Seit Menschengedenken ist die Ausübung von Macht niemals von Gemeinschaften oder Räten erfolgt, sondern immer gab es einen mächtigen Mann/Frau an der Spitze, auch wenn die offizielle Darlegung sich jeweils anders gestaltete. In einem Rat gibt es meist einen Vorsitzenden, in einem Parlament gibt es einen Präsidenten, in der Regierung einen Präsidenten oder Kanzler, der durch das Gesetz ermächtigt Macht ausübt und, wie in Deutschland, die Richtlinien der Politik bestimmt. Je nach Regierungsform ist diese Machtausübung mehr oder weniger stark, aber sie ist fast immer spürbar. Der US-Präsident hat zum Beispiel mehr Macht als ein deutscher Kanzler. Er kann über Dekrete regieren, was in Deutschland nicht möglich ist. Macht ausüben in einem Parlament oder Räten zum Beispiel kann man mit der Zuteilung von Redezeiten, der Abfolge der zugelassenen Reden oder auch über eine Begrenzung der zugelassenen Sprechenden über ein Partei- oder Fraktionsmitgliedschaft. Und Macht ausüben kann man durch geschickt gestaltete Veröffentlichungen. Kein Medium kann es sich leisten, Regierungsäußerungen nicht zu bringen. Wenn diese dann aber kritisiert werden, könnte es passieren, das das betreffende Medium aus der Informationskette ausgeschlossen wird. Journalisten sind meist akkreditiert. Verlieren sie diesen Vorzug, kommt ihre Meldung zu spät, um als Qualitätsmedium bestehen zu können.
Wir leben heute in einer parlamentarischen Demokratie. Das ist, wie in mehreren Krisen der Vergangenheit zu sehen war, immer ein Nachteil gegenüber absoluten Regierungsformen. Ein Dekret ist schnell erlassen, ein Gesetz zu verabschieden erfordert die Zustimmung des Parlaments des Staates und zusätzlich anderen autonom agierenden Räten wie zum Beispiel den Bundesrat, die die Länderparlamente vertritt. Diese Verfahren benötigen Zeit, die in akuten Krisensituationen meist stark begrenzt ist. Wo Eile geboten ist, ist Sorgfalt meist fehl am Platze. Wir haben das erlebt vor nicht allzu langer Zeit in der Corona-Pandemie.
Nun ist allgemein bekannt und auch anerkannt, das Macht korrumpiert. Nur wenigen Akteuren in der langen Geschichte der Politik gelang es, dieser Falle zu entgehen. Korruption ist ja nicht allein Käuflichkeit oder Vetternwirtschaft, sondern auch der Anspruch, allein mit seinen Anhängern und Freunden das gültige Narrativ zu bestimmen und dies mit aller verfügbarer Macht durchzusetzen. So kann man ganz allgemein schließen, das jeder, der Macht auszuüben in der Lage ist, auch sich und seine Ansichten favorisiert, mit anderen Worten korrumpierbar ist. Nun ist die beschriebene Machtausübung nicht allein auf Staaten begrenzt, sondern in Firmen, Familien, Cliquen, Vereinen, u.a. gibt es ja ebenfalls meist eine mächtige Figur an der Spitze, die entweder überzeugend agiert und/oder gefürchtet ist. Nun kann man durchaus diskutieren, ob diese Konzentrationen von Macht notwendig und sinnvoll sind. Die Frage, die sich allerdings in direkter Ableitung stellt, ist die, welche Alternativen zur Verfügung stehen und wie brauchbar und realisierungfähig diese sein werden. Alle bisher erprobten Machtstrukturen strebten stets nach bereit geringer Zeit dieser Figur zu, wo einer allein alle Fäden in der Hand hält. Ob Demokratie, Diktatur, Monarchie, Oligarchie, Ochlokratie, Räterepublik, Republik, Sozialismus, Kommunismus, oder wie auch sonst die Strukturen benannt wurden, alle bergen die Gefahr der Korruption. Damit muss die Menschheit wohl oder übel leben. Ordnung schafft Macht, Macht schafft Korruption und Korruption schafft Ungerechtigkeit. Ich sehe da keinen Ausweg. Wir sollten uns meiner Ansicht nach darauf besinnen, wie Korruption eingegrenzt und reguliert werden kann. Was jedoch immer notwendig eine aufmerksame Bürgerschaft erfordert. Mit Politikfeindlichkeit, politischem Desinteresse oder LmaA wird das Eingrenzen aber nicht möglich sein.
