Nun, die Stimmen, die an Selbstverständlichkeiten glauben, haben aus ihrer Sicht durchaus Recht. Nach meiner Ansicht aber beschreiben sie so nur eine Realität, die sie sich selbst nach dem Motto „Wenn die Flinte ins Korn geworfen wurde, ist sie für immer weg“ selbst eingebrockt haben. Man könnte nämlich ins Korn gehen und die Flinte suchen. Und sollte man sie finden, knallt es dann auch hier und dort wieder einmal. Wie finden wir aber jetzt die Flinte? Dadurch, das wir immerzu fragen, wer sie weggeworfen hat, wenn wir fragen, wie sie aussehen könnte, wenn wir fragen, ob sie noch funktioniert, wenn wir sie wiederfinden, und uns bei diesen Fragen nicht von der Stelle bewegen. So finden wir sie bestimmt nicht. Wir finden die Flinte nur, wenn wir ins Korn hineingehen und suchen. Im politischen Feld unserer Tage ist das Kornfeld der Mainstream, der die Debatten rund um die Gesellschaft beherrscht. Der Mainstream ist also die Ansicht, die von der Mehrheit der Akteure und Bürger für „normal“, für richtig und gut gehalten wird. Und die Flinten sind die Ansichten und Gedanken, die diesen Mainstream stoppen, umlenken oder verändern könnten, so man sie knallen, also argumentierend in die Debatte eindringen ließe. Diese verschwinden aber gerade nahezu vollständig im Feld wie die Stecknadel im Heuhaufen. Es wäre aber gut und könnte eine Aufgabe sein, sie wieder sichtbar zu machen. Nun sind Meinungsumfragen ja nicht grundsätzlich schlecht. Wie anders sollen sich Regierungen und deren Vertreter mit der „Stimmung im Lande“ vertraut machen. Aber, und diese Frage kommt jetzt gerade heraus, darf man dann diese Umfragen veröffentlichen und damit die oben bereits beschriebene Spirale weiter füttern? Also mit anderen Worten ausgedrückt: Beeinflusst die detektierte „Stimmung im Lande“ nicht wiederum die Stimmung im Lande? Und ist diese Art der Beeinflussung eigentlich noch vertretbar? Nun werden Sie sagen, das komme doch wohl auf die Art und Weise an, wie diese Umfragen zustande kommen. Ja, stimmt. Wenn die Umfrage beabsichtigt, mit ihren Ergebnissen Einfluss zu nehmen, um diese gezielt in eine Richtung zu verstärken, sie umzulenken oder zu verändern, dann wäre sie abzulehnen. Wenn die Umfrage dazu verwendet würde, um eine Diskussion durch Mehrheitsbeschluss zu beenden, dann wäre sie zu begrüßen. Man nennt das erste üblicherweise Publik Relation (Werbung) 1, das zweite wäre ein Volksentscheid, eine Souverän-Entscheidung. Eine Entscheidung des Souveräns aber erfordert eine umfassende Information der Bürger, ohne diese an bereits vorgefertigte Meinungen anzuketten. Die übliche Mischung aus Nachricht und Meinung müsste dazu aber erst einmal aufgehoben oder zumindest getrennt dargestellt werden. Denn sonst erfährt der wählende Bürger ja nur die Nachrichtenauswahl, die dem oben beschriebenen Mainstream entspricht. Nun ist das ja nicht die einzige Voraussetzung für gute und umfassende Information. Umfassend würde auch heißen, das Minderheitenmeinungen ebenfalls ihren Platz finden in der öffentlichen Berichterstattung. Das ist aber bisher nicht gegeben, denn die Vertreter dieser Minderheiten werden zur Zeit nicht nur ausgegrenzt, sondern sogar aktiv bekämpft und verleumdet. Anders ist der Komplex, der sich mit dem Wort „Verschwörungstheoretiker“ in der Bevölkerung etabliert hat, nicht zu erklären. Eigentlich müsste es jeder besser wissen: Je heftiger man die andere Meinungen bekämpft, desto heftiger wird die Spaltung in der Gesellschaft und um so mehr Zulauf bekommen Bewegungen, die schlicht und einfach nur „gegen-etwas“ gerichtet sind. Dagegen-sein aber heißt nicht automatisch, im Recht zu sein, heißt auch nicht, es besser zu können. Dagegen-sein ist nur dagegen sein, sonst nichts.
- PR beschäftigt sich mit Beziehungsbildungen mit dem Ziel, eine Veränderung und vor allem „Verbesserung der Fremdwahrnehmung“ für den Auftraggeber zu bewirken. ↩