Diese undeutliche Lage entstand, weil immer mehr reguliert und vorbestimmt werden musste. Das Feld der Regulierung ist heute so breit, das niemand mehr ohne einen Apparat im Rücken den Überblick behalten kann. Nur was reguliert ist, kann nämlich auch eingeklagt werden. Das ist in meiner Vorstellung auch der Grund für die Misere, in der wir technisch gesehen leben. Die Gerichte sind nun einmal sehr langsam, zum einen, weil sie alle Perspektiven und Motive berücksichtigen müssen und das Regelwerk riesig ist, zum anderen, weil viele Regeln auch viele Klagen einfahren, zumal hier ja auch immer Widersprüche und Unklarheiten entstehen müssen. Es gibt eine große und mächtige Berufsgruppe, die sich mit dieser Misere ausgiebig befasst: Anwälte. Anwälte vertreten aber nur zu Teilen die große Gemeinschaft, sondern viel öfter die Interessen Einzelner. Sie fahnden systematisch nach Lücken im Gesetz, nach Unklarheiten und Widersprüchen und nutzen diese dann zum Wohle Einzelner. Das ist bekannt. Aber trotzdem, die langsamen Gerichte setzten dieser Arbeit im positiven Sinne Grenzen. Weiterhin sind Amtsträger aller Art immer mit Macht ausgestattet, was somit schon im Vorfeld neuer Regelungen zum Wohle Einzelner genutzt werden kann. Diese Vorfelder sind aber nicht justiziabel, sind also durch Gerichte nicht zu kontrollieren, da für die Justiz ein Gesetz, das es noch nicht gibt, kein Arbeitsfeld darstellen kann. Hier wacht dann eine andere, die vierte Macht: Die Medien und in seinem Schatten der informierte Bürger. Diese vierte Macht war mal in der Planung eines Staates gar nicht vorgesehen und daher fehlen für die Machtausübung derselben Regeln und Vorgaben. Lange waren es nur Zeitungen und öffentliche Rundfunkanstalten, die diese vierte Macht darstellten. Heute aber, nach der digitalen Revolution, ist jeder, der lesen und schreiben kann und über einen Computer verfügt, in der Lage, Medium zu sein oder in vorgefertigten Medien zu wirken. Verschärfend in diesem Segment kommt hinzu, das Medien heute, das gilt auch immer mehr für die Öffentlich Rechtlichen, sich zunehmend in privater Hand befinden und daher gar nicht zum Wohle der Gemeinschaft arbeiten müssen, sondern irgendwelche beliebigen Interessen vertreten können. Die schreibenden Medien sind heute nur noch in wenigen privaten Händen vereint, Rundfunk und Fernsehen sind entweder ganz in privaten Händen, oder werden als gemeinschaftliche Sender mehr und mehr von privaten Zulieferern durchdrungen. Das Internet und seine großen Portale sind in privaten, meist monopolistisch ausgerichteten Oligarchen-Händen, die scheinbar weit abseits jeglichen Rechts- und Moralgefüges ihr Handwerk betreiben. Nun könnte das den Normalbürger ja ganz kalt lassen, aber der mitbestimmende Bürger, in seiner Gesamtheit Souverän genannt, braucht die Medien, um informiert zu sein und zu bleiben. Letztlich soll er nach Gesetz ja der Inhaber des Staates sein, der Besitzer also, nicht der Lakai. Um aber als informiert zu gelten, braucht es ausgewogene Informationsquellen, Quellen also, die einen weit gefächerten und perspektivisch breit ausgelegten Einblick in politische und wirtschaftliche Tagesgeschehen bieten. Das ist heute aber nicht mehr gegeben, da die Medienlandschaft wie die Gesetze und Verordnungen auch schon sich wie ein unüberschaubares Geflecht von sich widersprechenden, perspektivisch einseitigen und Interesse geleiteten Beiträgen darstellt. Und als ob das nicht genügte, bekämpfen die Medien sich gegenseitig, verleumden und diskreditieren sich gegenseitig und füllen so den sowieso riesigen Pool mit zusätzlichen unbrauchbaren Informationen. Ich kann heute nicht mehr sagen: „Habe ich gelesen…“, ohne von Eingeweihten belächelt zu werden. „Da kann sonst was stehen, und ob das stimmt ist fraglich…“, würde ein mögliche Antwort sein. Es gibt mittlerweile neben Fakten auch alternative Fakten, neben News auch Fake News, neben Nachrichten auch als Nachricht getarnte Werbung, Bilder können gestellt, Filmberichte anders datiert oder verortet sein, Zahlen werden manipuliert, Fakten falsch oder unvollständig dargestellt und ausgewählt wird der Stoff nicht nach gesellschaftlichem Nutzen, sondern nach Sensations- oder Werbewert. Und selbst Berichte eigentlich als seriös geltender Anstalten, Relotius lässt grüßen, können schlicht und einfach frei erfunden sein.