Demokratie, Ochlokratie und Gesinnung

Warum schreibe ich darüber? Das ist sehr einfach und auch überaus deutlich aussprechbar. Es gibt kaum einen Tag, an dem ich, wenn ich in Nachrichtenportalen, Sozialen Netzwerken oder öffentlich rechtlichen Medien meine Informationen abhole, ich nicht zu den Schluss kommen muss, mittlerweile in einer Ochlokratie-dominierten Gesellschaft zu leben. Nun bin ich „nur“ ein Rentner mit keinerlei Abhängigkeit von der öffentlichen Aufmerksamkeit. Aber, und zu dieser Überzeugung bin ich irgendwann auch erst durch schmerzhafte Einsicht gelangt, bin ich nicht allein auf der Welt und viele Menschen heute, in einer Zeit, in der auch die Information (…und nicht allein das Geld) die Welt regiert, können Shitstorms in sozialen Medien, Nachrichten über eine Person oder Organisation und Artikel in beliebten Zeitschriften ganze Lebensentwürfe, Karrieren oder Geschäftsgrundlagen zerstören. Diese Zerstörungsmechanismen sind heute weiterhin nicht mehr mal so für ein paar Tage Sensationslust aktiv, sondern sind nachhaltig, weltweit und für alle Zeiten abrufbar und können sogar die Kinder und Enkel der Betroffenen noch dauerhaft belasten. Und das ist, zumindest in meiner Auslegung von Demokratie, die sich zufällig sogar mal mit der von Wikipedia deckt (Und das kommt heute gar nicht mehr so oft vor…), etwas, was mit demokratischen Prinzipien unvereinbar ist.

Nun werde ich hier nicht den guten alten Fehler machen, jetzt mehrere üble Beispiele zu zitieren und darzulegen. Dazu sollte ein erwachsener und verantwortungsvoller Leser selbst in der Lage sein, man nennt das: recherchieren. Ich möchte hier über demokratische Prinzipien schreiben und mich nicht in endlosen Detail-Auseinandersetzungen verlieren. Das würde ja nur die alten, immer wiederkehrenden Polarisationen auf den Plan rufen, die da immer aussagen, ja aber: „die Anderen machen das ja auch“ und „das werde ich doch wohl sagen dürfen“ und „das ist doch nur ein ganz normaler Beitrag zur öffentlichen Debatte“ und „fällt doch auch in die Sparte Meinungsfreiheit“. Das ist alles richtig und würde von mir auch akzeptiert werden, wäre da nicht die alltägliche Beobachtung zu machen, das Minderheiten oder nicht mehrheitsfähige Meinungsbeiträge entweder keinen Zugang finden in die breite öffentliche Berichterstattung oder aber keine Chance haben, dort eine neutrale, unvoreingenommene Darstellung zu finden. Ich werde mich daher nachfolgend an einigen Ausdrücken abarbeiten, die scheinbar ohne Widerstand ihren Platz in der öffentlichen Debatte gefunden haben und dort ein deutliches undemokratisches Gesinnungspotential entfalten, weil sie dem Recht nach unantastbare Freiheitsmotive in ihr Gegenteil, nämlich zu Gesinnungseinordnungen gestalten, die mit gesellschaftlichen Nachteilen verbunden sind.

Gefährder
Gefährder sind Menschen, denen man Aufgrund einer Gesinnung, die durch öffentliche Aussagen, Kirchen- und Veranstaltungsbesuche oder gar nur durch ihr Aussehen in den Verdacht geraten, Terroranschläge verüben zu können. Diese Verdachtsmomente werden dann von der Ordnungsmacht (Polizei, Staatsschutz, BND; Verfassungsschutz) aufgegriffen und als Berechtigung herangezogen, die persönlichen Freiheitsrechte der Betroffenen intensiv einzuschränken. Wohlgemerkt, diese Menschen haben nichts getan, weder die Ordnung noch Gesetze verletzt und müssten rechtlich nach der Unschuldsvermutung behandelt werden. Und solange sollten sie alle Freiheiten eines unbescholtenen Bürgers besitzen.

