Ich bin mittlerweile der ganz persönlichen Ansicht, das sich Menschen auch heute noch nicht anders als kulturell-national organisieren lassen. Es ist doch unbestreitbar, das wir in der Welt angesichts der vielfältigen Problemstellungen, die der Mensch in seiner Erfolgsgeschichte verursacht hat 1, zusammenarbeiten müssen. Und das muss in der ganzen Welt geschehen, sonst funktioniert es nicht. Das bedeutet doch nicht gleichzeitig, das kulturelle Gegebenheiten aufgegeben werden müssen. Und natürlich müssen Verträge, Regel und dergleichen zwischen staatlichen Akteuren für alle Beteiligten Vorteile bewirken. Und sollte sich herausstellen, das geschlossene Verträge sich in der Alltagswirklichkeit nicht bewähren, müssen sie auch verändert werden können. Das Pochen auf Rechtssicherheit in jeglicher Form ist aber mit solchen Anpassungen unverträglich. Ich kann verstehen, das man auf solchen Regeln bestehen möchte, wenn man investiert oder Hilfe anbietet, die mit Kosten verbunden sind. Aber so funktionieren Win-Win-Vereinbarungen einfach nicht. Zwischenstaatliche Verträge müssen so gestaltet sein, das sie offen bleiben für notwendige Veränderungen. Das Besitzrecht, wie Europa es versteht, ist in Verträgen zwischen souveränen Staaten einfach nicht anwendbar. Einfachste politische Veränderungen, die Wahl einer anderen führenden Partei ist da nur eine der zu nennenden Ereignisse, müssen staatliche Korrekturen zulassen. Und dabei können auch internationale Verträge nicht ausgenommen werden, wenn wir Demokratie ernst nehmen. Das Volk bestimmt, nicht irgendwelche Regeln, die wer weiß wie und irgendwann zustande gekommen sind. Und wenn ein Volk eine Änderung wünscht, dann sollte das auch möglich sein. Das gilt für die Zugehörigkeit zu einem Staat, gilt für wirtschaftliche Vereinbarungen, gilt eigentlich für alle Verträge, die ein Staat eingeht. Ja, ich kenne die Einwände schon, das geht mit dem heute üblichen Recht nicht. Das ist aber nicht in Stein gemeißelt, sondern von Menschen gemacht. Wenn das heutige Recht nicht funktioniert, muss es verändert werden können. Und dafür müssen sich Menschen verschiedenster Kulturen zusammensetzen dürfen und ihre eigenen Regeln gestalten. Warum sollte das nicht gehen. Mit Deutschland geht es so, mit China geht es eben anders. Warum muss alles in der Welt fest gemauert und unveränderlich gestaltet sein. Wenn der Partner doch nicht weiter in einem Vertrag bleiben möchte, kann er doch neu verhandeln. Und dann muss man sich eben einigen. Und wenn das nicht geht, lässt man es und die Zusammenarbeit ist beendet. Die großen vier in der Welt machen das dauernd, und ich finde, die vielen Kleinen sollten das gleiche Recht bekommen. Die Auslagerung in sogenannte „nichtstaatliche Akteure“ ist da doch gar keine Lösung, im Gegenteil, sie verschärfen die oben genannte Sachlage (David – Goliath) eher noch. Oder sind multinationale Akteure jemals bereit gewesen, auf ihre Profite zugunsten von Menschen in Not zu verzichten. Im Gegenteil, sie schwärmen gerade zu den hilfesuchenden Menschen in kleinen Staaten hin, um ihre Profite zu maximieren und diese Notlagen rücksichtslos auszunutzen. Ich will hier gar nicht Verallgemeinern, aber die Mehrzahl der genannten Akteure gehört heute doch unbestritten zu der Sorte der Gewinnmaximierer. Alle Krisen der nahen Vergangenheit belegen das.
