Wir leben eine Demokratie? Ja, aber…

Wenn ich heute Nachrichten über politische Themen mir ansehen, werde ich häufig mit der Frage konfrontiert, das es zu einer Änderung bestehender Gesetze oder Zustände Mehrheiten geben müsse. Das ist nur bedingt richtig, und in einer Demokratie sollte eigentlich die Suche nach Mehrheiten der letzte Schritt sein, um eine Gesetzesänderung zu erzwingen. Viel früher erfolgen sollte die Suche nach einem Konsens, den alle Schichten und Gruppen der Gesellschaft, auch die Opposition, auch die Minderheiten, mittragen können. Erst wenn alle Möglichkeiten zur Einigung über einen Konsens ausgeschöpft wurden, sollte die Suche oder der Rückgriff auf die Mehrheit erfolgen. Leider wird dem Konsens heute in nahezu allen westlichen Demokratien so gut wie keine Chance mehr gegeben. Die Mehrheit bestimmt, die überstimmte Minderheit resigniert (D) oder rebelliert (F). Das ist leider nicht das Gesellschaftsmodell, mit dem eine Demokratie weltweit haussieren gehen kann. Ich nenne das ‚Diktatur der Mehrheit‘, weil hier der Minderheitenschutz keine Rolle mehr spielt. So geht Demokratie einfach nicht.

Und dann sprechen wir in unseren westlichen Demokratien gerne von Werten. Diese Werte wären, folgt man den immer wieder wiederholten Geschichten und Erzählungen, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Ein weiterer Begriff ist noch zu erwähnen, und zwar Rechtsstaatlichkeit. Nun, mit Freiheit und Gleichheit ist das so eine Sache. Denn Freiheit und Gleichheit allein widersprechen sich allein schon in so großem Umfang, das beide eigentlich nicht als Werte im gleichen System angesehen werden können. Und zur Brüderlichkeit kann man sagen, das, dazu weist die Historie sehr viele Beispiele auf, ein Krieg unter Brüdern nicht nur nicht selten vorkommt, sondern auch in aller Regel die blutigsten Auseinandersetzungen zur Folge hatte. Denken Sie da nur mal an die Französische Revolution. Wahre Brüderlichkeit kommt selbst in Familien relativ selten vor. Ich habe einen Bruder und weiß daher, wovon ich spreche. Menschen an sich sind niemals gleich, und eine Angleichung in Sachen Freiheit kann nur bedeuten, das Freiheit eingeschränkt verhandelt wird. Das war aber schon in der Antike nicht mit Freiheit gemeint. Freiheit an sich kann sich nicht an etwas messen, sonst geht sie zugrunde. Lesen Sie bei weisen Philosophen und Autoren nach. Sie sind sich über diese Aussage vollkommen einig. Freiheit ist ein gleichnishafter Begriff. Er umkreist die Möglichkeiten, aber legt niemals fest. Meine Sicht der Freiheit kann somit nicht in eine allgemeine Verfassung getragen werden, kann nicht geltendes Recht sein. Erinnern wir uns, in früheren Zeiten war Weisheit anzuwenden die Aufgabe der Richter. Unzählige Geschichten und Erzählungen handeln von diesen weisen Männern und Frauen, die Recht sprachen, dabei die gerade vorliegende Situation zu erfassen suchten, um dann für alle Beteiligten eine akzeptable Lösung zu finden. Wir heute haben Recht in Paragraphen gegossen, und eine riesige Zahl von Rechtsgelehrten und Anwälten ist heute auf der Suche nach den Lücken, die diese Festlegungen aufweisen. Die einen suchen die Lücken zu schließen, die anderen versuchen mehr, durch Nutzen der Lücken ihren Klienten einen Vorteil zu verschaffen. Nun, ich denke, das die letztgenannten Anwälte regelmäßig den Wettlauf gewinnen.

