Die politischen und wirtschaftlichen Lagen ändern sich, weltweit, und die alten Fragestellungen bezüglich der gesellschaftlichen Dominanz wandeln sich. Waren einst die Spannungen zwischen Landbesitzer und Landbevölkerung, dann nach der industriellen Revolution zwischen Arbeitern und Produktionsbesitzern, dann nach dem Untergang der Solidargemeinschaften zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten alltäglich, muss man heute der Kampf ganz anders beschreiben.
Die Ausbeuter der Welt haben, da gibt es gar keine Unsicherheit mehr, mit der Dominanz des Neo-Liberalismus und Finanz-Kapitalismus umfassend ihren Kampf gegen die Masse der Menschen gewonnen. Heute kämpfen daher nur noch Ausbeuter gegen Ausbeuter, Leute, die zur Macht kommen wollen gegen die, die diese Macht gerade besitzen. Und innerhalb dieser Machtkämpfe geht es nur noch darum darum, wer die Fäden letztlich in der Hand hält und die Entscheidung über den Grad der Ausbeutung, also deren Intensität bestimmt.
Schauen wir nach Süd-Amerika. Wir hatten dort nicht mehr einen Aufstand der Abgehängten und Verarmten gegen den ausbeuterischen Teil der Eliten. Das gleiche Phänomen sehen wir in Bolivien und in Venezuela, sehen das in Chile und zum Teil auch in Argentinien. Das die Eliten in Südamerikas Demokratien, wie immer sie auch heißen mögen und wie immer sie sich organisieren, korrupt sind und ihren Staat regieren, als wäre es die eigene Familie, ist Tradition in diesem Erdteil. Der Unterschied aber, und das ist prägnant, ist doch der, wie viel diese korrupten Eliten neben der Selbstbereicherung noch tun gegen Armut und Not in ihrem Land. Die sozialistisch organisierten Eliten in Bolivien und Venezuela haben hier deutlich mehr Erfolge zu verzeichnen als die rein kapitalistisch orientierten Verwalter. Chile, Brasilien und Argentinien zum Beispiel müssen nicht nur den Kapitalhunger ihre Eliten ertragen, sondern auch noch die „Hilfeleistungen“ stemmen, die IWF und Weltbank diesen Ländern aufgedrückt haben. Oder sagen wir es deutlicher: Während Bolivien und Venezuela nur die Gier der eigenen Eliten zu ertragen haben, bereichert sich zusätzlich der globale Finanz-Kapitalismus in Chile und Argentinien noch an der Armut der Bevölkerung. Und dieser Abfluss in dunkle globale Kanäle geht nicht nur dauerhaft vonstatten, sondern wird immer mehr in Richtung „endlos“ organisiert. In Bolivien 1 und Venezuela ist/war diese globale Krake zurzeit nicht aktiv, aber nicht machtlos. Hier wird über Blockaden der Handelsströme gezielt Not und Unterversorgung organisiert, um durch einen Putsch oder durch System-Change-Aktivitäten wie in Bolivien gerade zu sehen wieder die Finger in die Kassen zu bekommen. Weiterhin ist anzumerken, das sich die Lager der Bewerber um die Macht zunehmend aggressiv und feindlich gegenüber stehen und zunehmend demokratische Prinzipien wie zum Beispiel Wahlen komplett ignorieren. Meiner Ansicht nach können wir in Europa uns in Süd-Amerika anschauen, wohin unsere Demokratien sich entwickeln werden, wenn wir den Neo-Liberalismus und die Umverteilung von unten nach oben nicht endlich stoppen.
- Hier haben sich während des Entstehens dieses Artikels neoliberale Kreise an die Macht geputscht und die arme Bevölkerung demonstriert jetzt gegen dieses Wechsel. ↩