Nachlese Europawahl 2019

  1. Die Aussage, das nur junge Menschen noch in der Lage seien, die Globalisierung und die zugrunde legende Digitalisierung zu verstehen ist eindeutig falsch. Wann immer ich selbst im Netz zu aktuellen Themen fundierte Aussagen und Informationen suche, sind die Autoren meist im Alter von 40+ Jahren. Das man Likes und Tweets absetzen kann ist keine Bestätigung für Kompetenz, und Katzenbilder und Selbstdarstellungsexzesse können dafür noch weniger stehen. Das Video von Rezo ist/war da sicher nur eine dezente Ausnahme und wird wohl, wenn ich andere Rezo-Beiträge mir ansehe, auch in Zukunft die eine Ausnahme bleiben. Junge Menschen fahren zurzeit ganz groß ab auf die ökologische Wende und deren Inhalte. Nur, ältere Mitbürger werden sich noch an die Zeit erinnern, wo ebenfalls nur meist junge Leute voll abgefahren sind auf die Friedensbewegung. Von der ist heute keine Rede mehr, und gerade die Grünen, die auf dieser Bewegung sich aufbauten und unter deren Außenminister erstmals wieder deutsche Soldaten im Auslandseinsätze geschickt wurden, sollten angesichts ihres Verhaltens damals und aufgrund ihrer Verhandlungspositionen bei Koalitionsverhandlungen in den letzten Jahren in Sachen „Standing“ durchaus als fragwürdig angesehen werden. Junge Leute sind in meiner Wahrnehmung eher geneigt, sich schnell und umfassend irgendwelchen Modeerscheinungen zuzuwenden. Und sie lieben Stars und große Vorbilder im Sport und in der Musikszene. Von Politik und deren Leitfiguren ist mir bisher kein langanhaltender Starkult bekannt geworden. Vom Schulz-Zug bis zum Fall der ersten weiblichen Vorsitzenden Nahles sind nur Monate vergangen. Wer redet heute noch von Schulz, und Nahles wird in vier Wochen ebenfalls vergessen sein.
  2. Natürlich haben die beiden sogenannten großen Parteien einiges geleistet in den vielen Jahren der BRD. Aber die Aussage, das die Bürger das wohl nur nicht verstanden haben ist doch wohl mehr als nur unverschämt. Wir sprechen hier von Politik und ihren Ergebnissen (Altersarmut, Bildungsmisere, Wohnraummangel, Pflegekatastrophe, Bundeswehrdebakel, Niedriglohnsektor, Asyldebakel) und nicht von schlechtem Marketing. Bei schlechtem Marketing wird die Werbeagentur gewechselt in der Hoffnung, das diese die besseren Ideen und Spots entwickeln. Das sollte für die politische Landschaft ebenso gelten, finde ich, und das heißt nicht nur, die führenden Köpfe zu wechseln und sonst alles beim Alten zu lassen, sondern auch die politische Ausrichtung so zu ändern, das die schlechten Ergebnisse der Politik, nicht (nur) die der Wahlen, verschwinden.
  3. Als Politiker zu sagen was man denkt ist schlicht und einfach unmöglich. Einerseits wird in digitalen Zeiten keine Aussage jemals vergessen, andererseits ist man als Politiker gezwungen, für Kompromisse zu stehen, was auch bedeutet, das man heute gegen A sein kann und morgen als Koalitionär für A sein muss. Und dann ist da ja noch die Diplomatie mit im Spiel, wo selten bis gar nicht gesagt werden darf, was man als Einzelner denkt, weil man in seiner Funktion immer auch für seinen Staat spricht. Übernimmt man ein Amt, eine Partei- oder Staatsfunktion, ist mir der freien Meinung schnell Schluss. Da bemerkt jeder schnell, der regelmäßig sich mit dem Studium von Nachrichten beschäftigt und darin die Karrieren verfolgt, die bestimmte Personen machen oder gemacht haben. Und dann und zu guter Letzt ist da noch die allgemeine Tendenz, nur noch in Schlagworten sich ausdrücken zu dürfen, da die meisten Wähler und Bürger gar keine Zeit mehr haben, sich lange Artikel oder Sendungen anzuschauen. Das Volk vergisst, das ist richtig, aber die Medien nicht. Und wenn es denen passt, werden alte Kamellen aus längst vergangenen Tagen schnell aus dem Archiv gefischt. Und heute sind das nicht nur Zitate, sondern Videos und Mitschnitte, Formen also, die viel stärker wirken als die Aneinanderreihung von Zitaten in Text.
  4. Die Form „Political Correctness“ sollt einmal, bei ihrem Entstehen, die Verunglimpfung von politischen und weltanschaulichen Gegnern verhindern und für eine halbwegs friedliche Meinungsauseinandersetzung sorgen. Das hat sich gewandelt, werden doch heute schon einfache kritische Sätze zu Brüchen hochstilisiert. Ob hierbei die Politik Israels in kritischer Form vorkommt, ob die Nato in Frage gestellt wird oder ob Untersuchungsergebnisse wie bei 9/11 in Zweifel gezogen werden, jedes davon kann bereits das Ende einer politischen Karriere bedeuten und/oder den Statuswechsel in den eines Verschwörungstheoretikers oder Populisten bedeuten. Das Stilmittel PC ist für die freie Meinungsäußerung eher ein Knebel als eine Schutzvorrichtung. Sie ist ein Medien-Element des dogmatischen Einheitsgedankens und nicht eine Einrichtung der Vielfalt.
