Moderne Zeiten

Systemkrise

Wenn wir jetzt nicht an ein Verschwörung glauben wollen, bleibt doch eigentlich nur noch eine Erklärung übrig, warum sich Krise an Krise reiht. Es kann sich dann nämlich nur noch um systembedingte Schwächen handeln, die Krisen auslösen. Und die angesprochenen Systeme sind unsere Wirtschaftsordnung (Kapitalismus, Liberalismus, Neoliberalismus) und unsere politischen Organisations- und Souveränitätsformen (Repräsentative Demokratie, Rechtsstaat, Gewaltenteilung). Und zusätzlich zu nennen wären noch unsere Moral und Ethikvorstellungen sowie die Konventionen, zu denen wir uns bekennen. Alle genannten Systeme haben einen gemeinsamen Stock: Es sind per Definition dynamische Systeme, die ständig und permanent an die/eine aktuelle Situation angepasst werden müssen. Die Demokratie und der Kapitalismus sind niemals fertig, alles ist immer im Fluss. Wir haben aber eine Zivilisationsgeschichte, in der in jeder Epoche das Gros der Menschen glaubte, nun sei es endlich geschafft und die Entwicklung könne eigentlich stehenbleiben. Man richtete sich ein, und verweigerte den Systemen ihre Anpassung. Nichts wurde grundlegend verändert, immer wurde nur hinzugefügt und die Systeme wurden aus-wuchernd bis zu Unübersichtlichkeit, bis sie dann wie eine Seifenblase platzen und die Allgemeinheit in eine neue Krise stürzten. Die beiden Weltkriege, die Bankenkrise, alle Gesundheitskrisen und Naturkatastrophen sind solche geplatzten Blasen. Sie beruhten und beruhen noch immer auf dem Moment des Steckengeblieben-Seins. Feindschaften wurden gepflegt, Geschäfte, die an Kettenbriefformen erinnern, wurden endlos ausgereizt und man versäumte auf allen Ebenen, sich auf Epidemien, Volkskrankheiten und Katastrophen vorzubereiten, als ob uns die Geschichte nicht etwas anderes gelehrt hätte. Man hörte nur auf die lauten Beschwörungen, die großen Erfolge, das machtvolle Gehabe und überhörte das Stöhnen in den unteren Reihen. Und das ist leider durchgehend bis zum heutigen Tag der Standard.

Nun ist ja der Kapitalismus, das ist weltweit unbestritten, das erfolgreichste Wirtschaftssystem aller Zeiten?! Und selbst kommunistische, sozialistische und autoritäre Regime der Welt haben sich auf dieses System eingelassen. Ist es also das absolut beste System zur Organisation von Wirtschaft? Ist es gar das einzige System, das heute noch denkbar, praktikabel, möglich, sinnvoll ist? Ich denke: Nein! Der Kapitalismus westlicher (EU, USA) Prägung versucht, jedes Problem, jeden Waren-, Arbeits- und Produktionsstrom zu kapitalisieren, also in Geld auszudrücken. Ausgenommen davon sind höchstens noch Werte wie Glück, Freude, Liebe und Wohlbefinden. Aber damit begnügt sich dieses System nicht. Dazu kommt in jedem Fall das Dogma des Wachstums. Alle kapitalisierten Ströme, Verfahren und Einrichtungen müssen wachsen, kontinuierlich, stetig und möglichst ohne Unterbrechung. Und das gelang viele Jahrzehnte auch sehr gut, denn große Teile der Welt waren nicht in dieses System integriert. Ich denke da an China und Indien, an Lateinamerika und andere früher noch oder noch immer arme Regionen der Welt. Die entwickelten Regionen wuchsen stetig auf den Schultern der ärmeren Regionen, sprich: Man hat sie ausgebeutet. Kolonialismus und Inbesitznahme waren die alten Verfahren, die neueren heißen heute Handelsverträge, Abhängigkeit und Erpressung. Als dann diese Verfahren ausgeschöpft waren, wurden nicht nur die ärmeren Länder, sondern auch die ärmeren Bevölkerungsschichten der reichen Länder in die Zange der Ausbeutung genommen. Man nennt es heute Umverteilung, und zwar von arm nach reich. In dieser Zeit sind wir gerade heute mehr als angekommen. Aber diese genannten Verfahren haben einen Haken: Arme kann man nicht lange ausbluten, um so fürs notwendige Wachstum zu sorgen. Man braucht daher entweder immer neue, bisher noch unbelastete Arme, nur werden die im Zeichen einer globalisierten Wirtschaft immer seltener. Aber nicht nur Menschen lassen sich ausbeuten, auch die Natur und die Schätze der Erde können ausgebeutet werden. So hat der Kapitalismus ja angefangen. Aber auch hier entsteht das gleiche Problem: Die Schätze werden seltener, und Neue sind nicht in Sicht. Wachstum geht eben nicht in begrenzten Räumen, und diese Welt im globalen Maßstab ist nun einmal begrenzt.

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