Demokratie in Deutschland
Erläutern möchte ich hier das politische System genannt Repräsentative Demokratie in Deutschland. Zunächst einmal halte ich unser deutsches Regierungssystem nicht für eine Demokratie in Sinne des Wortes, denn Demokratie heißt: Herrschaft des Volkes. Und diese sehe ich zur Zeit nicht einmal ansatzweise umgesetzt. Betrachten wir zunächst einmal, was Wikipedia dazu schreibt:
Zur liberalen Demokratie, wie sie sich nach westlichen Mustern herausgebildet hat, gehören allgemeine, freie und geheime Wahlen, die Aufteilung der Staatsgewalt bei Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung auf voneinander unabhängige Organe (Gewaltenteilung) sowie die Garantie der Grundrechte. In einer repräsentativen Demokratie, in der gewählte Repräsentanten zentrale politische Entscheidungen treffen, haben oft Parteien maßgeblichen Anteil an der politischen Willensbildung und an der durch Wahlen legitimierten Regierung. Die Opposition ist fester Bestandteil eines solchen demokratischen Systems, zu dem auch die freie Meinungsäußerung samt Pressefreiheit, die Möglichkeit friedlicher Regierungswechsel und der Minderheitenschutz gehören. In einer direkten Demokratie trifft das Stimmvolk politische Entscheidungen direkt. Wikipedia.DE
Betrachten wir zunächst einmal die Wahlen. Wählen kann ich in Deutschland mit meiner ersten Stimme nur Menschen, die sich in meinem Wahlkreis zur Wahl stellen. Mit meiner zweiten Stimme muss ich eine Liste einer Partei wählen. Was auf kommunaler Ebene bereits umgesetzt ist, das ich aus Listen dann auch auswählen kann, wer meine Stimme bekommt und wer nicht, wird im Bund weder angeboten noch beabsichtigt. Nach meinem Verständnis gibt es ein zu starkes Übergewicht der Parteien, die per Definition nur Verbände/Vereine sind. Über die Hierarchie innerhalb einer Partei bestimmen nämlich nur die Mitglieder, ebenso wer wann und wo auf eine Liste gesetzt ist und wer wann und wo eine Funktion übernimmt. Bei zwei großen Volksparteien wie lange Zeit in Deutschland bestimmen daher nur 800.000 Menschen (SPD: 400.000 / CDU 400.000), die über den Parteivorstand repräsentiert werden, über die Besetzung wichtiger Regierungsfunktionen. Das kann und sollte auch nicht eine allgemeine freie Wahl genannt werden. Das wird auch dann nicht besser, wenn neue Parteien aufschließen. Ich empfinde meine Wahlfreiheit mit anderen Worten gesagt als massiv eingeschränkt. Dann sind in Deutschland die Aufteilung zwischen Gesetzgeber, Regierung und Justiz nicht sauber getrennt. Meistens werden Gesetze von der Regierung formuliert und eingebracht und der Gesetzgeber (Volksvertreter, Abgeordneter) hat nur noch ein Zustimmungs- oder Verweigerungsrecht, das dann zusätzlich noch durch die Parteien- bzw. Koalitionstreue, die über die Karriere des Volksvertreters einen bedeutenden Einfluss ausüben, eingeschränkt. Wir haben zwar auf dem Papier eine Gewissensfreiheit der Abgeordneten, aber jeder kann sehen, wie es darum wirklich bestellt ist, wenn es mal ein abweichendes Stimmverhalten gegeben hat. Die Regierung in Deutschland wird vom Kanzler dominiert, der das Recht hat, seine Minister zu bestimmen und/oder auch abzuberufen. Nur geschieht das in der Regel nicht, da es auch hier wiederum einen Parteienproporz gibt und schon direkt nach der Wahl bestimmt wird, wer welches Amt übernimmt und die Parteien über die Koalitionsvereinbaren bereits festschreiben, was getan werden soll/darf/muss. Jede neue Regierung erlebt wiederum eine Abhängigkeit von den Parteien, also etwa 1 Prozent der Bevölkerung in einer Zwei-Parteien-Regierung. Dann wird die Justiz zwar von „unabhängigen“ Richtern angeführt, aber diese Richter werden von den jeweiligen Regierungen ernannt. Das Minister meist auch in den Bundestag oder Landtag gewählt wurden, ist meiner Ansicht nach keine Entschuldigung. Eine Selbstverwaltung der Justiz wird in Deutschland zwar gefordert, aber das wird von keiner Partei unterstützt. Weiterhin unterliegt nach wie vor die Staatsanwaltschaften dem Regiment der Justizminister. Ich sehe hier keine Gewaltenteilung, im Gegenteil, es regieren im Prinzip fast nur noch die großen Parteien. Wenn diese dann, wie die SPD, noch über ein großes Medienimperium verfügen, und/oder die großen Medien nur noch in wenigen Händen sich befinden, die sich ausgesuchten Parteien zugehörig fühlen, dann ist auch die sogenannte vierte Gewalt (Medien) bereits schon in den Händen der Partei(en).
