Ist es bezeichnend für eine funktionale repräsentative Demokratie, dass keine wirkliche Auseinandersetzung der sich jetzt zur Wahl stellenden Parteien zu verzeichnen ist? Eigentlich stehen hier zwei große Entwürfe (Zurzeit ein Scherz…) zur Wahl, die sich in den Schlagworten „Weiter so wie bisher…“ und „mehr Gerechtigkeit, aber ohne jemanden wehzutun…“ darstellen. Das die regierende CDU weiter so wie bisher gestalten (aussitzen) will, ist verständlich, bedient sie doch so ihre Klientel wie bisher nachhaltig und erfolgreich. Auch dass die SPD mit ihrer Gerechtigkeitskampagne scheitern wird, ist absehbar. Die Ungerechtigkeit, die besteht und die von ihr angeprangert wird, zeigt sich doch darin, dass eine kleine Minderheit des Volkes sich auf Kosten der Mehrheit bereichert und begünstigt. Sollte also mehr Gerechtigkeit Einzug halten sollen in die Gesellschaft, müsste man genau dort die Vorzugsbehandlung streichen. Und da liegt der Haken, denn keiner, der in Zukunft Karriere machen möchte in Politik oder Wirtschaft, wird sich trauen, hier den Kopf allzu weit emporzustrecken. Wer als Kritiker der Politik des „weiter so“ sich hervortut, bekommt in der Groko der Zukunft keinen Posten und wird auch in der Wirtschaft, die neoliberal positioniert bleiben wird, keine Chance haben. Weiterhin war es ja gerade die SPD unter Schröder, die diese Ungerechtigkeiten erst geschaffen haben und Schulz zeigt keinerlei Neigung, hier eine Wende einleiten zu wollen. Abseits der beiden großen Parteien aber wird keine Regierungsmehrheit möglich sein. Es gibt also keine Alternative, es wird neoliberal (CDU) oder neoliberal (SPD) regiert werden in Zukunft.
Nun stellt sich die Frage, was zu tun sei und wo um alles in Welt man sein Kreuzchen machen sollte, wenn man als Wähler Veränderungen wünscht. Das ist schwer zu beleuchten, denn weite Teile der Gesellschaft haben scheinbar noch nicht bemerkt, wohin unsere so tolle Wertegemeinschaft steuert und werden sich daher guten und brauchbaren Ratschlägen verschließen. Ein Grund für diese Unmündigkeit ist der Informationsmangel, der durch nahezu geleichgeschaltete Medien zementiert wird. Das ist nicht verwunderlich, gehören doch die maßgeblichen Redakteure der Standardmedien genau zu dem Kreis der Menschen, die vom „weiter so“ profitieren, die nur so ihr Einkommen, ihren Status auch in Zukunft werden halten können. Wir haben politische Einheitsdoktrin geschaffen und zugelassen, die sich nicht so einfach werden canceln lassen. Dazu gehören besonders die einseitige Ausrichtung auf das Marktgeschehen (jeder kann, aber keiner muss…), gehören die einseitige Ausrichtung auf die Nato (wir sind die Guten, immer…) und das Wissen um die gesetzte und gelebte Konfiguration, das, um den Reichtum sichern zu können, es eine relativ große Zahl von Bürgern geben muss, die arm sind und in Abhängigkeit leben. Stellt man jetzt ernsthaft die Frage nach Gerechtigkeit, wäre keine dieser Säulen dauerhaft vertretbar.
Woran es krankt ist der Wille der Eliten, die Rahmenbedingungen unseres Wohlstandes zu ändern. Mehr Gerechtigkeit führte automatisch zu mehr Selbstvertrauen der einfachen Leute, führte zu mehr Fragen und damit zu größerer Beteiligung, führte zurück zu Solidarität. Das genau wäre aber ein Gegenentwurf zur neoliberalen Agenda, die die Angst und Unwissenheit der einfachen Leute braucht, die systematisch eine Beteiligung aller an der Gestaltung der Gesellschaft verhindern möchte und daher stets Strukturen der Solidarität und deren Organisationen zu zerschlagen sucht. Anders als das Volk organisieren sich die Mächtigen und Wohlhabenden in immer größeren und dichteren Netzen, bilden sich auf okkupierten Schulen und Universitäten eine leistungsorientierte Elitenmasse heran, die mit dem Versprechen, später zu den ganz Großen gehören zu dürfen, bei Laune gehalten werden. So werden Schlüsselpositionen in der Wirtschaft, bei den Medien, in den Verwaltungen und Parteien mit willfährigen Menschen besetzt, die alles andere wollen als eine Veränderung der bestehenden Rahmenbedingungen.