Exkurs: Die Wahl einer Partei. Nehmen wir einmal an, Sie favorisieren 3 Parteien (A,B,C) für Ihre Wahl. Und nehmen wir einmal an, es gibt 3 Themen (1,2,3), die Sie besonders interessieren. In jedem dieser Themen gibt es 3 Verfahren (a,b,c), die zur Wahl anstehen. Ich ordne jetzt nachstehend den Parteien für jedes Thema ein Verfahren zu, zu dem sich das Parteiprogramm ausgesprochen hat.
A / 1:a – 2:b – 3:c
B / 1:c – 2:a – 3:b
C / 1:b – 2:c – 3:a
Sie bevorzugen aber bei allen Themen das Verfahren, das wir als a bezeichnet haben. Für welche Partei entscheiden Sie sich? Sie erhalten egal, wen Sie wählen, immer nur für ein Thema ihr bevorzugtes Verfahren. Jetzt weiten Sie auf 30 Parteien aus, stellen sich 30 Fragen zu aktuellen Themen und bleiben bei drei möglichen Verfahren. Das ist für eine Bundestagswahl ein durchaus mögliches Szenario, das ziemlich unübersichtlich werden wird. Können Sie durch eine Stimme für eine Partei mitbestimmen, welche Entscheidungen künftig getroffen werden. Meine Antwort ist: Nein. Nun müssen sich Parteien ja nicht einmal an ihre Programme halten, die sie für die Wahl vorgestellt haben. Ich denke dabei gerne an Schröder, der nach der Wahl eine 180°-Wende hingelegt hat. Haben seine Wähler damals das gewählt? Ich denke: Nein.
Das Verfahren, über eine Partei eine Repräsentative Demokratie zu etablieren, ist alles andere als repräsentativ. Und als eine funktionierende Demokratie würde ich das auch nicht bezeichnen, denn das Volk wird nicht einmal ansatzweise gefragt. Beim Beispiel oben entscheiden sie bei ihrer Wahl nur ein Thema von Dreien zu Ihrer Zufriedenheit. Dafür bekommen Sie zweimal, was Sie nicht wollten. Dann haben wir so etwas wie Demokratie in der Wirtschaft rein gar nicht. Hier bestimmt allein und einzig der Besitzer über die zu gehenden Wege und Verfahren.
Das einzige Verfahren, das mit dem Begriff Demokratie übereinstimmt ist eine direkte Demokratie, wo in regelmäßigen Abständen das Volk zu seiner Meinung bezüglich relevanter Themenbereiche gefragt wird. Sollte also ein Krieg anstehen, würde das nicht ein Kanzler, eine Regierung oder Parteigremien, sondern das Volk direkt über die Mehrheit entscheiden. Gleiches gilt für Einschnitte ins Sozialsystem, zu einer Veränderung der Rentenbedingungen (Eintrittsalter, …) und andere wegweisende Grundsatzentscheidungen. In Zeiten, wo nahezu jeder Wahlberechtigte über einen digitalen Zugang in ein weltweites Informationsnetz verfügt, sollte das doch wohl ein Kinderspiel sein.
Dann kommen wir mal zur Begrifflichkeit einer Wahl. Dazu meint Wikipedia:
Eine Wahl im Sinne der Politikwissenschaft ist ein Abstimmungsverfahren in Staaten, Gebietskörperschaften und Organisationen zur Bestellung einer repräsentativen Person oder mehrerer Personen als entscheidungs- oder herrschaftsausübendes Organ.
Das ist jetzt nicht besonders aussagekräftig. Heutige Wahlen bestehen zumeist aus der Zustimmung des Parteivolkes zu einer einzigen Kandidatur. Trifft das Parteivolk eine Entscheidung zwischen zwei Kandidaten, dann ist das in der Presse schon eine „Kampfkanditatur“ und stellt die betreffende Partei als zerstritten dar. Aber eine Wahl zu haben setzt mindestens zwei Kandidaten voraus. Sie können rechts oder rechts abbiegen oder aussteigen ist keine Wahl. Das ist lediglich Zustimmung oder Ablehnung. Weder Scholz noch Merz entstammen einer Wahl. Sie wurden vom Parteivorstand nominiert und vom Parteivolk zustimmend abgenickt. So etwas sehe ich nicht als demokratisches Verfahren an. Das ist Ochlokratie, eine Staatsform, in der ein Mob, in diesem Fall ein „Vereins“vorstand entscheidet, wer die Macht ausüben darf, zumal die Delegierten, sofern sie noch Karrieregedanken innerhalb ihrer Partei hegen, sich hüten werden, abzuweichen oder unangenehm aufzufallen.
Meiner Ansicht nach ist es an der Zeit, unsere Mitbestimmungsmöglichkeiten bezüglich der Machtausübungen in unserem Staate, für den wir der Souverän sind, zu überdenken. Volksabstimmungen sind absolut notwendig, um dem Begriff Demokratie etwas Leben einzuhauchen. Gerade in Krisen und weltpolitischen Umwälzungen, die innerhalb weniger Tage und Wochen weitreichende Entscheidungen erfordern, kann nicht ein Wahlergebnis, das zwischen gestern und vier Jahren zurückliegt, die Meinung des Volkes widerspiegeln. Wir brauchen Volksentscheide, vorzugsweise über digitale Medien. Ohne dieses Instrument sind wir vom Abgrund einer Ochlokratie auf Dauer nur wenige Schritte entfernt.
Ich für meinen Fall kann heute keine Aussage darüber treffen, wohin uns unsere Wahlentscheidung vom 23.Feb.2025 führen wird. Ich denke, es wird einige Zeit vergehen, bis eine neue Koalition beschlossen sein wird. Die ersten Spitzen und Grabenkämpfe finden in den drei Parteien ja schon statt. Dann wissen wir nicht einmal ansatzweise, wie sich Trump, Xi und Putin einigen, verhalten oder streiten werden, was die Briten und Franzosen so tun werden und wohin sich die EU entwickeln wird. Auch die Wirtschaftslage lässt sich im Moment nicht wirklich aussagekräftig vorhersagen. Wir werden wohl warten müssen, welche Formen unsere Entscheidung annehmen wird. Fühlt sich das Ihrer Meinung nach wie Demokratie, „Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk“ an. Sie haben gewählt, und … nichts … absolut nichts … entschieden oder gar bekommen. Ist das souverän? Ich sehe keinen anderen Weg als das Volk direkt an den Entscheidungen zu beteiligen. Dafür braucht es aber andere Wahlergebnisse. Denn die Parteien, die gewählt wurden, werden sich selbst nicht von der Macht abschneiden. In vier Jahren gibt es eine neue Chance, etwas zu verändern. Wähler in repräsentativen Demokratien brauchen vor allem Eines: Geduld. Die letzte Gelegenheit, etwas zu ändern ist verstrichen. Die nächste Gelegenheit läßt vier Jahr auf sich warten. Und bis dahin wird wieder in Hinterzimmern entschieden. Das haben wir toll gemacht: Gratulation!