Alles in allem ist dieses System, das sich nach wie vor repräsentative Demokratie nennt, eigentlich nur noch eine Parteiokratie, die nur noch von ganz wenigen Personen repräsentiert wird. Was wir brauchen ist meiner Ansicht nach eine grundsätzliche Neuausrichtung in Richtung Demokratie. Dazu muss sowohl den Parteien als auch den Kammern und Institutionen einerseits neue Möglichkeiten eingeräumt werden als auch deutlichere Grenzen gesetzt werden. Parteien wären dann nur noch Ausbildungsstätten für Berufspolitiker und verlören ihren Einfluss, sobald diese in eine Kammer gewählt wurden. Dann muss die Justiz eindeutig von der Regierung getrennt agieren können. Und ich würde sogar die Koalitionen heutiger Prägung abschaffen wollen.
Exkurs: Wie könnte ein Parlament organisiert sein, ohne von Parteien abhängig zu sein? Abgeordnete, die nur ihrem Gewissen unterworfen sind, könnten sich frei und Partei-übergreifend in kleinen Fraktionen (<40) organisieren, könnten über ihre gewählten Fraktionsvorsitzenden (ein einjähriges Amt ohne Fortsetzung) einen Senat bilden, deren Aufgabe dann sowohl in der Repräsentanz als auch der Kontrolle der Regierung, die Wahl des Kanzlers (vierjährig, wird jährlich bestätigt, der Kanzler ist weder Fraktionsvorsitzender noch Abgeordneter…) als auch die Kontrolle der Ministerien unterliegt, die sich überwiegend selbst organisieren. Neue Gesetze und/oder eine Änderung solcher benötigen immer entweder eine einfache Mehrheit im Senat oder werden im Ausschuss und abschließend im Plenum bearbeitet. Kanzler und Minister (aus den Ministerien berufen) stellen die Exekutive. Sie wären dann immer Fachleute, könnten Beamtenstatus erhalten und so nur dem Staat verpflichtet sein. Ich denke, gewählten Volksvertretern muss diese Selbstorganisation zugemutet werden können. Gleiches gilt dann auch für die Justiz, die von der Regierung vollkommen unabhängig sein muss. Bleibt noch zu klären, woher die Wahllisten kommen sollten. Sie verblieben erst einmal bei den Parteien, können auch wie gesetzt bleiben, sollten aber immer auch die Möglichkeit beinhalten, bestimmte Personen durch den Wähler auszuschließen oder zu bevorzugen. Bei Kommunalwahlen geht das doch auch, und wir verfügen über moderne elektronische Systeme, die die Auszählungen übernehmen könnten. So in etwa würde ich mir das im Ansatz einmal vorstellen, ohne das bestehende System grundlegend verändern zu müssen. Da ist aber immer noch viel Luft nach oben, sprich in Richtung echter Demokratie.
So wie Demokratie in Deutschland gelebt wird und sich organisiert, ist mit dem Begriff „Herrschaft des Volkes über sich selbst“ nicht zu umschreiben. Abgeordnete müssen Abgeordnete sein und das auch bleiben. Minister sollten Fachleute aus den Ministerien sein. Auch der Kanzler sollte wie der Präsident mit Amtsbeginn sein Abgeordneten-Mandat aufgeben. Er wird schließlich Staatsdiener und kann sich nicht selbst kontrollieren. Die Justiz muss sich selbst organisieren und vollkommen unabhängig sein. Hier könnten wir uns an zum Beispiel Dänemark orientieren. Weiterhin sollten bedeutende Entscheidungen mit einem Volksentscheid vonstatten gehen. Das wären zum Beispiel Einschränkungen der Grundrechte (wie in der Coronakrise), Kriegs- und Verteidigungsfragen (Thema Ukraine), Bündnisentscheidungen (Nato-Teilhabe, z.B. an Kriegen), Wirtschaftskriege (Sanktionen gegen Staaten), Währungsfragen (Zinspolitik), EU-Gemeinschaft (Abgabe von Kompetenzen) und so weiter. Alle Jahre mal wieder ein Kreuz auf einen Zettel machen können ist keine Demokratie. Wenn es Volksvertreter gibt, obliegt ihren Händen auch die Macht. Sie kann nicht an Vereine oder Verbände bzw. deren Repräsentanten abgegeben werden, wie sie die Parteien darstellen. Und Abgeordnete teilen sich nicht in Regierungspartei und Opposition (Die Letzgenannte ist nach heutigen Regeln machtlos, vertritt aber nahezu die Hälfte der Wähler.). Schließlich vertreten alle gemeinsam das Volk, das sie gewählt hat. Der Volksvertreter ist nur sich selbst und seinem Gewissen verpflichtet, sagt das Gesetz, und somit darf keine Partei Einfluss nehmen dürfen/können.