Exkurs: Sanktionen sind seit langer Zeit eine Standardwaffe der USA und der ihr folgenden Nato-Staaten, mit der sie die ganze Welt überziehen. Dazu werden willkürlich Zölle erhoben (gegen China), Schifffahrtsrouten blockiert (Kuba), finanztechnische Wege blockiert (gegen Russland, Kuba), Finanzguthaben eingefroren (Russland) oder beschlagnahmt (Venezuela), werden oppositionelle Organisationen fremder Länder als neue Regierung anerkannt und dem beschlagnahmten Geld dieser Staaten (Venezuela) finanziert, werden privatwirtschaftliche Vorhaben selbst bei Verbündeten blockiert (D, Nord-Stream-2) oder es werden wichtige Warenströme umgeleitet oder blockiert (D, Nord-Stream-1), um Mängel in den Wirtschaften der Gegner zu erzeugen. Was wenig bekannt zu sein scheint, aber eine historisch belegbare Tatsache ist, das solche Sanktionen immer die gesamte Bevölkerung der betroffenen Länder treffen und in nahezu allen Fällen 1 die Bevölkerungen fester an ihre Regierungen gebunden haben. Sie haben eben keine Umstürze verursacht, wie geschichts-unkundige Strategen immer wieder behaupten, sondern das Gegenteil trat ein: Es hat die bestehenden Regierungen eher gefestigt und zu Erfolgen verholfen (Vietnam, Afghanistan, Syrien, Iran). Und stets gingen mit den verfehlenden Sanktionen Störungen der internationalen Beziehungen und somit Störungen im Welthandel einher, die nicht nur die Gegner, sondern immer auch die eigenen Bevölkerungen der Sanktionierer schädigten. Das ist bei den Sanktionen gegen Russland zur Zeit besonders deutlich zu beobachten.
Nicht durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine, sondern durch die Sanktionen und deren Folgen bricht gerade die Wirtschaft in den Nato-Staaten ein. Wie stark dieser Bumerang-Effekt ist, erklärt ein Gespräch zwischen Macron und Scholz, in der sich der deutsche Kanzler wunderte, das Putin in etwa 100 Stunden der Gespräche, die er mit ihm geführt habe, die Sanktionen nicht ein einziges Mal erwähnte und fragte, ob es Macron genauso ergangen sei. Dieser bejahte. (Quelle: Eine Französische Reportage) Russland sind die Sanktionen mittlerweile gleich-gültig, wie es scheint, stärken sie doch die Regierungsfähigkeit in Russland als auch die Wirtschaft des Landes, da sie ja beide aus dem Zusammenbruch der Gegner sogar noch Vorteile zu ziehen vermögen. Wäre das Putin Strategie und genau so beabsichtigt gewesen, Chapeau, ich würde den Hut ziehen vor so viel strategischer Kompetenz. Was mich verwundert, ist das diese Gesprächspartner die Folgen ihrer Sanktionspolitik zwar sehen, sich aber immer noch wundern, das es auch so geschieht, wie sie es sehen. Ich weiß nicht, wie man das psychologisch oder politisch bezeichnen soll, aber mit den Worten und Begriffen wie Ignoranz, strategische Unfähigkeit, festgefügte Dogmatik oder Realitätsverlust scheine ich das doch recht nahe am Geschehen zu beschreiben. Russland hat seine Wirtschaftsverträge bisher immer erfüllt, und Putin versichert, das auch weiterhin tun zu wollen. Wir erinnern uns: Unsere Verbündeten in den USA und GB sehen das für sich selbst ganz anders und bekennen das auch offen und für jeden recherchierbar. Was ist also los mit unseren Vertretern in der Politik der EU? Haben sie vergessen, was sie in ihrem Amtseid geschworen haben: „Schaden vom … Volk abzuwenden…“? Wie kann man sich Sanktionen anschließen, planen und durchführen, die die eigene Bevölkerung schädigen, den Gegner stärken und nur Chaos anrichten? Wer Fehler bemerkt, sollte diese korrigieren, und nicht Schippe für Schippe drauflegen: „Mehr desselben“ verstärkt den bestehenden Effekt, verhindert ihn aber nicht.
