Das Dilemma der Protestkultur.

Nach den G20-Protesten in Hamburg, kräftig unterstützt von Politik und Ordnungsbehörden, ist nunmehr Wachstum zu verzeichnen, Wachstum in Sachen Sicherheits- und Ordnungsbedarf. Und wie immer sind die Vorreiter  auch unschwer zu finden: Bayern und die CSU. Und während der Rest der Republik staunend in Starre verharrt, werden in Bayern bereits Fakten und Vorlagen geschaffen. In einem unscharf formulierten Gesetz dürfen offiziell  „Gefährder“, wer immer das auch sei, also Menschen, von denen man annimmt, sie könnten Straftaten begehen, für unbestimmte Zeit weggesperrt werden. Nur alle drei Monate wird sich das ein Richter in Bayern dann mal anschauen, in einem von zwei Bundesländern also, in denen auch schon mal unliebsame Mitbürger, die zum Beispiel Steuervergehen anzeigen oder in ihrer Tätigkeit als Finanzbeamte Steuerhinterziehungen aufdecken, in die Psychiatrie weggesperrt wurden.

Aber gut, so ist es jetzt und dann wollen wir einmal schauen, was so ein Gesetz denn noch alles vermögen könnte, wenn es nicht nur auf linke Protestierer angewendet würde. Also wenn man aufmerksam die Tagesnachrichten verfolgt, werden Gesetzesübertretungen im Moment hauptsächlich von Vorstandsmitgliedern der Automobilindustrie begangen. Das sind Betrug an Kunden, Verstöße gegen das Kartellgesetz, Umweltverschmutzungsdelikte und mehr. Weitere Straftaten, die in aller Munde sind und die sich ständig häufen, sind Amtsträger der katholischen Kirche anzulasten, die mit immer mehr Kindesmissbrauch die Schlagzeilen füllen. Weiterhin lese ich dann noch über Versammlungen und Konzerte von rechtsgerichteten Organisationen und Gruppen, auf denen laut Bildmaterial Straftaten begangen werden, die seltsamerweise aber nur das Wohlwollen der abgestellten Polizeibeamten zu finden scheinen. Und dann dürfen unsere Freunde von der Deutschen Bank nicht vergessen werden, die mit anderen Banken zusammen die ganze Welt in eine Krise gestürzt und ganze Völker dem Hunger und Elend ausgesetzt haben. Angesichts der Häufung der Straftaten der genannten Kreise, also Vorstände von Automobilkonzernen, Banken, Kirchenvertretern und Rechtsradikalen finde ich hier durchaus ein starkes Gefährdungspotential vor und es wäre nach dem beschriebenen Gesetz doch schon mal anzudenken, ob einige Mitglieder der genannten Gruppen nicht weggesperrt gehören. Sie betrachten das als Satire? Nein! Kindesmissbrauch und Luftverschmutzung sind keine leichten Vergehen, Betrug und verfassungsfeindliche Symboliken ebenfalls nicht, und die Verbreitung von Hunger und Armut ist auch kein kleines Vergehen, zumal das offenen Auges geschieht und keinerlei Anzeichen von Besserung wahrzunehmen ist. Nach dem Grundgesetz sind alle vor dem Gesetz gleich. Da gibt es kein links, rechts, konform und nicht konform, kein korrekt und unkorrekt, da heißt es nur „gleich“. Sie alle sind „Gefährder“ und gehören nach diesem Gesetz weggesperrt. Da wird es lustig werden im den Anstalten, wenn Käfer das Mittagessen bringt!

Das sich nach Bekanntwerden der Beschlüsse nahezu alle Vertreter sogenannter linker Parteien wegducken, keinerlei Widerstand gegen solch grobe Verzerrungen des Gleichheitsgedankens an den Tag legen, ja zum Teil sogar offen Verständnis durchblicken lassen, ist in meinen Augen mit Blindheit und Dummheit nur unzulänglich beschrieben. Wie werden diese Gesetze sich wohl auf die Rechte der Bürger auswirken, denen das gleiche Gesetzbuch Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit gewährt? Wer geht noch auf eine Demonstration, wenn bereits die Nähe zu Randalierern dazu führen kann, als Gefährder eingestuft und weggesperrt zu werden? Dieses Gesetz richtet sich dezidiert nur gegen linke Regimekritiker, die gegen unsere zum Teil kriminell agierenden Eliten protestieren, richtet sich also gegen Menschen, die sich an Sitzblockaden, Gegendemonstrationen und anderen kritischen Aktionen beteiligen.

Ich denke, wir müssen unsere Möglichkeiten, Protest auszudrücken und gegen Unehrlichkeit und Willkür der Politik vorzugehen, überdenken. Demonstrationen, Blockaden, Randale, Aktionen  und Menschenketten sind wohl in Zeiten solcher Gesetzesverschärfungen nicht mehr zeitgemäß. Ich zumindest habe meinen Protest verlegt:  Ich werde zum Beispiel niemals einen Diesel fahren, und ein deutsches Auto ebenfalls nicht mehr. Den Kirchen samt ihren Einrichtungen habe ich den Rücken gekehrt, die bekommen weder Geld noch Zustimmung, und ich habe auch nicht vor, gegen  Rechtsradikale  zu protestieren.  Wenn da hundert oder zweihundert Leute, von der Polizei  gut geschützt, durch die Stadt laufen, kümmert mich das nicht. Ich warte, bis der kurze Zug vorbeigelaufen ist und fahre weiter. Das ist mir keine einziges Wort wert!

Was ich damit sagen will und wofür ich werben möchte ist ein ganz einfaches Prinzip: Ich kaufe nur noch dort, wo ich Zustände vorfinde, die mir zusagen. Marken, die in Verruf geraten sind haben bei mir keine Chance. Und sollte es keine Alternativen geben, greife ich zu Waren aus Fernost. Billigprodukte und Angebote, die auf Lohndumping beruhen, ebenfalls nicht. Ich kaufe nicht bei Amazon, die ihre Mitarbeiter schlecht behandeln, kaufe nicht bei Lidl, die ihre Mitarbeiter bespitzeln, lasse mir nur im Notfall etwas per Versand schicken, weil deren Mitarbeiter schlecht bezahlt werden, sondern gehe so oft wie möglich in den Einzelhandel und fahre das Zeug selbst nach Hause. Ich spiele nicht mit bei Facebook, nutze so wenig wie möglich Google und WhatsApp.  Es gibt andere gute Suchmaschinen, man kann seine Freunde auch privat treffen und die gute alte SMS ist doch ebenfalls noch da. Und auch die allzu emsigen Internetdienste für die Ferienwohnung, für das Taxi und die anderen Bedürfnisse des Lebens werden eigentlich nicht wirklich benötigt. Sie verwirren nur. Das ist meine Art zu protestieren, meine Art, radikal zu sein. Wer die Gemeinschaft stört, verdient an mir nichts mehr. So einfach kann Protest sein. Dagegen könnte nur ein Gesetz angehen, das mich zum „kaufen bei…“ zwingen möchte. Das aber ist äußerst unwahrscheinlich.

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