Das Schicksal der SPD ist mir vollkommen egal…, wäre da nicht die einfache, aber leider so logische Anschlussfrage, wie denn um alles in der Welt ein Politikwechsel in Deutschland gelingen soll, wenn die SPD nicht einen Teil dazu beiträgt. Mit den Grünen und den Linken ist das ja wohl allein nicht möglich. Um das herauszufinden, muss man in Mathe kein Genie sein. Und mit der AfD oder den Liberalen ginge es doch wohl eher in die andere Richtung. Auch das versteht, wer nur über Tagesschau-Kenntnisse verfügt.
Also was für ein Elend diese einst richtungsweisende Partei auch sein mag, ohne sie wird es also nicht gehen. Und daher möchte ich die Anhänger dieses Elends doch mal fragen: Wie gedenkt ihr eurer dementen Organisation eigentlich wieder Leben einzuhauchen. Glaubt ihr tatsächlich, mit ein oder zwei Schlagworten könnt ihr die Enttäuschten und frustrierten wieder zurück ins Boot ziehen. Ihr wollt mehr soziale Gerechtigkeit? Soweit ich weiß seid ihr es doch gewesen, die diese Ungerechtigkeiten erst geschaffen haben, und ich kann auch keinerlei Regungen bei euch entdecken, dies zu bereuen oder rückgängig machen zu wollen. Was mögen die 30% prekär beschäftigten Menschen eigentlich denken, wenn einer eurer Spitzenpolitiker, den ihr noch immer feiert, sagt, er wäre stolz darauf, den effektivsten Niedriglohnbereich in Europa geschaffen zu haben. Ihr stellt ein paar vage Änderungen an diesem Armutsprojekt in Aussicht, so Gott will, wollt dieses mit Schulz im Sattel und der FDP als Partner erreichen, und vielleicht noch die Grünen, bei denen Frieden und Ökologie eigentlich nur noch sporadisch vorkommen? Beide Wunschpartner kämpfen wie ihr selbst auch mit ihrem Wählerschwund. Warum legt ihr euch nicht gleich in einen Sarg und macht den Deckel schon mal zu?
So geht das nicht, und es ist auch gar nicht so, dass ich traurig wäre über das Ableben dieser Partei, aber wer soll an ihre Stelle treten, wer soll den Wechsel in der Politik bewirken? Ich sehe da niemand mit Aussicht auf Erfolg. Und daher rate ich einfach mal nachzudenken, wer sie einmal waren und was sein könnte, wenn ihre Anhänger einfach ein wenig Mut an den Tag legen würden. Zur Erinnerung: Sie waren die Partei der Arbeiterschaft, der einfachen Leute, waren die politische Kraft der Gewerkschaftsbewegung und waren die einzigen, die in einer wichtigen Zeit den Mut hatte, sich umzudrehen. Oder ist Willi Brandt schon in Vergessenheit geraten: Mehr Demokratie wagen! Es gibt eine Antwort auf dieses Problem, eine ganz und gar einfache Antwort, und die heißt zurück zu den Wurzeln, zurück zu den Wählern, zurück zur Basis des Gemeinwesens, und das sind die vielen einfachen Leute, die nur in Ruhe leben und arbeiten wollen. Sie sind die Mehrheit, sie waren schon immer die Mehrheit und gerade in einer Demokratie sind sie die tragende Säule. Sie haben ihnen die Renten gekürzt und ihnen Altersarmut geschaffen, haben das Bildungs- und Gesundheitssystem kaputtreformiert, haben das Durchschnittseinkommen halbiert und sind einer Agenda auf den Leim gekrochen, die nur dem oberen 1% der Bevölkerung zugutekommt. Und sie haben die Angst eingeführt in nahezu alle Bereiche des einfachen Lebens. Und wenn sie jemals wieder in politische Verantwortung kommen wollen, sind von ihr nachfolgende Punkte neu zu bearbeiten:
- Schluss mit der Agenda 2010. Und das heißt zurück zu den alten Parametern für Renten, Versicherungen, Pensionen und Sozialhilfen.
- Schluss mit den Reformen, die die Gewerkschaften schwächen. Wir brauchen Arbeitnehmervertretungen in allen Betrieben und Organisationen.
- Stellt Lehrer ein, stellt Polizisten ein, und sorgt für ausreichende Angestelltenzahlen in Ämtern und Behörden.