Die Folgen des Vergessens für die globale Welt von Morgen
Was wir gerade beobachten ist das Bestreben mächtiger Politiker aus allen machtvollen Staaten (…zu denen die EU nicht/nie gehört(e)…), die Welt in möglichst nur zwei Blöcke aufzuspalten, wobei lediglich die ganz Großen der Blöcke (USA, China, Russland) das Vorgehen bestimmen können und alle anderen gezwungen werden, sich einem der drei Akteure (Nato vs. Russland/China) anzuschließen. So eine Konstellation gab es schon einmal, wir erinnern uns, als nach dem Zweiten Weltkrieg so etwas Ähnliches der Supermacht USA zu einer nahezu imperialen Vormachtstellung verhalf. Die Sowjetunion versuchte damals noch mit wenig Erfolg, dagegen zu halten. Andere mögliche Konkurrenten gab es damals nicht. Diese waren noch für lange Zeit mit den Folgen des Krieges beschäftigt. Und es wäre denkbar, das gerade jetzt versucht wird, diese erfolgreiche Taktik (Eine Strategie kann man das wohl kaum zu nennen… s.u.) zu wiederholen. Allerdings gibt es dazu einen eklatanten Unterschied, und der ist weder von der Hand zu weisen noch verspricht er Erfolg: Der den USA gegenüber stehende Block (Russland, China, evtl. auch Indien…) ist wirtschaftlich entwickelt, ist militärisch Top ausgerüstet, verfügt über Ressourcen an Land, Menschen, Bodenschätzen und hat sehr stabile politische Machtzentren ausgebildet. Gegen Putin und Xi gibt es in ihren Ländern weder politischen Widerstand noch steht ihr Führungsanspruch innerhalb ihres Wirkungskreises in Frage. Das ist auf der anderen Seite ganz anders ausgeprägt. Die Demokraten in den USA werden mit Biden wohl keine Wahl mehr gewinnen können, was die Republikaner machen werden, ist heute noch ungewiss, die EU zerfällt in ihren inneren Spannungen mehr und mehr und die westlichen Werte, auf die man sich noch vor 20 Jahren erfolgreich hätte berufen können, bröckeln angesichts der Unfähigkeit, politisch zu handeln, bedenklich. Es sind die nicht enden wollenden Krisen 2, die die behaglichen Strukturen der amerikanisch/europäischen Politik erschüttert haben, noch immer erschüttern und die weder gelöst, noch gelindert noch nicht als überstanden gewertet werden können. Zunächst schauen wir uns diese Krisen mal etwas genauer an.
Exkurs: Die Börsenkrise zeigte das sehr dünne Eis auf, auf dem die Wirtschaft des Kapitalismus westlicher Prägung errichtet wurde. Eine Bank wackelte und machte pleite, andere folgten und bevor man sich versah kam der Schmetterlingseffekt voll zum Zuge. Die ganze Weltwirtschaft wurde in Mitleidenschaft gezogen. Die meisten westlichen Länder reagierten, indem sie mit großem Druck immer mehr Geld in die darbende Wirtschaft pressten. Die Folgen sind erkennbar. Inflation und immer größer werdende Abhängigkeiten und Unsicherheiten von globalen Lieferketten und Finanzströmen sind unverkennbar eine direkte Folgeerscheinung. Und wir haben aus der Krise nicht gelernt. Die Börsen zocken weiter, es wurde/wird weiter dereguliert und alles dem Markt überlassen, obwohl dieser anzeigt, das es so nicht funktionieren kann. Andere Länder reagierten anders, und zwar mit einem Umbau ihrer Wirtschaft und regulierenden Maßnahmen. Statt auf global gesteuerte Mechanismen zu vertrauen, setzten diese auf mehr Eigenständig- und Unabhängigkeit 3. Und sie taten das mit Erfolg. Sie sind heute, trotz weiterer Krisen (s.u.), wirtschaftlich nahezu unverwüstlich, eben weil sie alles intern regeln können und keine Rücksicht auf psychologisch verursachte Marktphänomene nehmen müssen.
Exkurs: Die Flüchtlingspolitik in vielen Ländern der westlichen Welt, die alles andere darstellte, als das die westlichen Wertevorstellungen vermuten ließen, konnte sich lange Zeit im Dunkel der mangelnden Medienpräsenz verstecken. Mit den tausenden von Flüchtlingen allerdings, die im Syrien-Konflikt fliehen mussten/wollten, änderte sich das auf eindrucksvolle Weise. Nach einer anfänglichen Abwehrhaltung reagierte zum Beispiel die Regierung in D und machte eine 180°-Wende, die dann nach Chaos in den Behörden und lauter werden Protesten in der immerzu lauten Sozial-Media-Demo-Szene wieder um 160° gewendet wurde. Das lässt weder auf eine Strategie noch einen Plan schließen. Unsere Demokratie kann scheinbar so was wie schnell reagieren einfach nicht, versucht es aber trotzdem immer wieder (Atomkraftausstieg, Abschaffung der Wehrpflicht, Energiewende, Digitalisierung usw.). Euphorie wechselt ab mit Depression und große Zustimmung schlägt schnell um in Ablehnung.
- Vietnam, Afghanistan, Kuba, Syrien, Libyen, China, Irak, Iran, Venezuela, Nicaragua, Russland, Türkei ↩
- …erst die Börsenkrise 2008, die Flüchtlingskrise infolge des Syrien-Konfliktes ab 2011, dann die Corona-Pandemie (Dez 2019) und jetzt die Ukraine-Krise (Jan 2022) ↩
- China und Russland brauchen heute den Rest der Welt heute nicht mehr so notwendig, das ihre Wirtschaft in Krisenzeiten in Gefahr geraten könnte. ↩