Auch wenn die Digitalisierung bunte Blüten zeitigt und nicht für alle auf der Welt ein Segen darstellt, so sehe doch vermehrt eine Entwicklung , die nicht nur zu Hoffnung, sondern auch zu Zuversicht über Gerechtigkeit auffordert: Die „Paradies Papers“ sind ein weiterer Schritt dahin. Es werden zwar Zug um Zug gläserne Menschen geschaffen, deren Privatheit vollkommen im allgemeinen Sumpf verschwindet, aber diese Entwicklung gilt für alle Menschen, also auch und ganz besonders für Reiche und Superreiche. Plötzlich scheint, wie am Sonntag in der ARD zu sehen war, aus verborgenen Tiefen aufzutauchen, womit bisher wirklich „keiner gerechnet hat“: Da gibt es tatsächlich Steuerparadiese, in denen Reiche, Superreiche und Konzerne ihre Gelder waschen?
Wau, eine vollkommene neue Information! Da gibt es Inseln, Kleinstaaten, Großstaaten, die Gesetze erlassen, um das überhaupt möglich zu machen? Und da gibt es Politiker, Sportsleute, Könige, Milliardäre und andere, die das nutzen, um dort ihre Gelder zu parken? Wo um alles in der Welt leben diese lustigen Journalisten eigentlich, dass ihnen das jetzt erst auffällt. Das kreischen die Spatzen doch seit Jahren von allen Dächern. Nun werden sie sagen, dass sie es bisher ja nur vermutet konnten, doch jetzt durch die „Leaks“ 1 ist es erstmals beweisbar geworden. Lächerlich! Luxemburg, Panama, Malta, die Niederlande und selbst unser schönes Deutschland sind seit Jahrzehnten Steuerparadiese der Sonderklasse. Und was ist passiert, als hier und da mal etwas bekannt wurde? Nichts, gar nichts, ein kurzes Aufbäumen der Medien und dann: Nichts! Denn diese Aktivitäten sind legal, im Einklang mit Recht und Ordnung. Das alles beruht auf der simplen Tatsache, dass immer schon die Menschen Gesetze schreiben, beeinflussen und erkaufen können, die bereits reichlich Geld besitzen und die damit bestechen, kaufen, beeinflussen und übervorteilen können. Das ist so seit dem alten Griechenland, zieht sich über Rom und das Mittelalter hinweg in die Neuzeit und ist Grundlage für die Globalisierung, wird gefördert durch Verträge, Gesetze, Bündnisse und Gemeinschaften und ist allgemein als Gesellschaftsgrundlage heute mehr denn je anerkannt. Man nennt es die Märkte, die ordnende Hand der Märke oder auch schlicht und einfach die Markwirtschaft, oder, um eine glänzende Vertreterin der Verschleierung zu zitieren: die marktkonforme Demokratie.
Was wirklich geht wissen wir doch seit Jahren schon: Bataillone von Anwälten, Wirtschaftswissenschaftlern, Psychologen und Soziologen stehen seit Jahrzehnten im Dienste des Geldadels und nutzen ihre Ausbildung zum Betrügen und Übervorteilen der Menschen, die ihnen die Ausbildung bezahlt haben. Lobbisten und Wirtschaftsvertreter schreiben Gesetze und Verordnungen, Zocker formen die Regeln des Bankgeschäftes, Versicherungsagenten schreiben Renten- und Versorgungsgesetze, Pharmafirmen bauen mit am Gesundheitssystem und Vorstandsvorsitzende von Konzernen schreiben Politikern ihre Reden. Und das alles machen die einfach nur aus gesellschaftlicher Verantwortung? Das klingt in meinen Ohren, als wollte man einer Fünfjährigen einen ausgewachsenen Eisbären aufbinden. Das ist noch nicht einmal mehr lustig.
Aber warum ist das heute so interessant? Hat der Bericht der ARD das nicht schon ganz weit vorne durchblicken lassen? Die Russen haben sich über Minister und Freunde der Trump-Regierung bemächtigt und finanzieren und beeinflussen damit die amerikanische Politik? Russische Oligarchen beteiligen sich seit Jahren überall in der Welt als Investoren wie all die anderen Reichen dieser Welt auch, zum Beispiel bei Facebook, Twitter und vielen anderen Firmen der Industrie 4.0 Truppe einschließlich der sie stützenden Banken. Die Saudis sind überall dabei, Erdogan ist dabei, Google und Facebook sind dabei, und die deutschen Glanzunternehmen ebenso. Und dass die Schweiz den Rohstoffhandel dominiert und international gesuchte Wirtschaftsverbrecher beheimatet, ist ebenfalls seit Jahren bekannt. Was also ist so neu an den Papers? Gar nichts, oder geht es doch wieder nur darum, einen unbeliebten amerikanischen Präsidenten loszuwerden, weil der die Wallstreet nicht so zu Zuge kommen lassen will, wie die sich das dort vorstellen? Man weiß es nicht.
- Offshore, Lux, Panama, Swiss, Paradies, … ↩