Wir leben heute in einer seltsam ausgeformten Gedankenwelt, die sich durch verschiedenste Misstöne und teilweise falsche Schlussfolgerungen begründet und dieses meist in einer Form, die sich durch Unvollständigkeit und eine auf der Enttäuschung darauf basierender Radikalisierung auszeichnet. Das ist nicht ungewöhnlich, da Massenphänomene immer zu Konzeptionen führen müssen, die auf Kompromissen und dem kleinsten gemeinsamen Nenner beruhen. Das kann letztlich nie als Erfolg, sondern stets nur als Misserfolg verbucht werden. Halbgare politische Richtungsentscheidungen, unscharfe Abgrenzungen und nicht zielführende Kompromisse genannt Reformen sind daher an der Tagesordnung und führen von Krise zu Krise. Worauf diese Phänomene beruhen, ist mit einer auf Materialismus und auf kurzfristige Erfolgserzählungen ausgerichteten Geisteswissenschaft nicht zu erforschen, da für deren Erfolg langfristige Wirkungen in einem geordneten Umfeld erzeugt werden müssten, die aber dem schnellen Zeitgeist sowohl der „Moderne“ als auch der „Postmoderne“ und deren Denkweise widersprechen. Dies will ich in diesem Artikel zu ergründen versuchen.
Beschäftigen wird sich der Artikel daher mit den Verwicklungen und Fehlinterpretationen, die die bereits genannten Epochen (Moderne, Postmoderne) aufzeigen, diese begründen und die so manch Wirkungen beschreiben, die zwangsläufig entstehen. Dazu müssen wir uns mit weiteren Begriffen beschäftigen, die in diesen Stilrichtungen Bedeutung erlangt haben: Das ist die zum einen die Ausformung der Dekonstruktionspraxis, dann das Demokratieverständnis im Allgemeinen, die Fragen nach der Ausrichtung der Wissenschaften und deren Autorität, die Problematiken von Einheit und Vielfalt in einer zusammengeschrumpften Welt und natürlich auch die Problemstellungen, die durch all die Missinterpretationen und die Pervertierungen, die in Krisen und Misserfolgen entstehen. Das ist viel Material, aber in meiner Vorstellung geht das nicht kleiner.
Fangen wir daher ganz normal an mit den Definitionen, die die genannten Begriffe heute definieren. Bereits hier beginnen nämlich die Missdeutungen in erheblichem Umfang. Ich nutze dafür als Ausgangspunkt die Beschreibung des wohl meistgebrauchten Portals in Europa: Wikipedia.
Moderne bezeichnet historisch einen Umbruch in zahlreichen Lebensbereichen gegenüber der Tradition, bedingt durch Industrielle Revolution, Aufklärung und Säkularisierung. In der Philosophiegeschichte fällt der Beginn der Moderne mit dem Skeptizismus der Vordenker der Aufklärung (Montaigne, Descartes, Spinoza) zusammen. Die Moderne folgt als Teil der Neuzeit auf die Frühe Neuzeit und dauert je nach Definition bis in die Gegenwart an oder endete im zwanzigsten Jahrhundert.
„Die Moderne“ ist, seitdem der Begriff im Zuge des Naturalismus in Deutschland eingeführt wurde, der inhaltlich umrissenen Bedeutung nach immer vage gewesen. Zumeist wurde damit jede neu aufkommende Stilrichtung oder Kunstgattung bezeichnet.