Verschwörungstheoretiker
Verschwörungstheoretiker werden heute all die Menschen genannt, die eine von der Mehrheitsmeinung abweichende Ansicht über Staat und Gesellschaft haben, dieses einer kleinen Gruppe von Akteuren zugunsten eines illegitimen Zweckes zuschreiben und das auch öffentlich äußern. Dieses aber gehört meiner Ansicht nach grundsätzlich zur Meinungsfreiheit dazu und darf keinerlei Konsequenzen für diese Menschen haben, sofern sie sich an die Gesetze und Verordnungen halten, die der Demokratie-tragende Staat für Rede, Demonstration und Versammlung vorschreibt. Eine demokratische Ordnung muss abweichende Meinungen dulden und tolerieren und darf diese nicht als Basis für Berufsverbote und/oder andere gesellschaftliche Benachteiligungen verwenden. So sind „Üble Nachrede“ und „Verleumdung“ zu Recht Straftatbestände. Das scheint aber niemand mehr wirklich ernst zu nehmen.

Covid-Leugner
Wir leben zu Zeit inmitten oder den Nachwehen einer Virus-Pandemie, deren Opfer weltweit in Millionen geschätzt werden müssen. Soweit die offiziell anerkannte Zustandsbeschreibung der heutigen Krise. Um diese einzudämmen und gefährdete Menschen vor Krankheit und Tod zu schützen, wurden in nahezu allen Staaten der Welt Einschnitte in die Freiheitsrechte der Bürger vorgenommen. Nun kann man als Einzelner diesen im Detail zustimmen oder darunter auch Maßnahmen finden, die überzogen, anders besser gestaltet oder gar vermieden hätten werden können. Selbst die Ansicht, das es gar keine gefährliche Pandemie gebe, ist eine von Meinungsfreiheit gedeckte Aussage. Und wer der Ansicht ist, auf einer Demonstration oder öffentlichen Veranstaltung zu diesem Thema Stellung zu beziehen, sollte dieses „das Recht eines jeden Bürgers“ genannt werden. Wenn diese Veranstaltungen dann von einigen Wenigen für Ordnungsverstöße, Verleumdung oder sogar Gewaltanwendungen missbraucht werden, können trotzdem nicht alle Teilnehmer in diesen von wenigen geöffneten Topf geworfen werden. Selbst wenn Einer allein der einzige einer Versammlung wäre, der sich an gültige Regeln gehalten hat, darf und kann er nicht für die Fehler der anderen Teilnehmer zur Verantwortung gezogen werden. Dies käme einem Sprech- und Meinungsverbot gleich, da so ein einziger Steinewerfer das Demonstrationsrecht aller zunichte machen könnte. Und es gilt auch hier in jedem Fall die Unschuldsvermutung. Die Gesellschaft muss einem Bürger einen Fehler nachweisen, um ihn einschränken oder maßregeln zu können. Niemand ist also nicht gezwungen, sich von anderen Menschen zu distanzieren oder sich diesbezüglich zu rechtfertigen. So sieht die Rechtsprechung aus, und das sollte jeder Bürger einer Demokratie auch wissen und berücksichtigen. Wer mit bekennenden Verfassungsfeinden zusammen für „das Blühen-Dürfen von Gänseblümchen“ demonstrieren möchte und dabei weder die besehende Ordnung noch Gesetze verletzt, ist vielleicht ein liebenswürdiger Narr, aber nicht automatisch das Mitglied einer verfassungsgefährdenden Vereinigung, wie das heute oft in Medien und Berichten dargestellt wird.

Impfgegner
Was für die Covid-Leugner gilt, gilt auch für Impfgegner. Jeder Bürger unseres Landes hat ein durch die Verfassung gegebenes Recht auf körperliche Unversehrtheit. Das Setzen einer Spritze ist ein Eingriff in diese Unversehrtheit und darf nicht erzwungen werden. So ist das mit der Demokratie, Freiheit bedeutet auch hier und da mal eine Einschränkung der Möglichkeiten, die von der großen Mehrheit gewünscht oder befürwortet wird. Damit muss ein Demokrat leben können. Kann er das nicht, muss er sich wohl als Ochlokrat bezeichnen lassen.

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