Auf Kollisionskurs mit der demokratischen Verfassung…

Mit unserer Demokratie, das wird von Tag zu Tag deutlicher, stimmt etwas nicht. Oder anders ausgedrückt, stimmt etwas nicht mit dem, was wir mit Demokratie verbinden. Wir leben nicht in einer reinen Demokratie in Deutschland. Wir leben in einer repräsentativen, parlamentarischen Demokratie auf einer Parteienbasis. Das wäre eine genaue Beschreibung der Wirklichkeit heute. Als Legislative und Exekutive in der Gesellschaft fungieren (fast) allein unsere gewählten Parlamentarier. Wir sind mit den Ländern republikanisch organisiert und haben uns eine Verfassung gegeben, die zum Teil unwiderrufliche Gültigkeit besitzt.

Wir kollidieren gerade mit dieser Institution „Demokratie“, weil sich ihre Träger und Helfer nicht mehr der Verantwortung bewusst zu sein scheinen, die sie innerhalb der gesetzten Gesellschaft innehaben. Denn wie konnte es passieren, das ein Parlament, deren Mitglieder zur Hälfte aus der Bildungselite stammt und aus vielen Juristen und Lehrern besteht, die Tatsache übersehen, das Regelungen wie die von Hartz IV, seit 15 Jahren praktiziert, gegen die Menschenwürde 1 und das Sozialstaatsgebot 2 verstoßen. Diese Artikel sind die Grundlage unserer Gesellschaft. Ein Verstoß gegen §1.1 GG geht eigentlich gar nicht. Das ist der aller erste Artikel. Der steht ganz oben und ist daher oberstes Gebot. Und ganz besonders interessant ist auch der vierte Abschnitt des Artikel 20 GG 3 Warum hat in der ganzen Zeit bis zum jetzigen Urteil des Verfassungsgerichts niemand dieses Recht in Anspruch genommen, nicht die Mitarbeiter der Arbeitsagenturen, nicht die Parteien, nicht die Politiker in den Parlamenten, nicht die Richter, die selbst Klagen über den Hartz IV Missbrauch zurückwiesen, nicht die vielen Organisationen, die sich an humanitären Hilfsorganisationen beteiligen, nicht die Medien privater oder öffentlicher Prägung und auch nicht die vielen Menschen, die in ihrer Nachbarschaft die Not sehen konnten, die Arbeitslosigkeit und die Streichung der Hilfen nach sich zogen. Es gab nur eine einzige Partei, die diese Regelung aktiv, aber erfolglos bekämpfte, und das waren Die Linken, und die auch nur dann, wenn sie im Parlament auf den Oppositionsbänken saßen. Und noch ein Artikel des GG ist interessant, weil auch er bisher weitgehend unerkannt von den Arbeitsagenturen ignoriert wurde, nämlich das Zwangsarbeitsverbot 4. Arbeitslos zu sein kann daher gar keine Dienstleistungsverpflichtung nach sich ziehen, es sei denn, die Arbeitslosigkeit betrüge 100%, wäre damit für alle gleich. Nur wer dann diesen einen Sonderfall durchsetzen soll, ist fraglich, weil ja dann niemand mehr arbeiten würde. Das alles ist graue Theorie. Die Arbeitsagenturen bestrafen seit 15 Jahren schon die Ablehnung einer zugewiesenen Tätigkeit mit Leistungskürzungen. Alle genannten Artikel des GG wurden systematisch und bewusst ignoriert. Und seit gestern plötzlich sind alle ganz aus dem Häuschen, weil gerade das Gericht, das die Verfassung wahren soll, nicht bei einem Verstoß gegen §1 wie alle anderen auch wegsehen wollte. Und ganz plötzlich ist das allen Amtsträgern auch wie Schuppen von den Augen gefallen und wir hören Sätze wie: „Jetzt haben wir Rechtssicherheit…“ oder „Jetzt endlich können wir diskutieren…“ oder „Jetzt sollten die Sanktionsregelungen insgesamt auf den Prüfstand.” Warum erst jetzt diese Einsichten, und warum bestimmte das Gericht ein sofortiges Verbot. Sind die Verletzungen unserer Grundordnung so schwerwiegend? Ein Sozialgericht in Gotha musste erst ein Urteil aussetzen, um die Prüfung der Verfahren vor dem Verfassungsgericht zu bewirken. Nur deshalb wurden unsere obersten Richter überhaupt tätig. Und das Urteil ist jetzt auf einmal sensationell? Und hat nicht die etablierte Qualitäts-Presse sensations-witternd auf dieses Urteil schon lange erwartet, haben sie dort nicht beständig die Ungerechtigkeiten angeprangert, die Hartz IV mit sich bringt? Nein, haben sie nicht, im Gegenteil. Besteht das GG nicht schon seit vielen Jahren und ist der Text desselben nicht Allgemeingut? Scheinbar nicht (mehr).

  1. (§1.1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
  2. (§20.1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
  3. (§20.4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
  4. (§12.2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

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