Von allen Seiten wird über die Optionen diskutiert und die Möglichkeiten gerätselt, wie und ob und warum mit Martin Schulz ein Politik Wechsel in Deutschland möglich sei oder nicht. Und es ist verständlich, wenn sich die Nutznießer der jetzigen politischen Ausrichtung entsetzt zu Wort melden und dem Neuen in die Suppe spucken möchten. Und auch die Ungeduld der linken Aktivisten, denen der Beginn des Wechsels bereits viel zu zaghaft anmutet und auch nicht radikal genug sein kann, ist verständlich. Trotzdem sollten wir alle doch die Kirche in Dorf lassen und die Zeit bis zur Wahl im September nicht sinnlos damit vergeuden, das Spitzenpersonal der einzigen Alternative (rot-rot-grün) zu verbrennen. Und diese Aufforderung geht an alle beteiligten Parteien.
Die SPD hat einen neuen Hoffnungsträger, und langsam verlässt die alte Dame ihre Lethargie und rafft sich auf, mal in neue Richtungen zu denken. Das ist gut, sogar sehr gut, und jetzt sollten alle Kritiker und Stürmer etwas Geduld an den Tag legen. Eine Volkspartei ist ein sehr großer Luxusdampfer. Einmal auf Kurs gebracht, ist dieser nicht so leicht zu korrigieren. Der Wendekreis ist riesig, und Wind und Wellen stören diesen noch zusätzlich. Wenn schon die ersten zaghaften Versuche solch hohe Wellen schlagen, wie sie Presse und Funk, Wirtschaft und Union zurzeit schon aufgrund der Ankündigung, leichte Korrekturen vornehmen zu wollen, auslösen, sollte man mit weiteren Konkretisierungen schon vorsichtig sein. Das ist richtig und gut so. Zu mächtig ist das Kartell der Globalisierer und der neoliberalen Streiter, die nahezu die ganze Medienlandschaft beherrschen. Zu mager ist die Hoffnung, dass Millionen politikverdrossene Wähler die Notwendigkeiten eines Wechsels verstehen und dafür ihre Stimme geben werden, wenn allzu hart medial gefochten wird. Im Gegenteil, sie werden eher wie in vielen Jahren zuvor wieder auf die Apelle der Meinungsmacher hereinfallen und alles so belassen wie es ist: Merkel ist unpolitisch, da droht keine Gefahr. Und Schulz könnte ein neuer Schröder werden, das wäre fatal. Also…
Liebe Grüne! Ich weiß ehrlich nicht so genau, was ich von euch halten soll. Wollt ihr wirklich immer so weiter agieren und euch auch noch vom Rest eurer Wurzeln verabschieden? Ihr wart mal Verbraucherschützer, ward Kriegsgegner und Friedensbewegung, ward Naturschützer und Öko-Aktivisten. Wollt ihr tatsächlich die FDP weiterhin rechts überholen und eine neue Bürgerpartei der gehobenen Mittelklasse bleiben. Wo sind eure Ideen für die Ausformung einer humanen Gesellschaft? VegiDay und blaue Plakette oder nur ein Kretschmann im Süden reichen nicht als Gesellschaftsentwurf. In meinen Augen seid ihr heute ein einziges Desaster! Zurück zu den Wurzeln, Freunde: Frieden, Freiheit und Bio-Gemüse, Tier- und Artenschutz und Politik für den Verbraucher, das erwarten eure Wähler von euch. Alles andere ist Bullshit!
Und zu guter Letzt die Linke, Mann, Mann? Ihr seid so kurz vor einem Etappensieg und habt nichts Besseres zu tun als euer Spitzenpersonal zu demontieren? Ihr habt drei Zugpferde, das sind Gysi, Wagenknecht und Lafontaine, und ohne diese drei seid ihr an Ende. Ist das so schwer zu realisieren? Von acht bis fünf Prozent ist der Weg nicht weit, und das Protestpotential im Armutsbereich wählt nicht oder sogar mittlerweile anders. Eine linke Partei ist auch nicht nur die Partei der ganz Schwachen, sondern auch und vor allem eine Partei der Arbeiter und Angestellten. Nur mit diesen ist eine andere Gesellschaftsform möglich. Zur Veränderung braucht es immer Mehrheiten. Das ist nun einmal unser Gesellschaftsmodell, und zur Veränderung braucht es weiterhin Medienpräsenz und eine widerspruchsfreie Linie in der politischen Auseinandersetzung. Es geht nicht, dass sich Spitzenvertreter ständig widersprechen, sich öffentlich gegenseitig kritisieren und sich niedermachen. Mann, Mann, kommt runter auf die Erde und arbeitet mit ein bisschen mehr Verstand. Und wenn ihr nicht wisst, wie das geht, orientiert euch an euren Spitzen. Die machen es nämlich richtig!
Es sind noch sechs Monate bis zur Wahl. Da fließt noch sehr viel Wasser den Rhein hinab und die Weltlage drum herum ist gerade nicht die Stabilste. Es wäre schon angebracht und nützlich, wenn das Personal der Parteien, die einen Politikwechsel wünschen, sich in der Annäherung an den Wahltermin mehr auf ihr Ziel ausrichten würden. Die Mannschaften wurden aufgestellt und haben lange schon den Startschuss hinter sich. Jetzt heißt es für alle an einem Strang ziehen. Gewinner werden nämlich erst gekürt, wenn sie das Ziel durchschritten haben, nicht wenn es Umfragehochs gibt, nicht wenn es einen Trend gibt und noch nicht einmal für die Ersten auf der Zielgerade. Streitet, wenn ihr gewonnen habt, und bis dahin: Lauft!