Fassen wir stichwortartig einmal einige zur Zeit zu beobachtenden Unwägbarkeiten der Demokratie in Worte und beleuchten sie etwas näher:
Die Tatsache, das meine Machtausübung als Souverän darin besteht, einmal in vier Jahren eine der mir angebotenen Parteien und damit die dort registrierten Menschen mittel Ankreuzen auf einem Wahlzettel zu bestimmen, die dann die Macht in meinem Namen ausüben, kann auf mich selbst bezogen nicht Herrschaft genannt werden. Nicht umsonst heißt die Regierungsform in Deutschland ja auch ‚Repräsentative Demokratie‘. Denn die Programme und Absichten der Parteien, die die zur Wahl stehenden Menschen stellen und selbige zuvor auch ausbilden, sind immer nur Querschnitte durch die vielfältigen Aufgaben innerhalb einer Gesellschaft. Zusätzlich sind sie auch nicht ansatzweise verbindlich. Vielleicht möchte ich ja auch, um ein Beispiel zu formulieren, durchaus gerne der Nato angehören, möchte aber trotzdem nicht Soldaten in andere Länder schicken, um dort für die Einsetzung der Demokratie zu kämpfen. Weiterhin möchte ich innerhalb des Arbeits- und Sozialrechts durchaus Methoden anwenden, die wir aus dem Sozialismus kennen, bin aber trotzdem durchaus konservativ eingestellt und ziemlich unwillig, bestehende Systeme ständig einer Neuorientierung, sprich Reformen zu unterziehen. Auch stehe ich zu Maßnahmen, die auch Einschränkung bedeuten können, wenn dieses dem Klima und der Erhaltung unserer natürlichen Umwelt dient. Welche Partei könnte ich mit diesen Ansichten wohl in Deutschland wählen?
Dann ist nahezu allgemeingültig und weltweit zu beobachten, das fast alle gewählten Vertreter des Volkes bereits vor ihrer Wahl wie in den USA oder aber spätestens nach dem Ausscheiden aus der Politik zu ansehnlichem Wohlstand gelangt sind, was nicht durch die großzügigen Gehälter, Renten und Diäten (lat: Tageslohn) allein erklärt werden kann. In den USA zum Beispiel ist es so gut wie unmöglich, ohne geldgebende Unterstützer die riesigen Summen aufzubringen, die zu einer Wahl notwendig sind. Man muss dort also bereits reich sein, um überhaupt das Volk, das ja überwiegend arm ist, vertreten zu dürfen. Das ist nicht Demokratie, sondern muss als eine getarnte Eliten-Regentschaft bezeichnet werden. Die vielfältigen Skandale und Durchstechereien sprechen darüber Tag für Tag in deutlicher Sprache. Selbst die Süddeutsche Zeitung, nicht gerade ein linksliberales Blatt, verkündet, das im Kongress der USA zur Hälfte Millionäre sitzen (268 von 534). Für eine Wahl benötigt ein Kandidat im Schnitt 10 Mio. Dollar. Diese werden meist durch Spenden und Fundraising (Spenden einsammeln) aufgebracht, weshalb auch alle Abgeordnete sehr viel Zeil für das Einsammeln dieser Mittel aufbringen müssen. Abgeordnete, die unter normalen Bedingungen das Gros ihrer Zeit mit zusätzlichem Gelderwerbsaktivitäten, dem Einsammeln von Spenden oder der Vorsorge für ihren Ruhestand verbringen müssen sind wohl nicht gerade die zuverlässigsten Arbeiter für das Allgemeinwohl. Hier gibt es in nahezu allen Demokratien eine Schwäche, die je nach Kultur mit unterschiedlichen Gegebenheiten begründet werden können. Zu nennen sind da unter anderen die Bevorzugung von Menschen aus der Familie, des Bekanntenkreises, dem Geschlecht, der Religion, der Volksgruppe und/oder der Gesinnung. Im Großen und Ganzen wäre die passenden Schlagworte hier Sippenwirtschaft und/oder Korruption, wobei beide nach wie vor und weltweit zu beobachten die Oberhand behalten und irgendwie unüberwindbar erscheinen.
Wenn man unsere Verfassung genau liest, wird jedem Abgeordneten eines Parlaments für seine Arbeit dort zugesprochen, nur seinem Gewissen verpflichtet zu sein. Das wird regelmäßig auch wieder hervorgeholt und bestätigt, hat aber in der Praxis nahezu wenig Bedeutung. Erstens sind viele Abgeordnete Berufspolitiker, die wiedergewählt werden wollen/müssen, aber dabei von der Partei und deren Setzungen abhängig sind. Ein sicherer Listenplatz ist aber immer nur mit partei- konformen Verhalten zu ergattern. Weiterhin sind diese „Parteisoldaten“ dann, sollte ihre Partei der Regierung angehören, an verhandelte Absprachen in der Koalition gebunden, die, wie alle Jahre wieder aus den Medien zu erfahren ist, in der Regel nur die Parteispitzen aushandeln. Da bleibt von Gewissensentscheidung nicht viel übrig. Ganz entscheidend sind auch die Abstimmungsverfahren, die zusätzlich Druck gegen das Gewissen aufbauen, denn die meisten Abstimmungen werden wie auch in Deutschland nicht geheim ausgetragen. Und bei den wenigen wirklich wichtigen Abstimmungen, die namentlich und geheim durchgeführt werden, setzt bei abweichendem Stimmverhalten schnell eine innerparteiliche Nachforschung darüber an, wer wohl der „Verräter“ sein könne. Und auch wenn das „Fehlverhalten“ nicht bewiesen werden kann, hat doch zumeist die Verdächtigung schon Auswirkungen auf künftige Ämtervergaben.
Sprechen wir einen weiteren Punkt an, der zu allgemeinem Nachdenken anregen sollte: Minderheiten. Trotzdem Deutschland zum Beispiel mit Sicherheit als einer der ganz großen Vorreiter in Sachen Minderheitenschutz gilt, gibt es auch hier immer noch Gruppen und Schichten, die beim der allgemeinen Versorgung und Betreuung mit vorhersehbarer Regelmäßigkeit durch das Raster fallen und nicht berücksichtigt beziehungsweise sogar vergessen werden. Obdachlose wären hier zu nennen, und ihre Zahl in westlichen Demokratien steigt stetig, Asylbewerber sind dazu zu zählen sowie Arbeitslose, Pflegebedürftige, alte und kranke Menschen und nicht zu vergessen die Kinder. Und zu nennen sind da die vielen Arbeiter aus den ärmeren EU-Ländern, die zum Beispiel nach Deutschland oder Frankreich zum Geldverdienen kommen und unter menschenunwürdigen Bedingungen ihre Tage verbringen müssen. Ich spreche da die nahezu unhaltbaren Zustände in Arbeiterunterkünften, Pflegeheimen, Altenheimen und Asylunterkünften ebenso an wie die unsäglichen Zustände an öffentlichen Schulen. Es wird in unserer Demokratie zwar viel über diese Zustände geredet, aber es passiert nicht wirklich viel, um diese Perversionen zu beseitigen.