Es gibt wenige Nachrichtenüberblick-Portale, aus denen man sich schnell und umfassend informieren kann. Das wohl beliebteste dafür ist Google-News. Ich nutze dieses gerne und oft und ergänze es dann mit detaillierteren Artikeln zu den Themen, die sich mir als interessant darstellen. Natürlich ist auch Google-News ein Portal, das ein sehr eingeschränktes Spektrum präsentiert, aber in der Regel kommen alle wichtigen Nachrichten vor, besonders dann, wenn der Leser über die Spalte „Empfehlungen der Redaktion“ auch noch zu Nachrichten aus anderen Medien findet.
In den Tagen zwischen Weihnacht und Neujahr, eine -noch vor der üblichen Sommerpause- der ruhigsten Nachrichtenzeiten des Jahres, fallen nachfolgende Überschriften besonders auf:
- CSU will den Verteidigungsetat deutlich erhöhen
- CSU fordert, dass die Grenzkontrollen bleiben müssen
- CSU fordert schärfere Regeln der EU für Asylsuchende
- CSU will härtere Flüchtlingspolitik durchsetzen
- CSU will Flüchtlingen Leitungen küren
- Grüne ringen um Flügelproporz
- Union und SPD auf Konfrontations- statt Hochzeitskurs
Irgendwie fand ich die sichtbare Einseitigkeit der Schlagzeilen in diesen Tagen besonders gravierend. Ist sonst nichts in der Welt geschehen über so viele Tage? Nun ja, Trump, Erdogan und Kim kamen schon auch mal kurz vor, aber ernsthaft, wer liest diese schwachsinnigen Artikel noch? In keine dieser Beschreibungen findet sich auch nur ansatzweise eine reale Basis für die Zustände und Realitäten, die diesen Machthabern gerecht wird, suchen doch alle drei nur äußerst verkrampft, ihr Ruder nicht aus der Hand geben zu müssen. Die Einseitigkeit liegt darin, dass die kleinste Partei des deutschen Bundestages (6%), eine Regionalpartei eines einzigen Bundeslandes, die Schlagzeilen bestimmt und andere Parteien und Strömungen in der Auswahl nahezu keine Rolle mehr zu spielen scheinen, und wenn, dann nur in negativer oder ablehnender Form. Union und besonders die SPD sind auf Konfrontationskurs? Es gibt Proporz bei den Grünen? Keine FDP, keine Linken und keine AfD in den Nachrichten?
Also ich fand das seltsam und habe dann mal ein wenig recherchiert. In Bayern sind 2018 Wahlen, und es sieht so aus als ob dort die CSU wie schon im Bund deutliche Verluste zu verzeichnen haben wird. Da ist es doch nur vorteilhaft, wenn man egal wie auch immer in den Nachrichten vorkommt als einzige Partei überhaupt, die noch was zu sagen sich traut. Aber warum folgen die Medien dieser durchaus nachvollziehbaren Absicht so unkritisch? Natürlich ist Bayern und seine Landesregierung mit seinen mehr als 70 Rüstungsbetrieben (EADS, Diehl, Krauss-Maffei Wegmann) daran interessiert, ihre Industrie zu fördern. Nicht gerechnet sind dabei noch die vielen Zulieferfirmen, die sich rund um die Rüstungsschmieden versammeln. Das Thema Flüchtlinge, das einzig wirksame Thema der am rechten Rand angesiedelten AfD und damit der einzige Konkurrent in den von der CSU beanspruchten Sumpf der Stammtischthemen, kann ja auch verstanden werden, aber warum in aller Welt springt die Presse derart willig und kritiklos in diesen modrigen Tümpel hinein? Vielleicht liegt die Antwort nicht so sehr in der Botschaft, die vermittelt wird, sondern in der damit verbundenen Möglichkeit, sich zusätzliche Webekunden zu sichern.