Das GG wird meiner Meinung nach zu Recht beschuldigt, eine Weltordnung etablieren zu wollen, die die hoch industrialisierten Länder begünstigt und somit die Gefahr offen lässt, das sich diese auf Kosten der Armen der Welt bereichern. Es ist für mich einfach zu früh, von solchen allgemein gültigen Ideen auszugehen und diese in einer multikulturellen Welt etablieren zu wollen. Noch beherrschen Gewalt und Ausübung von Macht in Form von Geld, Armee und industrieller Übermacht weite Teile der Welt und von Gerechtigkeit im zwischenstaatlichen Verkehr ist wenig brauchbares zu finden, und das gilt zwischen befreundeten Staaten. Und solange das so ist, werden wir um die national-organisierten Staaten nicht herumkommen. Es ist daher Zeit, finde ich, den Tatsachen ins Auge zu schauen, sich entsprechend zu verhalten und die medialen Verteufelungen einzustellen. Auch in Europa und in Nordamerika wird national gedacht, und wer das bestreiten will, sollte sich zuvor einmal die Definition des gelebten Exzeptionismus anschauen, die überwiegend in den USA, aber auch in Europa durchaus großen Zuspruch findet:
Der Amerikanische Exzeptionalismus (englisch American Exceptionalism) ist eine nationalistische Ideologie, die auf dem Postulat basiert, dass die Vereinigten Staaten von Amerika eine Sonderstellung gegenüber allen anderen Nationen einnehmen. … Der Exzeptionalismus leitete sich her von der Vorstellung amerikanischer Beispielhaftigkeit, die die anderen Nationen lehren werde, wie der naturrechtlich verstandene Anspruch auf nationale Souveränität mit dem aufklärerischen Universalismus in einem mustergültigen Beispiel freier Selbstregierung in eins falle. Es sei die Mission der USA, dieses Beispiel auf der Erde zu verbreiten. Der amerikanische Exzeptionalismus lag für Hamilton und die Founding Fathers in Amerikas Exemplarität begründet.
Exemplarität oder Exemplarisches Lernen ist ein maßgeblich von Martin Wagenschein entwickeltes Prinzip der Didaktik, das die Notwendigkeit zur didaktischen Reduktion zu seinem Kernbestandteil macht. Anwendung findet es in der Didaktik der geisteswissenschaftlichen, naturwissenschaftlichen und gesellschaftswissenschaftlichen Fächer. Wikipedia DE
Mit anderen Worten beschrieben halten sich Europa und die USA für die auserwählten Staaten der Erde, die sich als deren Lehrer ansehen und die Verbreitung ihrer Kultur über die ganze Welt als ihren Auftrag begreifen. Das ist gelinde gesagt ein Nationalismus der wenig guten Art, denn er betrachtet die eigene Kultur als gelungenes Exempel und somit als Vorbild für alle anderen. Wenn wir uns ansehen, wie sich diese genannten Staaten in der Vergangenheit auf der Welt bewegt und wie viel Verderben sie dabei hinterlassen haben, sollten gerade diese in ihrer Missionstätigkeit etwas bescheidener sein. Und diese Fehler, die JH-lang gemacht wurden, werden von jüngeren Staaten, zu denen auch Russland und China gehören 2 wahrscheinlich auch hier und da wiederholt werden (müssen), bevor sie bereit dazu sind, international wirkungsvoll zusammenzuarbeiten. Gerade wir in Europa sollten das verstehen.
Es gibt so gesehen also keinen Grund, den Nationalismus der Globalisierung entgegenzusetzen. Alles Staaten sind letztlich nationalistisch und müssen das auch sein. Und die Probleme, die eine Globalisierung der heutigen Form aufweist, sind weder von der Hand zu weisen noch als erträglich einzustufen. Es gibt daher keinen Grund, sich einer der beiden Gegensätze anzudienen. Die verwirklichbare Form wird irgend wie dazwischen liegen müssen. Eine weltweit gültige Doktrin zum heutigen Zeitpunkt verwirklichen zu können ist mehr als unwahrscheinlich. Wir brauchen die National-Staaten noch lange Zeit, und wir brauchen die Zusammenarbeit in Form von Vereinbarungen, die auf Win-Win-Basis funktionieren. Es gibt (wahrscheinlich) keinen anderen Weg.
- Klimawandel, Armut, Hunger, Inflation, Wirtschaftskrisen, Ausbeutung, Ressourcenknappheit, Naturkatastrophen, Artensterben, Verwüstung und Versteppung, … ↩
- China entwickelt sich erst seit dem zweiten Weltkrieg zu einer industriellen Nation. Russland hatte nach diesem Krieg mit großen Opferzahlen und riesigen Zerstörungen zu kämpfen. Beide Länder waren ganz auf sich allein gestellt und mussten ihre Gesellschaft neu aufbauen. ↩