Der amerikanische Mythos: Freiheit für die Welt?

Das zweite Motiv beinhaltet die Unterstützung kleiner Staaten, die den erklärten Feind ebenfalls fürchten und die dazu benutzt werden, einen künstlichen Konflikt zu erzeugen oder einen bestehenden innerstaatlichen Konflikt als den großen Konflikt mit dem Gegner auszublasen, den es eigentlich so gar nicht gibt, um wirtschaftliche oder machtpolitische Erfolge zu erzielen. Die Ukraine und Taiwan sind die aktuellsten Beispiele für diese Methode. Beide Staaten werden von den USA und ihrer Nato militärisch aufgerüstet und propagandistisch als potentielle Opfer der Feinde Russland und China aufgebaut, was in den Satellitenstaaten Europas für große mediale Aufregung sorgt. Trotzdem, im Falle eines militärischen Konfliktes zwischen Russland und der Ukraine werden die Nato-Staaten samt USA, die letztlich den Konflikt schüren, nach eigenen Aussagen nicht militärisch eingreifen. Man droht Russland lediglich, es wirtschaftlich zu boykottieren, es vom Finanzsystem der globalen Welt abzuhängen und so in die Knie zu zwingen. Nur, Russland und China sind gerade mit großen Schritten dabei, sich aus den vom Westen kontrollierten Finanzinstrumenten zu verabschieden und eigene Strukturen aufzubauen. Sowohl Russland als auch China werden schon seit Jahren mit Sanktionen überzogen. Bis jetzt hat das aber kaum Wirkung gezeigt. Selbst der Handel der beiden mit den USA ist beständig gewachsen. Russland ist mittlerweile das einzige Land, das Europa mit ausreichend Energie versorgen kann, China diktiert den Markt selbst der USA durch seine Zuliefer- und Endmontage-Industrie. Jeder Computer, die meisten elektronischen Bauteile und der größte Teil der Massenkonsumartikel kommt heute aus China. Wie also sollen Sanktionen hier Druck ausüben? Das ist schwer nachzuvollziehen.

Ich persönlich glaube eher, das es der US-Administration darum geht, sich in den anstehenden Verhandlungen sowohl mit China als auch Russland in eine gute Position zu begeben, in denen die europäische Stärke in diplomatischen Fragen, die in der ganzen Welt hochgeschätzt wird, keine Rolle mehr spielt. Während sich also die Satellitenstaaten der Nato-Länder sich jeglichen diplomatischen Einfluss verspielen, in dem sie ihrer Führungsmacht gehorsam zur Seite stehen und das Feindbild pflegen, gehen die USA mittlerweile schon in die diplomatische Offensive. Wegen der Ukraine gibt es bereits Verhandlungen auf mittlerer diplomatischer Ebene mit Russland. Über die Aktivitäten gegenüber China erfährt man bei uns nur wenig, aber auch hier werden mit Sicherheit bereits Gespräche laufen. Einige Handelsbarrieren wurden ja bereits abgebaut. Es geht also nicht darum, Taiwan und/oder die Ukraine zu beschützen, was allen Glauben gemacht wird, sondern darum, ungestört bilaterale Verhandlungen aufnehmen und durchführen zu können, deren Ergebnisse dann die Satelliten in Europa vor vollendete Tatsachen stellt. Ich befürchte sogar, das letztlich Europa und seine zerstrittenen Staaten das Nachsehen haben werden, da sie weder wirtschaftlich noch militärisch von den Ergebnissen der US-Deals profitieren werden. Sie werden eher deren Zeche bezahlen müssen.

„Politik ist der Kampf um die Veränderung oder Bewahrung bestehender Verhältnisse.“ Christian Graf von Krockow, 1976

Die USA müssen sich wirtschaftlich und militärstrategisch erneuern. Ihre wirtschaftlichen Bilanzen sprechen da eine mehr als deutliche Sprache. Sie wollen sich seit langem aus ihrer Rolle der Weltpolizei zurückziehen, die großen Aufwand erfordert, und sich darauf besinnen, im eigenen Land einen Aufbruch zu erzeugen. „Make America great again“ war der Slogan Trumps, und das ist genau die Aussage, die die anstehenden Veränderungen beschreiben. Sollte sich dann noch die halbe Weltbevölkerung aus den Finanzsystemen verabschieden und die USA damit ihre letzte Vormachtstellung verlieren, wird das ein sehr teurer Spaß für die Regierenden dieses Landes, zumal die Politik dort in zwei Parteien gespalten ist und beide mit äußerst harten Bandagen um die Vormachtstellung kämpfen. Die dann regierende Partei würde mit Sicherheit die nächsten Wahlen verlieren. Also versucht die jeweilige Regierungspartei, zu verhandeln, zu bluffen, und sich in eine gute Ausgangsposition zu schummeln. Das ist die bewährte amerikanische Taktik in Krisenfällen: Feuer legen, anderen die Schuld zuschieben, Mitstreiter ausschalten, um sich dann allein aufs Podest des Siegers zu schummeln 1. Einen Vorgeschmack gab der kürzlich stattgefundene Demokratie-Gipfel. Das haben die USA, wie die Geschichte zeigt, immer so getan. Und das werden sie auch jetzt wieder versuchen. Wir in Europa sollten ihnen nicht auf den Leim gehen.

  1. Die oben von mir geäußerte Ansicht geht mit den außenpolitischen Doktrin konform, die in der National Security Strategy (NSS) zusammengefasst werden. Dieses Papier beschreibt den geopolitischen Pfad, den die USA heute verfolgen. Es ist auch unter dem Namen Bush-Strategie oder Wolfowitz-Strategie bekannt geworden. Der oben benannte Link beschreibt den Inhalt der Pläne in einprägsamer Tiefe.

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