Neben einem der genannten Artikel fand ich nämlich eine Anzeige des Stern, in dem auf ein für die SPD als kritisch anzusehenden Artikel hingewiesen wurde. Beim Öffnen desselben kam ich dann zu meiner großen Überraschung nicht auf das genannten Stern-Portal, sondern auf eine Webseite von Ligatus.de, die sich, wie sie selbst im Impressum schreibt, mit Kampagnenoptimierung, mit Online-Werbung und Landing-Page-Entwicklung arbeitet und finanziert. 1
Ligatus.de gehört zu Gruner & Jahr und damit zur Bertelsmann Gruppe, zu der auch der Stern gehört. Weiterhin wird diese Landingpage über das Finanzportal Onvista ins Netz gestellt, die zur ComDirekt Gruppe, also der Commerzbank, gehört. Auf der Seite fanden sich ausnahmslos Artikel, die sich kritisch mit der SPD auseinander setzen, ergänzt durch Motive und Themen, die eindeutig dem Panorama-Teil eines Medium zugeordnet werden können. Auf Panorama, wir erinnern uns, stehen meist nur die Klatsch-Geschichten über Promis und Pseudo-Promis, Gesundheits- und Mainstreamtipps, ergänzt mit den üblichen Lachgeschichten und dergleichen mehr. Auf die Seite konnte ich aber nur über diese eine Werbefläche kommen. Bei der Eingabe der Adresse im Browser wird sonst immer die Agenturseite aufgerufen. Vielleicht lag hier nur und glücklicherweise ein kurzfristiger Programmfehler vor? Ich kann zurzeit diese Seite nicht mehr aufrufen!
Mir stellt sich jetzt die Frage, wer ein Interesse an der Verbreitung SPD-kritischer Artikel haben kann und wer so eine Kampagne zu bezahlen bereit ist, denn Ligatus wird als Profitunternehmen solcherlei sicherlich nicht kostenfrei bereitstellen und/oder als Online-Werbung platzieren. Ich stelle also kommentarlos fest, dass zurzeit über eine Agentur eine Kampagne gefahren wird, die sich besonders kritisch mit der SPD auseinandersetzt und solcherlei Artikel in Verbindung mit Panorama-Themen Netz weit als Werbung in gebuchte Webseiten einstellt. Als Kunden und für Platzierungen werden vom Unternehmen genannt: Arcor, Bild, Brigitte, Chefkoch.de, finanzen.net, Handelsblatt, Heise Online, n-TV, Schöner Wohnen, Spiegel-Online Stern, Wetter-Online. Wenn Sie also auf einer der genannten Seiten oder sonst wo im Netz Artikel zu SPD-kritischen Themen im Werbeblock vorfinden, empfangen Sie gerade einen netten Gruß eines Unternehmens der Bertelsmann-Gruppe und ihrer neuen Kampagne mit dem Ziel, SPD-kritische Kommentare und Beschreibungen an den Mann, an das Volk oder an den Stammtisch zu bringen. Warum auch immer? So was liest doch eh niemand mehr, schon gar nicht als Anzeige im Werbeblock 2 Das erscheint mir nur wie Sterbehilfe für einen Teil der verkommenen politischen Parteienkultur!
- Zum letztgenannten Arbeitsgebiet schreibt Wikipedia: Eine Landingpage (auch Landing-Page oder Landeseite; englisch landing page), selten auch Marketingpage, ist eine speziell eingerichtete Webseite, die nach einem Mausklick auf ein Werbemittel oder nach einem Klick auf einen Eintrag in einer Suchmaschine (Google, Bing, u. a.) erscheint. Diese Landingpage ist auf den Werbeträger und dessen Zielgruppe optimiert. Bei einer Landingpage steht ein bestimmtes Angebot im Mittelpunkt, welches ohne Ablenkung vorgestellt wird. ( https://de.wikipedia.org/wiki/Landingpage ) ↩
- Sofern der durch die empfehlenswerten und gott-sei-dank weit verbreiteten und immer besser werdenden Ad-Blocker überhaupt noch erscheint ↩