Was ist eigentlich los in diesem Land, das sich als ein freiheitlicher und demokratischer Rechtsstaat bezeichnet und in dem Entgleisungen geschehen können, die mit dieser Definition einfach und schlicht nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun haben.
Sie wollen Beispiele? Ich liefere Beispiele, und dabei bediene ich mich Beiträge des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ und den Nachrichten- und Diskussionssendungen des öffentlich rechtlichen Fernsehens.
In unserem Lande gibt es das Grundrecht für Arbeitnehmer, sich zu organisieren und somit auch bei Tarifauseinandersetzungen das Arbeitskampfmittel Streik einzusetzen. Nun haben wir eine Gewerkschaft, die sich für diese Arbeitskampfmaßnahmen entscheidet und diese auch einsetzt. Wie kommt es dann aber dazu, das Vertreter dieser Gewerkschaft in nahezu allen Medien öffentlich verunglimpft und beschimpft werden dürfen, ohne dass auch nur ein Vertreter des Volkes dieses medienwirksam verurteilt. Selbst als alle Gerichtsinstanzen der Gewerkschaft recht gaben, kommt von den Vertretern der Freiheit (Präsident, Kanzler, Parlamentarier) keine einziges Wort.
Wir haben Vertreter des Volkes gewählt und diese haben ihren Platz und ihr Rederecht im Parlament. Dann wird aus dem Präsidium des Hauses ein Liedermacher eingeladen, der unbehindert und ohne Einschreiten durch den Präsidenten des Hauses frei gewählte Parlamentarier beleidigen und beschimpfen darf, während der gleiche Präsident einer Abgeordneten das Mikrophon ausschaltet, weil ihm Aussagen in der Rede anscheinend nicht gefallen haben. Ist es nicht geboten, Recht zu seiner Einhaltung zu verhelfen, denn der, die reden durfte, wurde dieses verweigert, und der der nicht redeberechtigt war, durfte ungehindert reden. Wie vereinbar ist das mit dem Begriff „Rechtsstaat“, wenn selbst seine obersten Vertreter dafür nicht einstehen wollen?
Dann gibt es einen Bundespräsidenten, der sich einmischt. Das wollen wir. Das darf er. Und das soll er auch. Aber auch dabei ist er immer dem freiheitlichen Rechtsstaat verpflichtet, dem er vorsteht. Frei gewählten Parlamentariern eine Gesinnung zu unterstellen oder diese in Frage zu stellen, zumal dieses zwar als Frage verschleiert, aber medienwirksam platziert werden konnte, ist mit der Freiheit, die unser oberster Vertreter in Amt und Würden vertritt, nicht einmal annähernd vertretbar. Er macht sich damit zu einer lächerlichen Figur, deren Reden und deren Wirken in krassem Gegensatz zueinander steht. Gesinnung steht unter dem Gebot der Meinungsfreiheit und unterliegt keiner Einschränkung.
Und dann gibt es in der Freiheit, die von allen so hoch beschworen wird, doch auch noch den Grundsatz der Gerechtigkeit. Wie wir lesen können gilt das aber nicht für Steuern. So werden riesige Umsätze global agierender Firmen in diesem Lande nicht besteuert, obwohl diese Firmen die Infrastruktur und die Rechtssicherheit unseres Landes nutzen. Und hochrangige Vertreter von Staat und Politik sind sogar aktiv dabei oder beteiligen sich an der Gestaltung der Regeln, die eine solche Ungerechtigkeit erst möglich machen.
Schauen Sie Talkshows. Wer mit ja antwortet, sollte sich einmal genau anschauen, wie dort Fragen gestellt und die Redefreiheit gebraucht wird. Da gibt es Moderatoren, die eindeutig und zielgerichtet Vorlagen geben für eine ganz bestimmte Gesinnungsäußerung, die zielgerichtet manche Redner unterbrechen und andere reden lassen, obwohl da oft nur Allgemeinplätze geschwallt werden und die Themenbereiche ein-, ab- und ausgrenzen, obwohl sie zu Klärung durchaus beitragen können. Und dann gibt es noch die Teilnehmer, die grundsätzlich anderen in die Parade fahren, sie ständig unterbrechen, ständig hineinreden und den Redefluss stören, ohne auch nur im entferntesten von den Moderatoren zugrechtgewiesen zu werden. Meinungsfreiheit besteht vor Allem andern im Rederecht und seiner freien Ausübung. Und dazu gehört auch ganz besonders das Zuhören können und dürfen. Und damit ist es in unseren öffentlich rechtlichen Sendeanstalten nicht gut bestellt. Ich halte diesen Missstand für eine grobe Missachtung der Zuschauer und -hörer.
In diesem Lande werden Menschen, die zu uns flüchten konnten, misshandelt und menschenunwürdig untergebracht. Es gibt Ungerechtigkeit in Bezahlung, Besteuerung und sogar innerhalb des Rechtssystems gelten oftmals seltsam willkürliche Regeln. Wir produzieren gerade Altersarmut, Planungsunsicherheit und ein Bildungsgefälle für eine ganze Generation. Wir zerstören unsere Umwelt, vergiften ganze Landstriche und quälen Tiere in überfüllten Ställen. Und mit etwas Mühe ließe sich diese Aufzählung auf mehrere Din A4 Seiten verlängern.
Was will ich damit sagen? Man sollte sich Menschen und Amtsträger genau anschauen, die gerne und oft über Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie räsonieren. Man sollte sich die gewählten Vertreter in den Parlamenten genau anschauen, ob sie für oder gegen Gerechtigkeit sind, ob sie sie ihr Amt missbrauchen oder in unserem Sinne ausfüllen. Und man sollte bei Medien genau auf den Schriftsatz oder die Wortwahl schauen und selbiges vergleichen mit Inhalt und den Ideen des Grundgesetzes. Und ich denke mal, wir würden fündig werden im negativem Sinne, jede Woche, jeden Tag und sogar jede Stunde!