Wann immer ein Politiker die Stimme erhebt und für den Medienkonsumenten eine Agenda zu beschreiben, kommt mit dem Wort Digitalisierung in Berührung. Digitalisierung ist gut, notwendig, innovativ und die entscheidende Technik der Zukunft, heißt es dann. Stimmt das? Ist die Umformung von Information in 1-en und 0-en, gemacht um diese besser und schneller versenden zu können, wirklich die Grundidee einer unbestimmten Zukunft? In meiner bescheidenen Wahrnehmung hat diese Digitalisierung die Welt nicht schöner und besser gemacht, im Gegenteil, alles ist nur schneller, stressiger und vor allen Dingen umständlicher geworden.
Da ich beruflich den ganzen Arbeitstag vor den flimmernden Bildschirmen verbringe und es kein Gerät mehr zu geben scheint, das ohne Elektronik auszukommen vermag, weiß ich sehr wohl um die Fallen dieser Technik: Apps neigen dazu, abzustürzen, gewöhnlich nicht das zu können, was man von ihnen erwartet, beschleunigen Prozesse in unsinniger Weise, weil nahezu keine Zeit mehr verbleibt um nachzudenken zu können und im Normalfall immer so viele Mails im Postfach liegen, dass zu einer reinen Bearbeitung schon die Zeit fehlt, geschweige denn, über deren Inhalt noch sinnieren zu können. Wenn dann der Arbeitstag vorbei ist, geht es auf dem persönlichen Heimnetzwerk weiter, dutzende Mails, die beantwortet, gesichtet oder gelöscht werden müssen. Keine Behörde, keine Bank, kein Verkäufer oder Händler verzichtet darauf, seine Materialien und Vorstellung in Form von Mails an den Kunden zu übermitteln, und erwartet dann auch noch in weiteren Schreiben, für seine Tätigkeiten beurteilt zu werden. Wenn ich zum Beispiel mal eine Leiter gekauft habe in einem Online-Portal, werden ich wochenlang mit Leiter-Werbung genervt und vollgeschüttet, als ob nach dem vollenden Kauf der benötigten Leiter ich voller Begeisterung noch ein Leiternlager anlegen oder gar einen Leiternshop eröffnen wolle. Das nämlich anzunehmen ist genau der Unsinn, den die heutige Digitalisierung uns aufnötigt, und das heißt, auf den Nenner gebracht: Immer mehr desselben.
Digitalisierung ist nur ein Medium zur beschleunigten Verbreitung von Informationen. Diese sind, in Algorithmen festgezurrt und/oder auf immer gespeichert, aber nur genau die Informationen, die früher in Katalogen oder einem Verkaufs- oder Behördengespräch ausgetauscht wurden. Klar, diese Infos stehen sehr schnell zur Verfügung, können Wissen in Form von Datenbankeinträgen schnell vermitteln und sind von überall in der Welt abrufbar. Es erspart Wege und ersetzt den Kundenraum, den Schalter oder das Büro, in dem der Austausch früher stattfand. Aber dieser Austausch brachte auch immer Menschen im Gespräch zusammen, konnte hier und da auch mal unkonventionelle Lösungen hervorbringen, brachte auch mal ganz neue Fakten zusammen und schuf damit Neues. Geht das auch in der digitalisierten, Algorithmen-verzurrten Welt? Ich behaupte: nein, sicher nicht!
Natürlich ist Digitalisierung in der Verwaltung eine angenehme Neuerung, muss ich doch nicht mehr pünktlich zum Termin auf der Bank oder der Behörde erscheinen, um so etwas wie eine Überweisung, eine Passformalität oder eine Meldung vorzunehmen. Das waren schon immer und bleiben daher auch in Zukunft standardisierte und formalisierte Prozesse, die so schnell und mühelos digital und daher online getätigt werden können. Und nützlich und sinnvoll ist es ebenfalls, online Buchungen oder Vorbestellungen vorzunehmen, wenn große Entfernungen dabei zu überwinden sind. Wenn aber, wie vorherzusehen, durch Online-Unternehmen immer mehr Wohnraum vernichtet wird, wenn kleine Dienstleistungsunternehmen und Geschäfte keine Renditen mehr erwirtschaften können, weil Online-Anbieter den ihnen die Kunden abgraben, Wohnungen für Touristen vermieten oder Privatleute Taxifahrten vornehmen und die Preise für Waren derart drücken, dass ein begehbares Geschäft dieses nicht mehr bewältigen kann, dann wird es eng im Lande. In diesem Lande nämlich leben Menschen, die von, so zumindest ist der Gesellschaftsvertrag formuliert, von einer Tätigkeit ihr Einkommen erarbeiten müssen. Und dieses Recht oder diese Verpflichtung ist in einem Sozialpakt abgesichert, auf dem eben dieses Gesellschaftssystem beruht.