Neue Technologien und kein Verständnis für Zusammenhänge

Die Gesellschaft heute zeigt einen fulminanten Abstieg ehemals mächtiger Organisationen und Verbände. Genannt seien hier beispielhaft Parteien, Kirchen und Gewerkschaften. Bis auf die wenigen sogenannten Volksparteien leiden nahezu alle Parteien unter Mitgliederschwund und klagen über mangelnde Spendenbereitschaft aus der Wirtschaft. Auch die Kirchen verlieren massenhaft Mitglieder und Kirchensteuerzahler. Wie auch schon die Parteien sind die Kirchen im gesellschaftlichen Dialog mehr und mehr auf dem Rückzug. Lediglich die klassischen Privilegien aus früheren Zeiten halten beide noch über Wasser. Auch die Gewerkschaften verlieren an Zustimmung und Mitgliedereinnahmen. Zusätzlich verstärkt wird der Niedergang der Arbeitnehmervertretung durch den Niedriglohnbereich, durch prekäre Arbeitsverhältnisse und ungesicherte Beschäftigung, was die Bereitschaft der Betroffenen, noch zusätzlich Gewerkschaftsbeiträge zu zahlen, mehr und mehr gegen Null gehen lässt. Dazu kommt noch die gesellschaftliche Tendenz, sich als Einzelner nicht als Teil einer Masse, sondern als eigenständiger Vertragspartner der Unternehmen zu fühlen, sein Glück in der Karriere also allein, nicht-organisiert zu versuchen. Warum das so ist, was daraus folgt und woher diese Entwicklung kam, ist nicht Thema dieses Artikels zum jetzigen Zeitpunkt. Es zählt die Beobachtung.

Mit den großen weltumspannenden Sozialen Medien (Facebook, Twitter, YouTube, etc.), auf den jeder Weltbürger seine Kommentare und Ansichten nahezu unhinterfragt verbreiten kann, ist eine neue, noch unerforschte Qualität in die Kommunikationswirklichkeit eingetreten. Diese schnellen Medien sind heute in der Lage, durch Interessengruppen oder Kapitaleinsatz nahezu jeden Ausrutscher eines Prominenten in der Öffentlichkeit zu nutzen, um dessen Ruf, Leumund oder Status zu zerstören. Dementsprechend werden die Auftritte von Amts- und Würdenträgern in Life-Interviews und Gesprächsrunden heute nicht mehr in Spontanität, sondern aus taktischen und strategischen Gesichtspunkten vorab geplant, abgesprochen und sozusagen vorgefertigt. Da wundert es nicht, das die Aussagen, die öffentlich geäußert werden, sich stets anhören, als seien sie eine Aneinanderreihung von Schlag- und Modewörtern oder schlimmer noch, als seien sie vom Telepromter abgelesen. Und ganz gleich, welche Fragen gestellt werden, es sind immer die gleichen Worthülsen, die oftmals nicht einmal die Frage beantworten und in endlosen Schleifen scheinbar nur dazu dienen, die Zeit nutzlos, aber abgesichert verstreichen zu lassen. Spontane und auf andere Redebeiträge reagierende Reaktionen sind selten geworden bei den Spitzenvertretern von Politik und Wirtschaft. Ich persönlich vermisse Typen wie Wehner, Schmidt und Strauss in der Politik. Bei denen war Debatte noch Debatte und keine langweilige Vorlesestunde.

Das große Geheimnis unseres Erfolges in Wissenschaft und Technik ist die Digitalisierung. Damit sind nicht nur die neuen Medienportale gemeint, sondern ganz einfach und klar die Möglichkeit, riesige Datenmengen in sehr kleinen Zeiträumen zu verarbeiten. Wenn wir die Annahme voraussetzen, alle irgendwie möglichen Daten könnten zentral erfasst und nahezu zeitlos durchsucht werden (Grundlage vieler SF- und Kriminalromane bzw. -filme) können, dann wäre für jede Ursache, die gerade jetzt stattfindet, die Wirkung berechenbar. Der Ausdruck, der dafür steht, ist der Algorithmus. Schauen wir uns eine Definition dieses Begriff kurz an:

Ein Algorithmus ist eine eindeutige Handlungsvorschrift zur Lösung eines Problems oder einer Klasse von Problemen. Algorithmen bestehen aus endlich vielen, wohldefinierten Einzelschritten. Damit können sie zur Ausführung in ein Computerprogramm implementiert, aber auch in menschlicher Sprache formuliert werden. Bei der Problemlösung wird eine bestimmte Eingabe in eine bestimmte Ausgabe überführt. Wikipedia.de

Algorithmen werden heute verwendet, um zielgenau Werbung zu platzieren, Wahlverhalten zu analysieren und Gewohnheiten zu erforschen. Meist werden diese von großen Konzernen in Form von On-Line-Portalen verwendet, die oftmals kostenlos für Menschen Dienste anbieten und dafür mit ausgiebigem Datenmaterial belohnt werden, das sich dann vielfältig nutzen lässt. Das Internet ist Grundlage für diese Dienste. Wer jemals aber von einem Stromausfall heimgesucht wurde oder in einer Gegend wohnte, wo das Netz sehr schwach ist, wird wissen, wie anfällig solche Systeme bereits aus dieser Grundlage heraus sind. Das die Netze dann noch für konspirative und verbrecherische Zwecke, aus purer Neugier oder sogar aus rein sportlichen Motiven heraus, was heißt: „zu versuchen, was geht“, missbraucht werden können, kommt noch dazu. Heute sind alle Bereiche des Lebens von dieser Technik durchsetzt. Unser kulturelles Gefüge ruht damit auf sehr wackeligen Beinen.

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