Grossmachtspiele

Großmächte beanspruchen nicht erst seit gestern, in der Regel um ihr Staatsgebiet herum und in den Regionen der Welt, wo wirtschaftliche und versorgungstechnische Bedürfnisse auf dem Spiel stehen, Einflusssphären, in denen sie politische und technische Entwicklungen in ihrem Sinne manipulieren und bestimmen. Für Russland sind das die angrenzenden Länder um das Staatsgebiet auf europäischer Seite, für die USA ist das Westeuropa, Latein- und Mittelamerika und der nahe Osten mit seinen Erdölvorkommen, für China ist das die Mongolei und Tibet. Soweit ich mich recht erinnere wurde dieses in der Schule im Fach Staatskunde auch ausdrücklich so beschrieben und als eine unschöne, aber wohl nicht änderungsfähige Tatsache anerkannt.


Daraus entwickelte sich unter anderem mit der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen ein Gleichgewicht des Schreckens, das uns viel Kraft und Energie gekostet, aber uns auch einen langen Frieden beschert hat. Soweit sollte jeder die Verhältnisse auf dieser Welt erkennen und als allgemeines Wissen auch, allen Ideen und Fiktionen zum Trotz, als Grundlage jeder politischen Abwägung voranstellen. Das dabei Feindbilder gebraucht und notfalls neu gebaut werden, ist keine Neuerung und auch verständlich.
Neu ist in unserer Zeit, dass versucht wird, über nicht-militärische und nicht-politische Wege das Machtgefüge des anderen zu treffen und zu zerstören. Das hierbei heute mit Computertechnologie gearbeitet wird, somit Märkte und Willensbildung sprich Wahlen manipuliert, Handelswege verbaut, abgeschnitten und missbraucht werden können, ist ein erstmalig auftretendes Phänomen, das direkt mit der Schnelligkeit von Information und deren Verarbeitung zu tun hat. Somit ist unsere Situation neu, vollkommen neu und kann und darf nicht mit alt hergebrachten Denkmustern angegangen werden. Hinterhalte anzulegen, falsche Nachrichten zu verbreiten, einzelne Funktionsträger zu bestechen, heimliche Truppenbewegungen, neue Waffensysteme oder Blitzangriffe gehören in den entwickelten Teilen der Welt der Vergangenheit an. Russen und Chinesen wissen, wo jedes Fahrzeug und jedes Schiff des Gegners USA sich gerade befindet, wissen, hören und sehen mit, wenn neue Waffen und Technologien entwickelt und getestet werden. So zu tun, als wären die Verhältnisse eines James Bond Filmes in dieser Welt möglich, ist nur noch unter dem Begriff „Volksverdummung“ einzuordnen.
Was wir brauchen ist ein politischer Neuanfang, der diese neuen Voraussetzungen berücksichtigt und eine Strategie einschlägt, die einerseits das klassische Machtgefüge zur Erhaltung des Friedens bewahren, ihre negativen Auswirkungen aber überwinden kann. Kriege zwischen Atommächten sind nicht mehr möglich, und wir sollten diese Tatsache endlich begreifen und gefährliche Spiele unterlassen. Gefährlich sind Stellvertreterkriege, gefährlich sind Regime-Change-Aktivitäten und Manipulationen in der Einflusssphäre des anderen, sind Heimlichkeiten und Hinterzimmer-Verschwörungen und alles, was danach aussieht. Und gefährlich ist das Aufsteigen einer weiteren Großmacht, die das stabile Gefüge stören wird und neue Möglichkeiten eröffnet. Mit Europa versucht gerade eine neue Macht sich zu etablieren, und es nutzt dabei die politischen und wirtschaftlichen Schwächen der Großmächte Russland und USA. Wirtschaftlich angeschlagen sind beide, die USA durch den technologischen Umbruch und die daraus resultierende Verarmung seiner Mittelschichten, Russland durch seine Abhängigkeit vom Rohstoffhandel mit Öl und Gas. Politisch scheint Russland stabil zu sein, die USA hingegen befinden sich in einem erbarmungslosen Machtkampf zwischen einem fundamentalem Utilitarismus (Republikaner) und einer schwach ausgeprägten Liberalität (Demokraten), der noch dazu auf einem Niveau ausgetragen wird, der nur noch „unterirdisch“ genannt werden kann. Bush und Obama waren als Präsidenten schon dürftig, was aber jetzt auf uns zukommt, ist mit erbärmlich nur schwach definiert. Vor der Wahl zwischen Trump und Clinton erscheint für Europäer paradox, wäre zu vergleichen mit der Wahl zwischen Pest und Cholera.
Für uns Europäer stellt sich nun nicht die Frage, ob und in welcher Weise wir als Großmacht uns installieren wollen, sondern uns sollte die Stabilität des bestehenden Machtgefüges beschäftigen, indem wir die politische Schwäche unserer Leitmacht ausgleichen und ergänzen. Und wir sollten versuchen, die wirtschaftliche Schwäche Russlands, die durch die Ölpolitik unserer Einflusssphäre und durch unsere Sanktionen verursacht wird, zu mildern. Großmächte neigen dazu, in Zeiten einseitiger Schwäche militärisch zu agieren, schön zu sehen in Vietnam und Afghanistan/Irak für die USA, und in Tschetschenien und jetzt in Syrien für Russland. In allen Fällen wurde versucht, eine politische und/oder wirtschaftliche Schwäche durch militärische Erfolge zu kompensieren. Europa und vor allen anderen Deutschland sind reine Wirtschaftsmächte. Militärisch betrachtet sind wir Zwerge, und uneinig dazu. Wir sollten unsere Kraft nutzen, um die Großmächte Russland und USA zu stabilisieren und das Gleichgewicht zu erhalten, um auch weiterhin in Frieden und Freiheit leben zu können. Einseitigkeiten, wie wir sie im Moment pflegen, sind kontraproduktiv und schädlich. Wir brauchen starke Großmächte in Russland und Amerika für den Erhalt der Friedensordnung unserer Zeit. Eine veränderte Friedensordnung wäre ja vielleicht denkbar, aber sicher nur auf den Trümmern Europas zu erreichen. Wo sonst würde ein Krieg wohl stattfinden? Wollen wir das? Ich denke nicht!
Sich auf militärische Spiele von Großmächten einzulassen und dafür Steigbügelhalter zu spielen wie Merkel das gerade mit den USA praktiziert, ist gefährlich. Sich wirtschaftlich schwachen Mächten unterzuordnen wie Merkel und Gabriel das mit CETA und TTIP versuchen, ist nur eine Schwächung der eigenen guten Position. Und einen Außenminister, der als einziger in der Regierungsparteienlandschaft zu verstehen scheint, wie Weltpolitik funktioniert, zum Bundespräsidenten zu degradieren ist geradezu fahrlässig und würde politischen Zwergen wie Seehofer das Feld überlassen. Eine absurde und zudem gefährliche Vorstellung!

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