Wie das aussehen kann, möchte ich an aktuellen Beispielen erläutern:
- Ich bin, etwas plump gesagt, nicht mehr gegen eine bestimmte Partei, sondern für die Werte, die diese Partei eben nicht aktiv vertritt. Wenn die AfD zum Beispiel in ihren Reihen Politiker mit völkischen Ansichten beherbergt, und diese auf Versammlungen und Spaziergängen Aufmerksamkeit damit erregen, gegen Asylsuchende und Einwanderer zu stänkern, dann wäre es doch gut und anzuraten, erstens das nicht zu kommentieren und, zweitens, mit einem breiten Bündnis für internationale Zusammenarbeit und allgemeine Toleranz zu demonstrieren oder/und in den Medien einzutreten. Dabei müssen die Spalter und Verunglimpfer nicht einmal namentlich genannt werden. Wozu auch.
- Wenn wir für Meinungsvielfalt sind, können wir nicht gegen jemanden demonstrieren, der legal seine Meinung in Form von einer Demo kundtut. Das geht nicht. Wir können nur für Meinungsfreiheit demonstrieren. Jede Meinungsäußerung, die nicht gegen aktiv gelebte Gesetze verstößt, ist durch die garantierte Meinungsfreiheit gedeckt. Das gilt auch für Meinungen, die wir nicht mögen oder sogar verurteilen.
- Wir können auch nicht gegen bestehende Gesetze demonstrieren. Das ist Spaltung und ruft Widerstand hervor. Denn Gesetze und Amtsträger wurden durch die Mehrheit legitimiert und eingesetzt. Nehmen wir die jüngst ins Spiel gebrachte Impfpflicht. Sie verstößt nach dem Urteil ihrer Gegner gegen das Recht auf Selbstbestimmung, welche das Recht auf körperliche Unversehrtheit beinhaltet. Wofür zu demonstrieren wäre ist also das Recht auf körperliche Unversehrtheit, und nicht gegen die Amtsträger, die dieses von uns in Anspruch genommenes Recht zu beschneiden gedenken oder schon beschnitten haben.
- Unsere staatlichen Organe wünschen sich seit langem schon Mittel zur Überwachung aller Bürger. Telefondaten, Bewegungsprofile, Kontenüberprüfungen, Internetauswertungen und viele andere Datenerfassungen sollen die Behörden, einschließlich Polizei und Verfassungsschutz, in die Lage versetzen, zum Beispiel wie jetzt in Pandemie-Krisen Ansteckungsverläufe zu verfolgen, oder sie sollen Schwarzgeld und kriminelle Geldwäsche unterbinden, Steuerhinterziehungen aufzuspüren, Verbrechen und Terrortaten aufzuklären und vieles mehr. Das dabei auch das Recht auf Unversehrtheit der Würde, das sich ableitende Recht auf Privatheit und freier Lebensentfaltung ausgehöhlt werden könnte ist bekannt. Für diese drei Motive ließe sich gut und von allen akzeptiert demonstrieren.
- Wir können auch nicht gegen Bundeswehreinsätze im Ausland demonstrieren, ohne Spaltungen zu erzeugen, denn sie beruhen zurzeit auf legalen Gesetzen. Aber wir können für Frieden demonstrieren, wie dies die Friedensbewegung noch vor gar nicht allzu langer Zeit vorgemacht hat. Das unsere „Friedens- und Verteidigungsarmee“ dabei einzubeziehen sei erklärt sich doch wohl von selbst. Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung gilt nicht nur für uns, sondern für alle Menschen. Und unsere Armee kann und darf dann wie selbstverständlich nicht gegen diese von der Gesellschaft geforderte Sichtweise handeln. So erst wird ein Schuh daraus.
Wir sollten uns einfach dafür entscheiden, Gegen-Etwas-Positionen und die durch sie provozierten Propaganda-Beiträge, die sich einfach nur im Kampf gegen irgendwelche Gegner ergötzen, schlicht und einfach zu ignorieren. Sie ermuntern nur zu Spaltung und Missgunst. Man erkennt sie alle anhand von dogmatisch wirksamen Kriterien wie Einseitigkeit, Ausschließlichkeit und aktiv gelebter Gegnerschaft. Betrachten wir sie daher einfach wie Hundehaufen auf der breiten Straße der Medien- und Netzaktivitäten. Einfach drum herum lesen/hören/sehen, fertig!
Wovon wir allerdings viel mehr brauchen sind Beiträge für den Frieden, für Freiheit, für Selbstbestimmung, für internationale Annäherung und Gespräche, für mehr internationales Miteinander, für das Recht auf Unversehrtheit der Würde, für sinnvolle Bildungssysteme, für die Achtung des Lebens und der Umwelt, für aktiv gestaltetes Mitgefühl, für die Einhaltung der Gesetze, für ein Zusammenstehen in der gesellschaftlichen Verantwortung als Souverän einer Demokratie und für vieles andere mehr. Es gibt doch wahrlich genug zu tun. Gegnerschaften allerdings haben nichts in der aktiven offenen Meinungsäußerung zu suchen. Sie sind zu hinterhältig, zu machtbesessen und gewalttätig, als das man sie zulassen dürfte. Gegnerschaften spalten nur. Für die oben genannten Für-Beispiele zu sein kann eigentlich gar keine wirklichen Widersprüche hervorrufen. Alle werden dafür sein. Weil die Werte, die hier eingefordert würden, nahezu selbstverständlich sind. Und dann hätte ein Protest auch Erfolg, brächte viele Menschen auf die Straße, es gäbe keine Gegendemos und schlüge nicht immer wieder, wie oft zu sehen ist, gegen die Demonstrierenden selbst zurück. Das sollte jeder, der einigermaßen klar in die Nachrichten-Welt hinausschaut und damit umfassend informiert ist, eigentlich längst verstanden haben.