Als nächsten Punkt in diese Aufzählung von Schwächen, die unsere vielgerühmte Demokratie aufweist, ist die angestrebte und ständig zitierte Meinungsfreiheit. Schon Platon und später auch Derrida hatten in Schrift und Essay erkannt, das die Meinungsfreiheit auch in einer Demokratie nicht bestehen kann. Denn sollte ich der Meinung sein, zu Gerechtigkeit und Freiheit gehöre die Abschaffung der Demokratie zugunsten einer anderen Form der Staatskunst, gelange ich nicht nur mit anderslautenden Meinungen von Mitmenschen in Konflikt, sondern wecke auch die Selbstverteidigungsmechanismen, die auch in Demokratien der heutigen Zeit in nicht zu verachtendem Ausmaß vorliegen. Wenn ich aber bestimmte Meinungen nicht vertreten darf, wohl gemerkt nur vertreten in Wort und Schrift, wieweit ist es dann eigentlich her mit der Meinungsfreiheit? Wir in Deutschland sind mittlerweile so weit, das Historiker, die aus amtlichen Papieren zitieren und daraus zu Aussagen kommen, als Verschwörungstheoretiker verunglimpft, verleumdet und sozusagen öffentlich in eine verfemte Ecke gestellt werden dürfen. Diese Menschen verlieren dabei nicht nur ihren Ruf, sondern gleich dazu noch ihren Arbeitsplatz. Auch eine Teilnahme an einer genehmigten und nach rechtlich gültigen Bedingungen durchgeführten Demonstration, ein allgemein gültiges Rechtsgut, kann mittlerweile weitreichende Folgen haben, wenn dabei Menschen mit mir zusammen durch die Stadt ziehen, die eine nicht-demokratische Ansicht vertreten. Ich möchte das jetzt nicht weiter in die Tiefe führen, aber wenn ich gegen aktuell gültige Gesetze wie die Corona-Regeln demonstriere, und Anhänger von radikalen Gruppen dies ebenfalls tun, werde ich dann in den Medien ebenfalls bald als radikal eingestuft. Ich kann somit an einer solchen Veranstaltung nicht teilnehmen, ohne Restriktionen befürchten zu müssen. Oder wie ist es sonst zu erklären, was alles dazu in den vergangenen Tagen von demokratischen Politikern und Medienangehörigen an Aussagen zu genehmigten Demonstrationen, die ein Grundrecht darstellen, zu hören war?

Wenn wir wirklich Demokratie leben wollen, können wir nicht weite Teile der Wirtschaft, der Behörden und anderer Organisationen aus einem wie immer gestalteten demokratischen Prozess aussparen. Weite Teile der Wirtschaft sind dem Souverän gegenüber vollkommen verschlossen. Ganze Konzerne werden nach wie vor wie private Hausstände geführt und geleitet. Das hat mit Demokratie, Mitbestimmung, Selbstverantwortung und einem würdevollen Dasein aller Bürger wenig zu tun. Riesige Bürokratien in den Kommunen, Städten und Kreisen sind nach wie vor aus einer wie immer organisierten demokratischen Mitbestimmung ausgeschlossen. Es gibt immer noch weite Teile des Lebens, die nur von kleinen Gruppen einflussreicher Menschen beherrscht und nahezu willkürlich verwaltet werden können. So werden Richter zum Beispiel exekutiv ernannt, nicht gewählt, und sie richten dann meist bis zu ihrem Ruhestand. In nahezu allen Behörden sind die Vergabeverfahren für die Leitung exekutiv geregelt. Der Souverän hat nahezu keinen Einfluss. Dieses intransparente Verfahren mag angenehm leicht und gut handhabbar erscheinen, aber mit Souveränität, also dem Anspruch der Menschen, über sich selbst zu bestimmen, hat das nur wenig zu tun. Ein weiteres Thema, das in diesen Bereich fällt und mehr als deutliche undemokratische Formen aufweist sind die Besitzverteilungen von begrenzt verfügbaren Gütern wie bei Landbesitz und Monopol-Vergaben. In diesen Bereichen müsste zum Beispiel über das Erbschaftsrecht, durch Stiftungen und Mitbestimmung mehr Variabilität und Vielfalt geschaffen werden. Transparenz und Anhörungsverfahren allein genügen hier nicht. Es kann doch nicht sein, das einmal erworbene Besitzverhältnisse über Generationen festgeschrieben bleiben.

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