  5. In ganz Europa wird heute der Gedanke der Überfremdung durch umfangreiche Medienspiele gepuscht, weil es einfach spektakulärer ist, sich an Fremden abzuarbeiten. Den eigenen Stammtisch zum Beispiel der Frauenfeindlichkeit anzuklagen würde eher als eine üble Nestbeschmutzung angesehen, obwohl Potential für Frauenfeindlichkeit sicher genügend vorhanden wäre. Männer, die alkoholisiert über ihr Lieblingsthema sprechen? Was erwarten Sie? Dabei geht es doch nicht nur darum, das ausländisch aussehende Männer deutsche Frauen belästigen könnten, sondern es geht sehr wohl auch und besonders darum, das ausländische Mitbürger im Niedriglohnbereich arbeiten müssen und daher auch hier in Deutschland ihr Einkommen nicht ausschließlich selbst erwirtschaften können, dann auf Sozialhilfe angewiesen sind und somit Konkurrenz darstellen für das arme deutschen Prekariat. Und soziale Leistungen zu verteilen und in ihrer Höhe etwas anzuheben hat schon zu jeder Zeit für Wählerstimmen gesorgt. Man denke an die schönen Gesetzeseingaben von Parteien, die auch und gerade die Wählerschaft ansprach, der man sich zu bedienen gedachte: Für die CDU die Selbstständigen und höheren Angestellten, für die SPD die Arbeiterschaft und die kleinen Angestellten und für die FDP die gehobene Mittelschicht und die Wirtschaftsfunktionäre. Heute sind die Grünen zuständig für die gebildete gutverdienende Mittelschicht, die Linke streitet für die Armen im Lande und die neue AfD hat jetzt all die an sich gezogen, die bisher immer sich als leer ausgegangen fühlte, egal welche Koalition der Vier gerade mal regierte. Hier geht es nicht mehr um einzelne Themen oder um die Stammwählerschaften der Klasse, heute geht es um Zugehörigkeit, Absicherung des Status und um das Gefühl, mit im großen Strom schwimmen zu dürfen. Da ist eine kleine Auswahl an Themen kaum der richtige Ansatz für politische Visionen.
  6. Das Politiker Fehler machen dürfen ist heute nicht mehr die Ausnahme, sondern sozusagen bereits eine Arbeitsplatzbeschreibung für Ministerposten. Welcher Minister oder Amtsträger der vergangenen Jahre hat keine Fehler gemacht? Und welcher davon hat seine erkannten Fehler korrigiert? Und welcher davon hat wegen Amtsversagen seinen Posten geräumt? Und wenn mal einer seinen Platz räumen musste, dann doch nur wegen Äußerungen und Veröffentlichungen, die mehr als peinlich genannt werden mussten oder die ihren Vorgesetzten so in Schwierigkeiten brachten, das dieser/diese die Reißleine zog. Wir haben Minister heute im Amt, denen es nicht nur an Bildung und Wissen mangelt, die sich für Werbung für ihre Sponsoren nicht zu schade sind und die nicht nur nichts tun, um Missstände abzubauen, sondern die sogar bewusst und absichtlich solche Missstände aufrecht erhalten und mit Belohnungen versehen. In der BRD betroffen sind in Ministerien das Ressort des Inneren, des Verkehrs, der Landwirtschaft, der Bildung, der Außenpolitik, die Verteidigung und die Entwicklungshilfe. Weitere Schwachstellen bilden die Wirtschaftspolitik, die Ressorts der Finanzen und der Wirtschaft und so manch andere Dienststelle im Umfeld der Ministerien. Das ist zu viel Unfähigkeit auf zu kleinem Raum.
  7. Ja natürlich, es geht nur um Köpfe und Karrieren. Eine Partei verändert sich nicht, wenn der Führungskopf ausgetauscht wird. Ein Ministerium ändert sich nicht, wenn nur der Minister wechselt oder seine Staatssekretäre. Das sind in beiden Fällen Bürokratien, in langen Jahren gewachsen und nicht abhängig sind von der Führungspersönlichkeit. Da gibt es Gremien und Zirkel, die nach außen nicht in Erscheinung treten und somit der Öffentlichkeit verborgen bleiben. Hier hilft nur, die Partei abzuwählen und in Opposition zu schicken und über Jahre hinweg die Zuarbeiter auszuwechseln, die sich in den Hierarchien festgesetzt haben. Ein Wechsel in einer Bürokratie dauert immer mehrere Jahre, und die ersten davon werden für den/die Neue an der Spitze nicht gut aussehen. So ist das in der Industrie (DB, DB oder Siemens), so ist das in Parteien (CDU, CSU, SPD, FDP, Grüne, Linke) und auch in der Politik. Nichts geht in wenigen Jahren. Man sollte den Wechsel anstreben und dann Geduld haben. So ist das mAn und wird das auch in D sein, in GB werden und auch in den USA. Wir sehen das in entsprechender Weise überall in der Welt, schon immer!

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