohne deren Gegner zu Wort kommen zu lassen oder auch nur deren Standpunkt darzulegen. Erinnern Sie sich noch an die Handlungen in alten US-Medien-Filmen, wo Reporter noch verzweifelt Kommentare oder Äußerungen von Politikern und Wirtschaftsbossen zu bekommen suchten und wenn das nicht gelang, ihre Artikel zu diesen Personen nicht veröffentlicht werden konnten. Diese guten Sitten des Journalismus sind heute leider schon lange Geschichte.

Betrachten wir einmal den Begriff „Nachrichten“ etwas genauer, wie er heute im journalistischen Umfeld gebraucht wird. Sie kommen in der Regel so zustande, das irgendwo auf der Welt etwas Wissenswertes geschieht und darüber berichtet wird. Menschen greifen diese Inhalte auf und verbreiten sie. Der Journalist, der dann diese Nachricht erhält und seinen Lesern/Hörern/Zuschauern mitteilen soll, sollte diese Inhalte recherchieren, sollte gegebenenfalls bei betroffenen Personen oder Organisationen vorstellig werden und Äußerungen dazu einholen. Und wenn, nach ausgiebiger Recherche und Äußerungen aller betroffenen Parteien sich dann ein Bild abzeichnet, wird er dieses zu einer Nachricht (kurz, faktenbezogen), einem Artikel (ausführlich, ebenfalls faktenbezogen), zu einem Essay (erklärend und mit faktenreichen Hintergrundinformationen angereichert) oder zu einem Kommentar (mit eigener Ansicht gewürzt) fassen und veröffentlichen. Was ich persönlich als Nachrichten betrachte sind nur Meldungen, in denen sich die Worte „hätte, könnte, würde“ nicht finden lassen und in denen nur recherchierte und faktensichere Informationen enthalten sind. Wenn ich so heute und mit der genannten Definition die Nachrichten beobachte, erfüllen das nur noch die kurze Nachricht im Überblick und/oder noch kurz gefasste, faktenbezogene Artikel. Bereits der ausführliche Artikel, das Essay, bestimmt aber der Kommentar mag zwar ebenfalls alle notwendigen Fakten enthalten, zeitigt aber bei genauem Betrachten durch die Form seines Aufbaus, seine Interpretationsspielräume und der Auswahl beziehungsweise Wichtung der Einzelinformationen die typischen Formen einer Meinungsäußerung, die von den persönlichen Ansichten des Schreibers und seiner Auftraggeber eingefärbt wurde. Heutige Medien beinhalten buntgemischt alle genannten Kategorien ohne eindeutige Trennlinien. Für mich aber ist eine Nachricht zum Beispiel immer nur eine reine Faktenmitteilung. Was zum Beispiel bei einem Unfall leicht beschrieben werden kann, ist bei einer politischen Entscheidung aber gar nicht mehr so einfach. Was sind hier wirklich Fakten, auf denen die/eine Entscheidungsfindung aufgebaut werden kann, was sind richtungsgefärbte Schlagwörter (liberal, demokratisch, wissenschaftlich), mit denen aus einer Ansammlung von Daten ein Konzept erstellt wurde, und wie ist das Wording, das dabei zur Verwendung kommt.

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