Früher habe ich die Menschen um mich herum und natürlich auch die Prominenz, über die ich regelmäßig Nachrichten und Infos bekomme, in mehr oder weniger Optimisten und Pessimisten unterteilt. Und im Moment scheint es so zu sein, dass in dieser Teilung noch die Extrempositionen vorkommen, die ich jetzt schnell mal mit „untersteigendem Pessimismus“ (schließt ein Gelingen aus) und „übersteigenden Optimismus“ (schließt ein Scheitern aus) benennen möchte. Warum ist das so auffällig?
Optimismus und Pessimismus sind in meiner Definition nicht Gegensätze, sondern Polaritäten. Sie unterscheiden sich also nur in der Weise, das eine andere Ausgangsperspektive eingenommen wird. Das schöne Beispiel von halbvollen und halbleeren Gläsern trifft diese Sichtweise sehr genau. Im Grunde ist es gleichgültig, denn beide Sichtweisen beschreiben die gleiche Wirklichkeit, nur nimmt die eine Sicht das Leere als Ganzes, und die andere das Volle. Die Ansicht, das Optimismus grundsätzlich das Gelingen, während der Pessimismus das Scheitern voraussetzt, ist naiv, denn beide können die Möglichkeit und das Erscheinen des anderen niemals ausschließen. Was die beiden eigentlich nur trennt ist die sprachliche Ausprägung oder die Frage, welche Aussage im ersten oder zweiten Satzteil erscheint.
- Es wird ganz sicher klappen, sagt der Optimist, und wenn nicht, dann…
- Es kann schiefgehen, meint der Pessimist, und wenn dem so ist, dann…
Also ich sehe darin jetzt keinen wirklichen Unterschied. Was sich geändert hat in neuer Zeit ist die Tatsache, dass besonders Politik mehr und mehr dazu neigt, den zweiten Satzteil gar nicht erst zu formulieren, und mehr noch, ihn zum Teil vollkommen auszublenden. Ob „wir schaffen das“ der Kanzlerin oder „wir sind das Volk“ einer Minderheit oder „das ist Alternativlos“ als Doktrin oder „einzig eine europäische Lösung ist möglich“ als Grundannahme, immer wird ein Scheitern-Können oder Unrecht-Haben-Können vollkommen ausgeblendet und gar nicht erst in die Debatte eingebracht. Und keiner der Beteiligten hat einen Plan B, geschweige denn einen Plan C, die bei einem Scheitern vor einer Katastrophe schützen könnten. Und das Maßnahmen, die nicht zum Ziel geführt haben, auch zurückgenommen werden könnten, scheint ganz in Vergessenheit geraten zu sein. Hier wird das Element Strategie nahezu vollkommen aufgegeben, das scheint noch nicht einmal mehr Taktik zu sein, sondern ist einfach nur die Naivität einer absoluten Gläubigkeit, ist einfachstes Schlagwortdenken. Es wird schon „schiefgehen“, sagt optimistisch der Volksmund zu Recht, denn ein Scheitern-Können müsste eigentlich immer eingebunden sein.
Und jetzt wird das Schicksal von vielen armen Menschen alternativlos einem Despoten anvertraut. Was machen wir denn, wenn dieser sich auch in der Flüchtlingsfrage so verhält, wie er es schon in vielen anderen Situationen vorgeführt hat? Den Kopf in den Sand stecken? Ja nicht darüber nachdenken? An den Gräbern beten?
Man kann es nie allen recht machen. Das ist jedem klar. Aber Entscheidungen beruhen immer auf einer Frage. Und die Frage hier ist doch die nach dem Schutz dieser Menschen. Und diese Menschen haben ein Recht auf Schutz und dabei, zumindest aus deutscher Sicht auch ein Recht auf Würde. Alle Mitglieder der Vereinten Nationen haben das Recht auf Schutz von Flüchtlingen zugesagt. Und unser Grundgesetz beschreibt eindeutig: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Da steht nicht „deutscher Mensch“ und auch keine andere Einschränkung. Und eine Lösung, die das nicht sicherstellt, ist keine Lösung, sondern eine Entscheidung gegen Gesetz und Menschlichkeit.
Politik hat auch die Aufgabe, sich zu überlegen, was zu tun sei, wenn ein Plan, ein eingeschlagener Weg nicht funktioniert. Und sie hat zu jeder möglichen Fragestellung eine regelkonforme Lösung anzubieten.
- „Das war es dann“ ist immer zu wenig.
- „Hat nicht geklappt“ und das Geld ist weg, ist nicht schön, aber verkraftbar.
- „Hat nicht geklappt“ und jetzt haben Menschen das Leben verloren, geht niemals. Das ist wirklich alternativlos!