Glosse in Zeit Online / Kultur vom 14. Sept. 2016

Kommentar zu Zeit Online „Wir hatten eine schöne Zeit“ von Magnus Klaue
Glosse in Zeit Online / Kultur vom 14. Sept. 2016

Was mir beim Leser dieser Glosse sofort in den Sinn schoss war das deutsche Sprichwort: „Schuster, bleib bei deinen Leisten“, denn hier hat ein Glossenschreiber zwar den Weckruf der Philosophie vernommen, ihn aber nicht verstanden und als direkte Antwort mit Mainstreamsülze geantwortet, einem verkochten Brei des immer wiederkäuenden neoliberalen Einheitsbreis, der den Medien den proletarischen Ausdruck Lügenpresse und das akademische Pendant Lückenpresse eingebracht hat.

Philosophie, Herr Klaue, ist eine fragende Wissenschaft. Sie hält keine Antworten parat und soll zum Denken anregen, genau gesagt zum unvoreingenommenen Denken. Und davon kann ich in Ihrer Glosse nichts, absolut nichts finden. Hier wurden im Gegenteil alle Register gezogen, Nachdenken zu verhindern und mit allen Mitteln versucht, etwas Anregendes zu verleumden, in den Schmutz zu ziehen und zu veralbern. Albern aber ist ihre Glosse, nicht das Schreiben von Byung-Chul Han. Was Sie versucht haben ist eine plumpe Umwertung von Aussagen, die Sie ihrer eigene Phrasendrescherei, ihrem eigenen Habitus (Gewohnheit im Fühlen, Denken und Handeln) und ihrer eigenen Erwägungen vergebens anzupassen versuchen.  Herausgekommen sind daher leider nur erbärmlich schwache Zeilen voller Ressentiments.

Exkurs: Beim Lesen von Philosophie mit Wahrheiten zu rechnen gelingt nur bei Philosophen, die glaubten, im Besitz der Wahrheit zu sein und dem Verpassten in seltenen melancholischen Ausbrüchen nachtrauerten. Die können Sie als Anregung vergessen. Wer Antworten bei Sinnfragen gibt hat das Problem nicht verstanden, denn Wissen gibt es nur in der physischen Welt, nicht im Psychologischen. Hier kann nur Anregung als Frage gestellt werden wie zum Beispiel die fehlende Negativität,  die Sucht nach dem Glatten oder der Terror des Gleichen, und eine Antwort zu finden ist die Aufgabe des Lesers. Fehlt Negativität wirklich, ist Glattes oder Gleiches für mich immer richtig? Wenn Sie sich um eine Antwort drücken wollen, ist das ein Problem des Lesers, nicht das des Philosophen. Er fragt, der Leser antwortet für sich selbst. So geht Philosophie. Und Byung-Chul Han ist ein Meister des anregenden Fragens. Ihn nicht zu verstehen ist keine Schande, aber ihn nicht verstehen kann nicht die Grundlage einer Literaturkritik in einem Leitmedium sein.

Also ich kann das Buch von Han nur empfehlen. Es ist brilliant geschrieben und vermittelt eindrucksvoll und nachhaltig Einsichten in die neoliberal gestalteten Gesellschaften der sogenannten westlichen Welt. Trauen Sie sich. Es gibt viel zu entdecken.

han-anderen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert