Nach unserer Lehre von der Entwicklung des Lebens auf unserem Planeten und der daraus abgeleiteten Evolutionslehre hat über viele Jahrtausende eine kontinuierliche Entwicklung stattgefunden. Diese reicht bis heute und nichts spricht dafür, dass sich diese nicht auch in Zukunft fortsetzt. Allerdings wird das Gros der Erneuerung für Menschen mehr in Richtung Psychologie und Sozioökonomie gehen und nicht in mechanischen oder physiologischen Ebenen sich aufhalten.
In unserer westlichen Kultur gibt es verschiedene Paradigmen, die mittlerweile so verfestigt und verinnerlicht sind, dass sie schon fast nicht mehr anders gedacht werden können. Dazu gehören unterer Anderen die repräsentative Demokratie und ihre Verfahren sowie die einschlägigen neoliberal ausgerichteten Wirtschaftsvorstellungen in unterschiedlichen Ausprägungen, wie sie in den Staaten Europas und Amerikas gefahren werden. Basisorganisationen dazu sind auf der politischen Seite Parteien und auf der wirtschaftlichen Seite marktorientierte Betriebe und Konzerne, in deren Funktionen die meisten richtungsweisenden Entscheidungen entstehen und getroffen werden. Wenn in unserer Gesellschaft weiterhin Entwicklung stattfinden soll, muss diese zwangsweise in diesen Basisorganisationen entstehen.
Unsere Parteienlandschaft verändert sich zunehmend in Richtung einer großen Aufspaltung, in der nicht mehr Richtungen, sondern Details eine große Rolle spielen. In der Vergangenheit bestanden in den repräsentativen Demokratien meist zwei große Parteien, die sich in der Machtausübung abwechselten und vereinzelten kleineren Mehrheitsbeschaffern. Dieses Bild verändert sich gerade grundlegend. Die einst großen Parteien, die noch eine spezifische Richtung verfolgt haben, zerstören sich durch Flügelbildungen und den damit verbundenen Bild einer fragwürdigen Ausrichtung der zu erwartenden Politik. 1 Kleine Parteien andererseits verfolgen meist eingeschränkte politische Ideale, die nicht alle Motive der Gesellschaft medial abbilden können. 2 In Deutschland sind zurzeit nur Koalitionen aus den beiden großen oder aus mehreren Parteien möglich. Setzt sich diese Entwicklung weiter fort, werden hier bald stabile Mehrheitsverhältnisse nur noch sporadisch möglich sein. Die Mentalität wird sich verstärken, dass jede Kraft, erst einmal an der Macht, nur noch die Umsetzung der Versprechen an ihre wenigen Wähler verfolgen wird. So ist aber Entwicklung nicht oder nur schwer möglich.
Marktorientierte Betriebe und Konzerne in einer wirtschaftlich globalisierten Welt führen heute schon ein Eigenleben, das sich von einer gesellschaftlichen Anbindung oder Verantwortung nahezu vollkommen verabschiedet hat. Hier spielen besonders die Deregulierungen und Entkopplungen aus den politischen Systemen eine entscheidende Rolle. International aufgestellt, ergeben sich für diese Organisationen mehr und mehr Möglichkeiten, erpresserisch auf politische und sozioökonomische Entscheidungen einzuwirken. Im Grunde genommen hat die Entwicklung zum heutigen Tage dahin geführt, dass die Konzerne am gesellschaftlichen und sozialen Leben gar nicht mehr teilnehmen. Sie sind von demokratischen Strukturen weit entfernt, beruhen auf dem Prinzip einer breit gestreuten Verantwortungslosigkeit in ausgeklügelten hierarchischen Systemen, die nur noch begrenzt von Dividenden erwartenden Privatiers und Banken kontrolliert werden können. Sie existieren damit in einem luftleeren Raum und fernab der Lebenswirklichkeiten.
Wenn wir für unsere gesellschaftlichen Systeme eine Entwicklung wünschen, so kann diese nur durch Veränderungen der beiden genannten Organisationsformen stattfinden.
Bei den Parteien wäre die Frage zu stellen, ob diese Organisationen weiterhin Einfluss auf die Parlamente haben sollten und ob Abgeordnete nicht viel mehr ihrem freien Gewissen folgen sollten. Dazu wäre es zum Beispiel möglich, sich im Parlament in partei-übergreifenden kleinen Fraktionen zu organisieren, die jährlich neu zusammengestellt sich um einen gewählten Fraktionsvorsitzenden scharen. Die Runde der 15 bis 25 Fraktionsvorsitzenden könnte dabei ein gesondertes Gremium bilden, das die Aufgabe hat, die Regierung einzusetzen und diese dann auch zu kontrollieren. 3 Auf dieser Grundlage wären neue Konstellationen, Bündnisse auf Themenbasis und wechselnde Mehrheiten bei Entscheidungen leicht möglich. Abgeordnete sollten fähig sein, ein solch offenes und gestaltbares System mit Leben zu füllen.
Für Konzerne und deren Entwicklung wäre es notwendig, zunächst deren Steuererhebung so zu verändern, dass dort Steuern gezahlt werden müssen, wo Einnahmen entstehen. Somit wäre eine soziale Teilhabe an den Gesellschaften zurückzugewonnen. Weiterhin könnten die Gesetzgebungen der Staaten zB. im Arbeitsrecht dergestalt geändert werden, das eine erweiterte Mitbestimmung der Angestellten möglich wird. Das könnte schrittweise so weit gehen, dass auch in Betrieben und Konzernen demokratische Strukturen entstehen würden.
Zusammengefasst sind wesentliche Entwicklungen im sozioökonomischen Bereich 4 möglich, wenn Veränderung an den Ausübungs- und Legitimierungsformen von Macht vorgenommen werden. Dazu müssten lediglich der Einfluss der Parteien auf die Parlamentsarbeit eingeschränkt und demokratischere Strukturen in den Betrieben und Konzernen eingeführt werden. Eine schrittweise Einführung wäre hier anzuraten, da Menschen im Allgemeinen dazu neigen, an bestehenden Strukturen so lange wie möglich festzuhalten. Entwicklungen werden immer dann erst möglich, wenn andere Verhaltensweisen auch realisierbar geworden sind. Sie sind ein Prozess, für den Bedingungen erfüllt sein müssen und der Raum und Zeit benötigt. Keine Reform kann das bewirken. Hier müsste anders gedacht werden als bisher!
- Trump ist hier ein schönes Beispiel: In der eigenen Partei umstritten, von anderen grundsätzlich abgelehnt konnte er trotzdem in ein Amt gewählt werden und keiner weiß zur Zeit, wohin mit ihm die Reise geht. Ein weiteres Beispiel ist Macron in Frankreich, der als Präsident gewählt noch nicht einmal über eine Parteibasis verfügt. ↩
- Die FDP trug zeitweise das Prädikat „Steuersenkungen“ als einziges politisches Ziel nach außen, die Linke beschränkt sich nach wie vor auf die Arbeitslosen und Abgehängten und die Ablehnung von Krieg, die Grünen wurden nur durch Ökologie, Antiatomkraft und die Friedensbewegten getragen. Das sind aber nur eingeschränkte Themenbereiche, die in der Fülle nicht das Bild einer machtfähigen Bewegung vermitteln. ↩
- Die Abgeordneten wählen die Fraktionsvorsitzenden aus ihren Reihen und schließen sich dann auf Zeit ihrer Wahlfraktion an. Die Fraktionsstärke wird begrenzt auf 30 bis 50 Mitglieder. Zu große Fraktionen würden durch Neuwahl eines weiteren Fraktionsvorsitzenden geteilt. ↩
- Sozioökonomie beschäftigt sich mit dem wirtschaftlichen Handeln in seinem sozialen Zusammenhang und mit der jeweiligen Beziehung zu anderen gesellschaftlichen, politischen, demographischen, ökologischen und räumlichen Prozessen. Sie ist eine relativ neue Sozial- und Wirtschaftswissenschaft, aber keine hochspezialisierte Einzeldisziplin, sondern vielmehr eine gemeinsame Perspektive mehrerer Disziplinen, die in Forschung und Lehre kooperieren, um die soziale, ökonomische, politische Wirklichkeit besser verstehen, beschreiben und erklären zu können. ↩