Heute wird das Adjektiv modern umgangssprachlich häufig nicht in der oben genannten Bedeutung eines historischen Umbruchs verwendet, sondern abgewandelt synonym zu „modisch“, also im Sinne von „der Mode entsprechend“, daneben im Sinne von „zeitgenössisch“. Der Ausdruck Modernität wird häufig auch gleichbedeutend mit bloßer Fortschrittlichkeit oder Aktualität verwendet. Das als Ismen-Bildung zu sehende Wort Modernismus bezeichnet spezielle Phänomene verschiedener Themengebiete. Wikipedia.de
Das ist eine sehr gut konstruierte philosophische Aussage, die sich nahezu in jeder beliebigen Form interpretieren lässt, mit anderen Worten, viele Worte, wenig Gehalt und als Beschreibung vollkommen ungeeignet. Auch die Wortherkunft und was ein Papst dazu zu sagen hatte (Hier nicht zitiert…), lässt keine Eingrenzung, das ist letztlich der Sinn einer Definition, zu. Das scheint heute „modern“ zu sein: Wir definieren ohne Definition, wir zitieren ohne Zusammenhang und berufen uns auf Autoritäten, die die „Moderne“ im Gewand der Aufklärung eigentlich abschaffen wollte. Das bezeichne ich als eine missverstandene Auslegung, da sie profanes, aber nichts konkret Verständliches enthält. Weiterhin bleibt unerwähnt, das sich die Moderne durch eine strikte Ablehnung der Tradition auszeichnet und dieses auch nicht andeutungsweise ausdifferenziert sprich eingehegt hat. Nach dem Motto: „Das ist alt…“ werden/wurden bewährte Einrichtungen abgelehnt, zerstört und letztlich durch „Nichts“ ersetzt. So entsteht eine Fragmentierung ohne gesellschaftlichen Zusammenhalt, ohne Blick und Wirkung auf das Ganze und daher ohne Funktionalität, da jedes Fragment nur noch für sich spricht. In den Fragmenten der Wissenschaften, wo jede Teilgruppierung nur noch für sich arbeitet, ist das sehr genau zu sehen. Wer mit Beschwerden heute zum Hausarzt geht und von dort an die einzelnen Fachrichtungen in der Medizin weitergereicht wird, wird das Wort Fragmentierung verstehen: Vier Ärzte erzeugen vier Auslegungen und der Patient muss sich aussuchen, wie er behandelt werden möchte, obwohl er ja gerade wegen seiner Unwissenheit die Fachabteilungen aufgesucht hat. Der Bezug zur Einheitlichkeit, oft als Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit bezeichnet, war doch der ins Ziel genommene Inhalt der Zeit nach der Aufklärung. Es wurden zunächst Normen geschaffen in nahezu allen Lebensbereichen. Die Technologisierung nahm Fahrt auf und erbrachte ungeheuren Fortschritt. Diese erzeugten einen Berg, nein, ein Gebirge an Wissen und Möglichkeiten, die umgesetzt und verwirklicht nur wieder in vorgegebenen Ordnungen sprich Fragmentierungen bestehen konnten. Ordnungen aber spiegeln sich immer in Traditionen. Auch das ganz Neue wird, sobald von der Masse gelebt, eine Tradition erzeugen, auch wenn heute nur Formen mit kurzer Dauer dominieren werden. Wir nennen das heute Mode, Trend oder Zeitgeist. Früher hieß das Sitte oder Moral und war unumstößlich, und so zeitigt sich das Motiv „Tradition“ heute trotz modernem Denken als wiederkehrend beziehungsweise wahrscheinlich sogar nie abwesend gewesen. Das ist in meiner Auslegung die Essenz der Zeitepoche „Moderne“. Ich sehe wissenschaftlichen Fortschritt mit großen Fragmentierungen, sehe Ordnungen und Moden, die als Zwang empfunden werden müssen, sehe die unerfüllbare Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Freiheit in der Moderne als gescheitert. Trotzdem hat diese Epoche uns Erfolge erbracht, die nicht zu gering geschätzt werden sollten. Sie müssen auf den Prüfstand und sicher nicht in den Abfallkorb. Die Moderne ist nicht abgeschlossen, sondern ist in eine aus ihrer theoretischen Basis entstandenen Krise geraten, die nur aus dieser Basis heraus geläutert werden kann. Das Mittel dazu wäre die „Postmoderne“.
Die Postmoderne (von lateinischpost ‚hinter‘, ‚nach‘) ist im allgemeinen Sinn der Zustand der abendländischen Gesellschaft, Kultur und Kunst „nach“ der bis in die Gegenwart andauernden Moderne.
Die Diskussion über die zeitliche und inhaltliche Bestimmung dessen, was genau postmodern bzw. postmodernistisch sei, wird etwa seit Anfang der 1980er Jahre geführt. Postmodernes Denken will nicht als bloße Zeitdiagnose verstanden werden, sondern als kritische Denkbewegung, die sich gegen Grundannahmen der Moderne wende und Alternativen aufzeige.
Prägend für den Begriff war Jean-François Lyotards (1924–1998) Bericht Das postmoderne Wissen aus dem Jahr 1979, in dem er die philosophischen Systeme der Moderne für gescheitert erklärte. Bekannt wurde die Rede des französischen Philosophen und Literaturtheoretikers vom Ende der großen Erzählungen, worin sich auch die Kernthese seiner Diagnose ausdrückt: Lyotard spricht nicht von philosophischen Systemen, sondern von „Erzählungen“. Die einzelnen modernen „Erzählungen“ legten, so Lyotard, der Welterklärung jeweils ein zentrales Prinzip zugrunde (z. B. Gott oder das Subjekt), um auf dieser Grundlage zu allgemeinen Aussagen zu kommen. Damit scheiden sie jedoch das Heterogene aus oder zwingen das Einzelne unter eine allgemeine Betrachtungsweise, die gewaltsam dessen Besonderheiten einebnet. Lyotard setzt an die Stelle eines allgemeingültigen und absoluten Erklärungsprinzips (Gott, Subjekt, Vernunft, Systemtheorie, marxistische Gesellschaftstheorie etc.) eine Vielzahl von Sprachspielen, die verschiedene „Erzählungen“, also Erklärungsmodelle, anbieten. Lyotard wendet sich also nicht gegen Rationalität im Allgemeinen, sondern gegen eine bestimmte historische Form der Rationalität, die auf der Ausgrenzung des Heterogenen basiert. Wikipedia.de
Im Anschluss an diese Erläuterungen folgt ein Abriss der philosophischen Auslegungen und Kritiken und das Eintauchen in die Fragmentierung der Wissenschaften. Das Ergebnis ist meiner Ansicht nach „Verwirrung“ und der Einstieg zu Missverständnissen und Moden, die den Zeitgeist heute überschatten.
Loytard sprach nicht in philosophischer Rhetorik, sondern versuchte über die Missverständnisse der Modernen Epoche aufzuklären. Wie im Abschnitt „Moderne“ beschrieben führte das überbordende Wissen nach der Aufklärung und die Ordnungen, die zur Bewältigung der Gesellschaftsaufgabe notwendig wurden, nicht zu Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit, sondern schafften ein intransparentes fragmentiertes System mit neuen Eliten, die sich zwar nur noch zum Teil durch Geburt etablieren konnten, ihre Grundlage aber trotzdem wie zuvor auf Reichtum und Bildung gründeten. Die damit entstehende Macht in wenigen Händen erbrachte für das Gros der Bevölkerungen nicht die lang ersehnte Befreiung von Zwängen, wenn auch die Lebensgrundlagen sich durch die technischen Entwicklungen wesentlich verbessern konnten. Solange es aufwärts ging, war das für die Masse erträglich, aber heute scheint der Zenit offenbar erreicht und es zeichnet sich sich ein zunehmend schneller werdender Abwärtstrend ab.
Die Postmoderne ist keine eigenständige Epoche, sondern mehr eine Erweiterung der Moderne mit dem Versuch, die Fehlkonstruktion derselben zu korrigieren. Statt Einheitlichkeit sollte Vielheit die Basis bilden, die notwendigen Ordnungen in den Gesellschaften sollten diese Vielfalt zulassen und das Gesamtbild in diesem Sinne umformen. Die Versuche dazu erleben wir seit den 1980er Jahren, aber wie so oft zu beobachten erfordern solche Basiskorrekturen ein breit gefächertes Verständnis in der Bevölkerung. Das Mittel dazu kann nur eine breite Volksbildung sein, die aber aus der Tradition der Moderne heraus gerade bei mächtigen und reichen Mitbürgern auf wenig Interesse stößt. Gebildete, tolerant denkende und Freiheit anstrebende Angestellte und Arbeiter sind in Arbeitgeberkreisen nur für die oberen Ordnungsetagen und anspruchsvollen Abteilungen erwünscht. In der Masse der Produktion braucht es viele willige und unwissende Köpfe. Auch hier herrscht nun einmal Fragmentierung. Eine Vielzahl an Reformen im Bildungswesen haben eben nicht zu einer breiten Volksbildung geführt, sondern eher für eine Erziehung zu willigen und der Fragmentierung zustimmenden Mehrheit geführt. Das führt zu zunehmender Vereinzelung/Fragmentierung in der Bevölkerung, die nur wenig neue Organisationsformen zulässt, alte Formen dieser Art zerstört und damit die traditionell vorhandene Basis zementiert. Was wir heute sehen ist eine Umkehrung der Entwicklung, die nicht mehr der Masse der Menschen und ihren Interessen, sondern nur noch den Interessen der wie immer ausgestalteten Eliten dient. Vielleicht ein paar Anmerkungen zu den Entwicklungen, die im Verborgenen stattgefunden haben.