Wenn wir heute auch nur oberflächlich die Zeitungen lesen, werden wir ganz bestimmt mit nachfolgenden Aussagen konfrontiert: Wir werden von Russland aus einer militärischen Bedrohung ausgesetzt, auf die wir reagieren müssen. Wir werden die aktiven Streitkräfte mittels des Wehrdienstes um 80.000 Männer und Frauen auf 260.000 erhöhen, wobei die Bundeswehr dann mit Reservisten insgesamt 460.000 Kämpfer haben wird. Der 2plus4-Vertrag erlaubt der Bundeswehr eine Truppenstärke von 370.000 Männern und Frauen. Wir werden jährlich die Ukraine mit 9 Mrd. Euro unterstützen. Deutschland müsse aufrüsten und wieder kriegstüchtig werden. Der Sozialstaat, den wir heute haben, ist mit dem, was wir volkswirtschaftlich leisten, nicht mehr finanzierbar. Diejenigen, die für 530 Euro im Monat arbeiten, denen muss man mal die Frage stellen: Warum könnt ihr nicht auch für 2200 Euro arbeiten? Der Bundeshaushalt wird mehr als deutlich zusammengestrichen. Wir müssen sparen, so der Finanzminister. Die Bundesregierung möchte Soldaten zu Absicherung einer Friedenslösung in die Ukraine schicken. Sie müsse Verantwortung tragen. Die deutsche Wirtschaft schrumpft weiter. Das bisher Beschlossene (?) reiche nicht. Wichtig wären weitere Strukturreformen. Ich (DIW-Chef) fordere von den Rentnern ein soziales Jahr.
Also versuchen wir mal, das ganze Aussagengefüge etwas Realitätsnah zu erhellen.
Russland hat geschätzt etwa 150 Mio. Einwohner und ist mit 11% der Weltlandfläche das größte Land der Weltgemeinschaft. 1 Ihr gegenüber stehen die 32 Nato-Staaten und deren Freunde mit der zehnfachen Einwohnerzahl und einer vergleichbar großen Fläche. Ich frage mich daher: Warum sollte Russland Westeuropa angreifen? Was könnte es gewinnen außer unwilligen Untertanen, die mühsam unterdrückt werden müssten? Anders herum allerdings würde es argumentativ schon besser aussehen. Westeuropa würde sich gerne nach Osten ausdehnen, die Bodenschätze dort genießen und den menschenleeren Osten Russlands ausbeuten. Haben wir in Europa das nicht schon über JH in der ganzen Welt immer wieder getan. Es ist doch das Geschäftsprinzip der europäischen Wirtschaft, andere auszubeuten. Für mich persönlich hat Russland keinen Grund, Westeuropa anzugreifen, es sei denn, wir bedrohen es oder greifen es an, wie es schon in den vergangenen 200 Jahren immer mal wieder geschehen ist. Westeuropa ist nicht von Russland bedroht. Das Gegenteil dagegen hat historisch und argumentativ begründet deutlich mehr Gewicht.
Wenn Deutschland seine Truppenstärke auf 370.000 Kämpfer unter Waffen aufbauen möchte, wird das mit freiwilligen Berufseinsteigern, also Berufssoldaten nicht möglich sein. Von daher wird wohl die Wiedereinführung der Wehrpflicht notwendig sein. Irgendwer wird die Unmenge an Waffen und Munition für den nichtatomaren Kriegsfall ja warten und bedienen müssen. Weiterhin will Deutschland dauerhaft und jährlich ab 2029 153 Mrd. € für die „Verteidigung“ und weitere 66 Mrd. € für Verteidigungs-nahe zivile Projekte ausgeben. Nun frage ich mich, wer wird uns wohl angreifen wollen? Da alle unsere Nachbarländer der Nato angehören und „Freunde“ sind, kann da ja wohl nur Russland gemeint sein. Das erste Scenario: Russland schluckt die Baltenstaaten, übernimmt und überwältigt die Ukraine und Polen und will dann konventionell mit Panzern und Drohnen bis zum Rhein vordringen? Und um diesen Plan zu vereiteln, wird die Bundeswehr nach erfolgreicher Aufrüstung das russische Militär über die heutige Ukraine hinaus bis nach Moskau zurückdrängen? Da stellt sich doch die Frage, was Russland wohl tun würde, sollte dieses Szenario wirklich wie geplant eintreten? Zwei Wasserstoffbomben – Russland hat wahrlich genug davon – gut platziert und zentral über Deutschland abgeworfen würden doch sofort den Krieg entscheiden. Und die USA würden dann ihrer Zusage nachkommen und ihr heiliges Land der „Freiheit“ opfern, um an den Russen Rache zu nehmen? Ich weiß ja nicht, wie viel LSD man ausgeben muss, um eine solche Story erfolgreich in menschlichen Bildungshirnen zu verbreiten. Das ist doch Hühnerkacke in höchster Potenz. Das zweite Szenario: Westeuropa überredet die USA mit ihnen gemeinsam gegen Russland vorzugehen. Dazu schickt es 30.000 Soldaten in die Ukraine als Unterstützung der Armee dort? Zuhause werden dann