Schockstarre

Die Bundestagswahl ist vorbei, eine Landtagswahl mit ungewissem Ausgang steht bevor, unsere Schutzmacht redet einen Atomkrieg herbei und unsere großen Nachbarn betreiben Europa- und Weltpolitik, und Deutschland, ja Deutschland ist in einer Schockstarre entschwunden. Politisch gesehen erscheint Berlin im Moment wie ein großer Friedhof bei schlechtem Wetter zu sein. Keiner traut sich was, alle liegen scheinbar auf der Lauer und beäugen ängstlich und abwehrbereit den politischen Gegner, als sei eine falsche Zeit für jedes beliebige Wort. Und die Bürger, auch Wähler genannt, scheint es nicht zu stören. Alles ist friedlich, harmonisch, wundervoll.

Doch der Schein trügt. Hinter den Kulissen jeder Parteizentrale werden Messer gewetzt, Strategien ausbaldowert und Taktiken vorbereitet, denn es geht in wenigen Tagen um die Wurst. Es geht dort um Pfründe und Einfluss innerhalb der Parteien sowie um die Startpositionen der Verhandlungen, die zu den überfüllten Töpfen der bundesdeutschen Politikbühne führen und die über Jahre hinaus Einfluss und Reichtum sichern werden.

Die Schwesterparteien CDU und CSU haben sich in bundesdeutschen Familien umgesehen und bemerkt, das Schwestern sich auch bekriegen können. Und so scheint die kleinere der beiden beschlossen zu haben, die große Schwester verbal platt zu machen, und das nicht aus Übermut, sondern aus der puren Angst heraus, in Bayern noch mehr Wähler zu verlieren. Zur Zeit müsste die CSU in Bayern bei bleibend schlechten Umfragewerten eine Koalition mit zwei anderen Parteien bilden, und das wäre eine Katastrophe. Da würden ja schnell die ganzen Mauscheleinen und das ganze Geflecht der Sippenwirtschaft auffallen. Und dann ist da ja auch noch die AfD, die auf dem rechten Wählerrand die Stammwähler abfischt. Eine Katastrophe sonders gleichen. Und während die CSU auf stramm rechts weitermarschiert, sucht die große Schwester verzweifelt nach der Lösung eines unlösbaren Problems, nämlich mit FDP und Grünen zusammen eine tragfähige Regierungskoalition zu bilden.

Die wiederauferstandene FDP, bestehend aus Lindner und Lindner und nochmals Lindner sucht in ihren Reihen verzweifelt nach Personal für Minister und Staatssekretäre. Zu viele der alten Garde haben sich abgemeldet oder sind nach Europa umgezogen, und was an Neuzugängen zu verzeichnen ist, hat weder Erfahrung noch Ausstrahlung. Ein Dilemma, das neue Ideen erfordern würde. Aber der Liberalismus und seine Forderungen sind ja nicht neu, das ist alter Wein in digital aufgepeppten Schläuchen: Weniger Staat, weniger Steuern, weniger Soziales und überhaupt einfach weniger von allem. Von gerecht, verträglich oder zukunftsweisend ist da einfach nur ein großes Nichts anzutreffen.

Und die Grünen, die einmal die Friedensbewegung, die Ökologie und das aufgeklärte Bürgertum vertreten wollten und jetzt nur noch beim etablierten Großbürgertum hängengeblieben sind, in einer Regierung zu sehen, macht selbst ausgebufften Optimisten Kopfzerbrechen. Da sieht der gemeine Bürger weder Plan noch Idee noch Motiv, sondern nur noch den unverschämten Willen, sich an die Geld- und Machttöpfe heranzupirschen. Der einzige Ministerpräsident kungelt mit der Autowirtschaft, und außer Vebrenner-Verbot hört und sieht man nichts, erbärmlich!

Dass die alte Tante SPD in der Opposition verschwinden will liegt einfach nur daran, dass die etablierten Parteien allesamt die AfD als Sprecher der Opposition nicht dulden können. So gerne wäre man mit Merkel weiter Richtung Abgrund marschiert, hätte sich dabei die verbliebenen 20% noch gerne etwas zurechtgestutzt und sich damit zum Mehrheitsbeschaffer von Mutti für lange Zeit verpflichtet. Aber das war ja jetzt so leider nicht mehr möglich. Das der Chef darüber etwas verbittert ist und sich so mal richtig traut, der Mutti mal was um die Ohren zu hauen, ja, das ist Schauspielerei, schlecht gespielte Darstellerkunst. Daher auch jetzt mit Doppelspitze in die Zukunft. Zwei Darsteller machen aber auch noch keinen besseren Film. Aber wahrscheinlich geht diese Rechnung auch noch auf, denn wenn Jamaika krachend scheitert, kommt die große Stunde der alten Verräterdame, dann kommt Agenda 2030, 2040 und 2060, und die nächsten Spitzenkräfte der Parteizentrale haben die große Chance, bei der Großindustrie ihre Rente aufzubessern.

Und dann kommen wir auch schon zu den Linken, welch ein Trauerspiel. Als hätte diese Partei keine anderen Probleme, beschäftigt man sich dort dauerhaft und mit großem Elan damit, die Zugpferde der Partei ins Abseits schieben zu wollen. Gysi ist bereits aus dem Rampenlicht entschwunden. Wenn Wagenknecht ebenfalls noch das Rampenlicht verlässt, wer bitte sehr soll diese Partei dann noch wählen? Eine SPD und eine CDU haben wir doch schon. Oder geht es hier auch nur wieder um den Zugang zu den Töpfen der Macht. Wenn Die Linke in der Regierungsverantwortung Soldaten ins Ausland schicken, Autobahnen zu privatisieren helfen und ihre Verantwortung ihren Wählern gegenüber vergisst, wofür wird diese Partei dann noch gebraucht?

Und dann ist da noch die AfD, die sich schon im Vorfeld der politischen Arbeit derart zersplittert und verheddert hat, das auch die allerletzten Anhänger nicht wirklich an eine brauchbare politische Arbeit mehr glauben. Es waren eh nicht so viele, aber die wenigen, die verblieben sind, können dann auch irgendeine beliebige andere Partei wählen.

Das wird eine spannende Legislaturperiode, vor allem für Kabarettisten und Satiriker. Mutti steht ganz allein vor der CDU, da gibt es sonst niemand mehr. Schäuble sitzt jetzt dem Parlament vor und Von Der Leyen kämpft, mehr verloren als getragen, mit ihrer Aufgabe, Seehover hat seinen besten Mann (Doprint) in Berlin zum Repräsentanten erwählt und stottert nur noch herum über Obergrenze und Sicherheit, Lindner muss alles ganz alleine richten und Göring-Eckardt und Özdemir verlieren in den eigenen Reihen mehr und mehr an Rückhalt, die Doppelspitze der SPD bereitet sich auf ihre neue Rolle vor und über allem thront der Wähler, der sich schon im Vorfeld die Augen reibt, was er da wohl gewählt hat. Das wird, ich sagte es bereits, richtig spannend.

Was als Ausweg bleiben könnte ist Auswandern, aber wohin? Auch Wähler haben Dilemmata!?

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