Liebe Spiegel-Redaktion!
Also bei allem Respekt, Verständnis und Toleranz zu anderen Meinungen: Die Behauptung des Soziologen Bude, dass das Auftreten der AfD auch nur im Geringsten mit dem Auftreten der Friedensbewegung und der Jugendproteste in der Zeit von 1968-80 zu vergleichen wäre, entbehrt jeder Grundlage und ist eine Beleidigung für eine ganze Generation. Das ist nicht nur ideologisch hinterhältig, sondern sowohl historisch, wie politisch und gesellschaftlich falsch.
Zitat: Die ideologischen Wurzeln der AfD reichen tiefer, zurück in jenes Jahrzehnt des Widerstands, in dem sich die erste außerparlamentarische Opposition bildete, deren parlamentarischer Arm dann die Grünen wurden. Gegen das Establishment zu stehen, die Herrschenden, das System, das ist die Botschaft, die aus einem Gefühl erst Politik und dann Rebellion macht. „So unterschiedlich ihre Wähler sind, sie können sich alle darauf verständigen, dass in unserem politischen System etwas grundsätzlich falsch läuft“, sagt der Soziologe Heinz Bude, der sich die neue Partei genau angesehen hat. „Diese System Feindlichkeit, die früher vor allem der Linken attestiert wurde, ist heute für die AfD programmatisch.“
Die Friedens- und Ökobewegung dieser Jahre entstand aus einem gesellschaftlich und politisch veralteten und verknöcherten System, das sowohl Andersdenkende als auch deren Lebenswege nicht nur ignorierte, sondern aktiv bekämpfte und dabei Mittel einsetzte, die sonst nur in Diktaturen aufzutreten pflegen. Ich denke da an die Einsätze mit Wasserwerfern, Knüppeln, Tränengas, Verhaftungen, Kessel und verletzten Demonstranten nicht nur durch unsere Polizei, sondern auch ausgehend von Sicherheitsmannschaften befreundeter Staaten (Iran). Gerade der Spiegel und sein Kampf gegen Verteidigungsminister Straus sollte davon sehr viel wissen und sich auch erinnern.
In den Bewegungen ging es um viele Forderungen. Es sind so viele, dass sie nur in einer Aufzählung behandelt werden können; nur einige mögen genannt sein:
- nach Beendigung des Vietnamkrieges
- um die Gleichberechtigung der Frauen
- den Versuch, den Einsatz von Kernkraft zu verhindern
- gegen von der Industrie verursachte Umweltschäden beträchtlichen Ausmaßes
- um freie Presse und Demonstrationsfreiheit
- um die Erhaltung von Naturschutzgebieten
- um den Rücktritt von aktiven NSDAP-Aktivisten aus Politik und Wirtschaft
- um sexuelle Freiheit und Freizügigkeit
und viele andere Themen, die es heute gar nicht mehr so gibt, weil diese Ideen und die Vorstellungen mittlerweile weitgehend umgesetzt worden sind. Und gerade der Spiegel und seine Redaktion müssten sich daran erinnern, denn ihre Vorgänger waren ein wesentlicher Teil dieser Aufbegehrenden.
Schauen wir uns im Gegensatz dazu mal die Themen der AfD an:
- Fremdenfeindlichkeit
- Angst vor Unordnung und allem was irgendwie neu ist
- Rechtsradikalismus
- Hass auf die Presse, auf Politiker, auf Medien und Andersdenkende
- Europa abschaffen
- Die D-Mark wieder einführen
Viel mehr ist da, zumindest bis jetzt, aus meiner Sicht nicht zu finden. Von der AfD wurden bislang keine neuen Lösungen angeboten, keine Vorstellungen entwickelt, keine Alternativen aufgezeigt, die auch nur ansatzweise mit den Grundsätzen unserer Verfassung machbar wären. Es sind die ganz alten Lösungen, die schon früher nicht funktionierten und die eine ganze Generation gegen sich aufbrachten. Sie proklamieren sogar wider sinnigerweise ein System, das eine AfD- oder Pegida-ähnliche Bewegung, die in ihm entstehen würde, mit allen Mitteln des Staates bekämpfen müsste. Zu den strafrechtlichen Schritten, denen viele Mitglieder dieser Partei eigentlich ausgesetzt sein müssten, wenn unsere rechtslastige Ordnungsmacht sich nur mal aufraffen könnte, gegen Gesinnungsgenossen genauso vorzugehen wie gegen die politischen Gegner, einmal ganz zu schweigen.
In vielen Formulierungen und Ansätzen ist in dem Artikel sehr deutlich die Feder von Jan Fleischhauer zu finden. Seine Gewohnheit, sich aus tausend kleinen Puzzlestückchen (Bekleidung der Kanzlerin, überwiegend Jahrzehnte alte Details aus längst vergessenen Tagen, Jugendsünden) nur diskreditierendes herauszusuchen und zu einem Bild zusammenzufügen, ist schon keine üble Machenschaft mehr, sondern meiner Ansicht nach dem Begriff „Propaganda“ schon sehr nahe. Versucht da etwa ein Journalist mit Rufmordkampagnen Politik zu machen und wer mögen wohl die geförderten Figuren sein, die davon profitieren könnte: Seehofer vielleicht, oder doch Schäuble?
Zitat: Sie war eine geschiedene Physikerin aus dem Osten, die viele Jahre in einer heruntergekommenen Wohnung im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg verbracht hatte und in wilder Ehe mit einem Chemiker zusammenlebte. Anfang der Neunzigerjahre wirkte sie mit ihren bodenlangen Röcken wie eine Praktikantin der Grünen, die sich beim Gang durch den Bonner Bundestag in der Tür geirrt hatte. Auch als sie erstmals Kanzlerkandidatin der Union werden wollte, ließen die Herren aus dem Westen spüren, dass sie nicht zum Establishment gehörte. In der CSU hieß es, man dürfe der „Zonenwachtel“ nicht das wichtigste Amt der Republik überlassen.
In einem Kommentar wäre das wohl nur eine schräge Meinungsäußerung. Was hat das noch mit Politik, Stand 2016, zu tun? Dass das aber in einem Artikel gedruckt werden durfte, diskreditiert die ganze Redaktion des „Spiegel“, weil Artikel nämlich überwiegend erst mal informieren sollten. Mit Journalismus aber hat das so nichts mehr zu tun. Einer BILD möge man das verzeihen, dem Spiegel aber sicher nicht! Er folgt so der SPD, die ihre Wähler hintergangen hat, und jetzt am Boden zerstört bei 15-20% herumdümpelt. Auch Leser gehen verloren, nur wählen die nicht, sondern die kündigen.
Hanspeter Sperzel (21.03.2016)