Wehrpflichtige gebraucht. Also ob 30000 zusätzliche Kämpfer mehr ausrichten könnten als den Krieg um ein-zwei Monate zu verlängern. Dazu müssten die USA den Luftraum der Ukraine sichern und die Drohnen der russischen Armee bekämpfen. So stellen sich unsere Willigen das so vor, als ob die USA gegen die technische Überlegenheit russischer Waffen etwas ausrichten könnte. Wo eine SU35 am Himmel erscheint, verziehen sich die Natojets innerhalb Sekunden. Sie wissen, warum. Von den russischen Hyperschallwaffen – im Westen bisher nur im Experimentierstadium vorhanden – will ich gar nicht erst anfangen. Gegen die gibt es keine Verteidigung. Die Ukraine hat dieses Jahr schon 370.000 Soldaten verloren. Wie lange werden die 30.000 Natosoldaten ohne Kampferfahrung und schlecht ausgerüstet wohl durchhalten? Das zu errechnen genügt ein einfacher Dreisatz. Nun will die USA aber nicht mehr Krieg führen, und ich denke, auch die dort Regierenden wissen schon warum. Wäre das ein realistisches Szenario? Hört sich nur gut an, wenn man nicht von dieser Welt ist, würde aber wohl nur 30.000 neue Gräber in Westeuropa schaufeln. Russland will keinen Waffenstillstand, sondern Frieden an seiner Grenze. Und Trump denkt mittlerweile wohl ebenso. Es wird also keine Pause geben, um die Ukraine wieder Kriegsfest zu machen und ein weiteres Mal hochzurüsten. Das ist doch wohl das Ziel der Willigen mit ihrem Waffenstillstand. Sie denken wohl, sie könnten Putin auf die gleiche Weise ein drittes Mal über den Tisch ziehen. Sorry, aber das ist mehr als unrealistisch. Das war’s wohl für West-Europa: Krieg verloren und nachhaltig sein Image versaut. Das Einzige, was Deutschland und seine Anrainer schützen und vor allem nutzen könnte ist eine friedliche Koexistenz mit allen Völkern dieser Erde. Und dazu müsste man grundlegend umdenken und den Worten Frieden, Freiheit, Gleichheit, Diplomatie und Zusammenarbeit eine ganz neue Definitionen geben.
Wir werden nach heutigem Plänen die Ukraine jedes Jahr mit 9 Mrd. € unterstützen, haben aber kein Geld mehr, um im eigenen Land die Ärmsten der Armen mit Beihilfen zu unterstützen. Die Streichung von 5 Mrd. € im Bürgergeld ist im Gespräch. Wir haben Geld für Krieg aber nicht für die Notleidenden zu Hause? Super Idee. Wie viele Jahre wird es dann wohl dauern, bis diese Armen wie eine Armee – man beachte die Wortherkunft – wohl auf allen Straßen und Plätzen unserer Städte demonstrieren. Und dazu gesellen werden sich die Bürger, die das Schließen von Schwimmbädern, Jugendhäusern, Frauenhäusern und anderen sozialen Einrichtungen nicht länger dulden möchten. Eine Gesellschaft steht und fällt mit dem Zusammenhalt und einer relativ sicheren Existenzgrundlage aller Bürger. Wird dies missachtet, ist von Protest bis Revolution alles möglich. Oder ist die geplante konventionelle Aufrüstung gar nicht dazu vorgesehen, den Staat nach außen, sondern eher nach innen zu verteidigen, weil die Gier der Besitzenden sich nicht mehr lange verstecken lassen wird? In US-amerikanischen Städten patrouilliert das Militär schon. Die USA sind doch nach wie vor unser Vorbild, dem wir nicht nur nacheifern, sondern sogar dienend (Habeck) gegenüberstehen. Auch GB und Frankreich werden mit Militär im Inland nicht mehr lange auf sich warten lassen. Dort spricht man schon vom beginnenden Bürgerkrieg. Aber das alles ist doch in Deutschland unwahrscheinlich, oder? Wehrpflichtige sollen im eigenen Land für Ordnung sorgen, während wir irgendwo unselige Kriege führen? Hatte man gerade deshalb nicht die Wehrpflicht mal abgeschafft? War es nicht so, das Wehrpflichtige nicht im Ausland kämpfen und sterben sollten, weil das im Innern wieder nur Frust und Widerstand erzeugen wurde? Also ich kann mich der Schlussfolgerung nicht entziehen, das die Begründungen und Motive der Politik westeuropäischer Staaten mit ihre Panikmache heute doch wohl nur noch von Kaffeesatzlesern und Glaskugelbesitzern gestaltet sein kann. Mit Realismus hat das alles nichts mehr zu tun. So verquer kann doch ein Bildungsbürger gar nicht sein, um all diesen Unsinn zu glauben.
- Zum Vergleich: China besitzt 6% der Weltlandfläche und hat 1,4 Mrd. Einwohner. Deutschland hat 84 Mio. Einwohner und besitzt 0,2% der Weltlandfläche. Die USA sind in etwa so groß wie China und hat 340 Mio. Einwohner. ↩