- Wir brauchen eine intakte Infrastruktur, und wenn wir schon dabei sind, Schluss mit den Privatisierungen. Alle Netze und Gemeinschaftsressourcen gehören unter die Kontrolle der Parlamente, dazu gehören Straßen, Bahn, Wasser, Strom, Kommunikation und Post- und Paketdienste.
- Dann müssen die großen Fracht- und Versorgungsgüter zurück auf die Schiene, damit Ruhe einkehrt in den Städten und Dörfern und die Luft dort sauber bleibt.
- Wir brauchen Schulen und Universitäten, die diesen Namen verdienen. Bildung ist nicht Wissen. Schulen und Unis sind Orte der Freiheit und des Lernens, nicht der Leistung und der Zulieferung für Wirtschaftsunternehmen.
- Wir brauchen ein intaktes Rentensystem, und ausreichende Sorge für unsere alten Bürger.
- Jeder in diesem Lande muss von seiner Arbeit leben können. Also rauf mit dem Mindestlohn auf ein erträgliches Niveau und Schluss mit den Ausnahmen.
- Holt unsere Soldaten zurück und beschränkt euch auf Verteidigung und UN-Einsätze, und schmeißt das Geld nicht für Waffensysteme raus, die keinen Cent wert sind, weil sie sich nur zum Angriff und nicht zur Verteidigung eignen.
Je länger ich schreibe, umso mehr fällt mir ein. Ich könnte seitenweise Tabellen füllen mit Vorschlägen, die eine Mehrheit in der Bevölkerung finden würden. Die SPD hätte also reichlich Stoff für ihr Wahlprogramm. Warum lese und höre ich davon nichts? Ich könnte das auch alles zusammenfassen mit einem einfachen Satz: Sie sollte Schluss machen mit der neoliberalen Agenda 1 und zurückkommen zur sozialen Marktwirtschaft, natürlich im modernen Gewande. Was sonst? Und ich garantiere, alle einfachen Leute würden dem zustimmen und auch wieder wählen! Vielleicht ist dann sogar hier und da mal wieder eine Stimme für die SPD mit dabei.
MUT oder UNTERGANG. Die SPD hat noch die Wahl! So weiter wie bisher wird das aber mit Sicherheit nichts.
Nachtrag vom 11.05.2017: Wenn sich jetzt nach der Wahl in Schleswig-Holsteins Herr Stegner rühmt, die Linke aus dem Landtag ferngehalten zu haben, weiß ich ehrlich nicht, wie die SPD wieder führend in Regierungsverantwortung kommen und eine soziale Politik gestalten will. Auch Frau Kraft scheint hier keinen Plan mehr zu haben. Sie wird wahrscheinlich am Wochenende untergehen und sich abfinden mit der Rolle des Mehrheitsbeschaffers. Und der große neue Held Schulz hält dann noch eine Grundsatzrede vor der IHK, die aus Bruchstücken von „weiter so wie bisher“ nur so strotzt und von Sozialdemokratie so gut wie nichts mehr enthält. Na dann freue ich mich doch eher auf weitere vier Jahre mit Merkel & Co. Das sind wenigstens echte Kapitalisten. Hoffentlich geht das ohne GroKo und damit ohne Schulz. Es wird in der künftigen Regierung aus Schwarz/Gelb auch ohne ihn Schwätzer genug geben.
Anhang vom 15.05.2017 (nach Wahlausgang): So, jetzt ist es passiert! Die dritte LTW ist verloren und für die BTW sieht es alles andere als rosig aus. Das war es dann wohl mit dem Politikwechsel und wir bereiten uns vor auf weitere 2 Jahre Merkel und danach 12 Jahre Von Der Leyen. Wahnsinn (im negativen Sinne…)!
- Neoliberalismus nach Wikipedia.org: Neoliberalismus bezieht sich in erster Linie auf das Wiederaufleben der Ideen des 19. Jahrhunderts, die mit dem Laissez-faire-Wirtschaftsliberalismus verbunden sind. Dazu gehören umfangreiche wirtschaftliche Liberalisierung, Maßnahmen wie Privatisierung, Sparkurs, Deregulierung, Freihandel und Senkung der Staatsausgaben, um die Rolle des privaten Sektors in der Wirtschaft und die Gesellschaft zu erhöhen. Das genau ist doch das Programm der letzten Jahre unter Schröder und Merkel. ↩