Neue Technologien und kein Verständnis für Zusammenhänge

Seit der Jahrtausend-Wende beobachten wir in ganz Europa und Nordamerika ein stärker werdenden Nationalismus, der häufig in der Form von Patriotismus dargestellt wird und zu Ausgrenzung und Absonderung all derer aufruft, die nicht unter den Begriff „Wir“ wahrgenommen werden. Die Aussagen der Anhänger sind eindeutig: „Wir sind die Guten…“, „Wir sind im Recht…“, „Wir sind die Fleißigen,…“, Wir haben Gottes Segen…“ und ähnliches. In Europa entstanden dafür Parteien, die mehr und mehr Zulauf erhalten und die mit gemischten Gefühlen von mir gesehen werden. In den USA heißt das ganz offen „America first“ (unter Trump…) oder „Wir sind die Führungsmacht…“ (unter Biden: Eagle Act 1. Es gibt dafür sogar einen philosophischen Namen: „Exzeptionalismus 2 Wohlgemerkt geht es bei den unter dieses Gesetz fallenden Projekten nicht um die Menschen und deren Zukunft, sondern gezielt um eine Vormachtstellung in der Welt. Und auch in China und Russland wird davon geredet, das natürlich die Interessen des eigenen Staates im Vordergrund stehen. Das findet man im Allgemeinen, ich verstehe das zwar nicht 3, als ganz normal und natürlich.

Seit Jahrhunderten schon ist der europäische Kulturkreis, zu dem in der Grundlage auch die USA, Kanada, Neuseeland, Australien und andere gehören, ja ganz besonders stolz auf seine als universal geltende Bildung. Das diese Wissensbreite aber auf einer sehr hohen Spezialisierung aller Wissensgebiete beruht, und das dabei jede Disziplin ihr Revier absteckt und Kommunikation über diese Grenzen hinaus kaum mehr möglich erscheint, kann jeder leicht beobachten, wenn er sich die Zeit nimmt und einige der unzähligen Fachbücher sich zu Gemüte führt. Kein einzelner Mensch kann diese Schubladen mehr überblicken. Denken wir nur an die Disziplin der Physik, über die in der Schule noch die alten Systeme aus dem letzten Jahrhundert unterrichtet werden, die aber schon lange als abgelöst gelten und die in der modernsten Formen in für Nicht-Physiker nicht mehr nachvollziehbare Sphären aufgebrochen sind. Gleiches gilt für alle anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen ebenso. Aber auch die Geisteswissenschaften können bei diesem Motiv durchaus mithalten. Nicht nur, das sich die letztgenannten meist nur noch mit sich selbst beschäftigen und sich interdisziplinär Kriege leisten, auch das Vokabular ist nur noch selten in verständlichen Worten zu beschreiben. Waren in der Philosophie zum Beispiel noch Kant, Hegel und Heidecker schwere Kost, sind die zeitgenössischen Denker im 3. Jahrtausend, ich denke da zum Beispiel an Derrida oder Zizek, schon für eine größere Leserschaft nicht mehr zu verstehen. Daraus entsteht dann in gesamtgesellschaftlichen Kontext das überspitzt ausgedrückte Bild, das die wirklichen Spezialisten sich mit ihren unkenntlichen Detailgebilden nicht mehr meinungsbildend artikulieren können, interdisziplinär Gebildete gewöhnlich von den Erstgenannten als Unwissende zerrissen werden und sich daher auch nicht mehr sinnvoll beteiligen können, und der Einfluss und die Meinungsbildung von Halbgebildeten dominiert wird, die sich aus einem Mangel an Tiefe ihrer Berufung lieber in der Politik und in den Medien herumdrücken. Die erschlichenen Doktortitel, die unzähligen Plagiate und die erstaunliche Unbildung vieler Staatspräsidenten und Minister sprechen hier doch eine überaus deutliche Sprache. Was ich vermisse sind Menschen, die sich ein breites Wissensspektrum angeeignet haben und sich eignen, die Meinung und den Rat der unzähligen Spezialisten einzuholen und daraus verständliches und fach-übergreifendes Gedankengebäude zu errichten, das dann in der Politik als Basis für Entscheidungen dienen könnte. Dazu würde eine breit ausgeprägte Allgemeinbildung nötig sein, die in Schulen und Universitäten ihren Platz und Wirkungsfeld haben müsste. Dazu sind aber weder die Schulen, noch die Universitäten noch die Lehrer aufgrund einer einseitigen Ausrichtung auf Spezialisierung und Effizienz mehr in der Lage. Die Reformen der letzten Jahrzehnte fordern ihren Tribut.

  1. Ensuring American Global Leadership and Engagement (Gesetz, um die globale Führungsrolle und Engagements der USA sicherzustellen).
  2. Der Amerikanische Exzeptionalismus (englisch American Exceptionalism) ist eine nationalistische Ideologie, die auf dem Postulat basiert, dass die Vereinigten Staaten von Amerika eine Sonderstellung gegenüber allen anderen Nationen einnehmen. Wikipedia.de
  3. Die Interessen der Menschheit und die Erhaltung der Erde sollten Vorrang haben vor allen nationalistischen Interessen.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert