G20 und die protestierende Gewalt

Was die Proteste allerdings aufzeigen ist die ergreifend schlichte Tatsache, dass nur wenige hundert gewaltbereite Menschen ausreichen, um eine Stadt ins Chaos zu stürzen. Da nutzt Aufrüstung der Polizei, da nützt eine Verschärfung von Auflagen und Strafgesetzen gar nichts. Hier wäre nämlich, wie in der Flüchtlingspolitik mittlerweile proklamiert, eine Ursachenbekämpfung von Nöten. Diese Ursachen liegen in meiner Anschauung offen vor uns. Sie sind in den sozialpolitischen Sprengsätzen begründet, die allerorten von sich selbst beweihräuchernden Gutmenschen geworfen werden. Wer bei „fördern und fordern“ durchfällt, wer in einer verschimmelten Vorstadtwohnung leben muss, weil die guten Wohnungen unbezahlbar geworden sind, wer trotz Arbeit nicht genug Geld verdient, um leben zu können, wird irgendwann eine Wut aufbauen, eine Wut, die sich gegen alle richtet, die nicht durchgefallen sind und die ein sorgenfreies Leben führen können. Und natürlich werden Veranstaltungen derer, die öffentlichkeitswirksam für die bestehende Struktur der Gesellschaft verantwortlich zeichnen, angegriffen werden. Das ist die eine Hälfte der Klientel, die zu Randale neigt, verständlich, wie ich finde, aber nicht akzeptabel und auch nicht funktional. So wird Protest, oftmals auch berechtigter Protest, in meinen Augen nicht gehört werden.

Die anderen Randalierer, und das ist die große Schwierigkeit unserer Zeit, sind gelangweilte und verwöhnte Kinder unserer Massengesellschaft, die es „cool“ finden, mal was Ungesetzliches zu tun.  Dabei gewesen zu sein, mit Selfie festgehalten, gibt Gesprächsstoff wie, „es denen da oben mal gezeigt zu haben“, und das geht dann eine ganze Weile, bis man selbst, mehr oder weniger, zu denen da oben gehört. Diese Gruppe wird es immer geben. In einer freien Gesellschaft wird es immer diese Nonkonformisten geben, die zumindest zeitweise, als Studenten oder Auszubildende, als Anhänger moderner Strömungen oder gestützt von einer Fankultur, zur Randale neigen. Zur Erinnerung: Wo sind die vielen tausend Studenten und Jugendlichen der 68er und 70er Friedens- und Freiheitsbewegung heute. Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit? Das spielt in der betreffenden Altersgruppe um die Sechzig herum zumindest im Wahlverhalten doch schon lange keine Rolle mehr. Wie zuvor schon gesagt: Auch hier sind Verschärfungen der Gesetzte unwirksam, kann nur eine konsequente Strafverfolgung Erleichterung bringen. Die Chance, erwischt zu werden, muss erhöht werden, denn Einsitzen ist schon lange nicht mehr cool und außerdem schlecht für die Karriere.

Exkurs: Dass die Staatsmacht Randalierer und gewaltbereite Demonstranten nicht verfolgt, ist auffällig, aber es wäre nur eine Verschwörungstheorie, wenn man behauptete, das dieses Phänomen unseren Politikern durchaus gelegen kommt, können doch so die Gesetze und Verordnungen gerechtfertigt werden, die zur Überwachung und zum Schutz der Bürger und Bürgerinnen ständig verschärft werden. Wenn der digital überwachte Bürger bald keinen Schritt auf die Straße mehr machen kann, ohne registriert zu werden, wenn kein Groschen mehr ausgegeben, kein Wort mehr gesagt werden kann, ohne beobachtet worden zu sein, dann kann das herrschende Gesellschaftsmodell der Neuzeit 1  endlich voll ausgeformt werden können und wir werden uns wundern, wie bekannt das alles sein wird. Und wir werden uns dann erst an die Historienfilme unserer Jugend erinnern und uns darin wiedererkennen, wenn wir vor den Mauern der Reichen stehen, mit denen diese ihre Paradiese eingezäunt haben. Nur werden hinter den Mauern im Gegensatz zum Film Reiche sitzen und nicht nur Adelige, und die da draußen vor den Toren sind keine Leibeigenen mehr, sondern selbstständige, eigenverantwortliche Niedriglöhner, die an ihrem Los selbst schuld sind. Und wir werden uns verträumt an die gute alte Zeit zurückerinnern, wo wir noch ein Geheimnis haben durften. Aber dieses ist wie gesagt alles nur eine Verschwörungstheorie.

Wenn der Schutz der Freiheit es verlangt, diese beständig einzugrenzen, einzuschränken und wenn die Menschen, die frei leben sollen immer vollständiger überwacht werden müssen, dann stimmt sowohl etwas nicht in der Debatte und nicht in der Definition des Wortes Freiheit. Wir sollten offener miteinander umgehen, uns Spielräume lassen und die Frustrationsursachen bekämpfen, die solche unfriedlichen Proteststürme verursachen. Die Bürger von Hamburg geben ein Beispiel: Ein lockerer und fröhlicher Aufräumtag, und die Stadt war wieder gewohnt friedlich und schön. Gelassenheit statt Härte, Gespräche statt Parolen, Verständnis und auch etwas mehr Toleranz, wenn alle Stricke zu reißen drohen, das wäre besser gewesen für Hamburg und seine Menschen, und auch für unser Bild in der Welt.

Freiheit verteidigen zu wollen durch deren Einschränkung, ist ein Widerspruch in sich. Darüber nachzudenken würde uns guttun!

  1. Neoliberalismus gepaart mit Oligarchie

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