Unser Denken ist unscharf und kann die Welt, die Wirklichkeit niemals genau erkennen und daher auch nicht erklären. Weiterhin sind alle Phänomene als relativ anzusehen, das heißt sie sind immer nur unter ganz bestimmen Voraussetzungen gültig. Wir verlangen aber von unseren Mitmenschen in der Regel, objektiv zu sein, sich transparent zu verhalten und, besonders bei Spezialisten ihres Fachs, Dinge zu wissen, die gar nicht gewusst werden können. Das gilt für Ärzte ebenso wie für Meteorologen, für Politiker ebenso wie für Philosophen. Und da unsere Wissenschaftler und Techniker, unsere Politiker und Psychologen scheinbar alles wissen, alles beherrschen und alles besser können, müssen wir „einfachen Leute“ uns keine Gedanken mehr machen und einfach nur folgen. Es ist eine meiner Beobachtungen der letzten Jahre, das diese falsche Haltung immer stärkere Verbreitung findet und weite Teile der Gesellschaft erfasst hat. Sie stellt meiner Ansicht nach eine der grundlegenden Ursachen für viele Missstände dar. Wissen ist heute jedem Besitzer eines Smartphones zugänglich. Da kann sich eigentlich niemand mehr entschuldigen. Eine weitere meiner Beobachtungen der letzten Jahre stellt fest, das immer mehr Menschen zu einem Tunnelblick-Verhalten neigen und so Zusammenhänge nicht mehr erkennen, die aus einer offeneren Perspektive als vollkommen selbstverständlich betrachtet werden müssten. So kann ich zum Beispiel als ein Verfechter der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit nicht dagegen protestieren, das andere Menschen eine eigene Meinung vertreten und diese auch ausdrücken wollen. Das kommt wohl daher, das man sich scheinbar nur dort noch zu informieren gedenkt, wo die eigene Meinung vertreten wird. Das ist aber nicht mehr „sich informieren“, sondern sollte nur „sich bestätigen“ genannt werden. Es ist aber doch stets die abweichende Meinung, die dem Informationsgeschehen seine aufmerkende Würze gibt. Nun stellen die Angehörigen dieser zwei Dispositionen sicherlich nicht die Mehrheit der Menschen in unserem Lande dar, aber sie sind aufgrund ihrer Lautstärke und Präsenz in den Medien derart mächtig geworden, das sie weite Teile der öffentlichen Diskussion mittlerweile beherrschen. Was beackerten denn die Medien in der Vor-Corona-Zeit? Das waren doch Fridays for future, war Pegida, waren Feminismus und Gender-Bewegungen, waren der Brexit und seine Folgen, waren Aufmärsche einiger weniger und kriminelle Vorfälle, bei denen Russland angeblich eine Rolle spielen sollte. Unsere Medien müssen sich verkaufen, ihre Ware als Zeitschrift, Buch, Seite oder Artikel entweder an einen zahlenden Kunden weitergeben oder aber ihr Medienkonstrukt so einrichten, das Werbeeinnahmen geschöpft werden können. Dazu sind Berichte über Sensationen und Skurrilitäten besonders geeignet. Und alle diese Bewegungen und Begebenheiten sind, zumindest der gängigen politischen Auffassung nach, Skurrilitäten. Sie spiegeln beileibe nicht das wieder, was als Alltagsinhalt unserer Gesellschaft empfunden wird.