Ein Versuch zum Narrativ „Arbeit“

Im Folgenden noch ein paar soziologische Grundlagen, die zur einer klareren Sicht verhelfen können. Wir leben heute in der Post-Modernen, das heißt in einer Gesellschaftsstruktur, in  der viele Organisations- und Identifikationsstrukuren zerschlagen, zersplittert oder sogar pervertiert sind. Nehmen sie als Beispiel die Gewerkschaften, die Verbraucherschutzorganisationen, die Prüfstellen für Zertifizierungen, Behörden, und sogar die Friedensbewegung, die Parteien, die öffentlich Rechtlichen usw. Für das Arbeitsleben wurden immer mehr Gesetze, die den Schutz der Arbeitnehmer sichern sollten, aufgeweicht und „reformiert“, also mit Hintertürchen versehen. Sogar die Familie, das Tabu des Konservativismus, ist so gut wie zerschlagen. Was un-zerschlagen bleibt ist die Nation, nur oftmals größer gedacht als bisher. Nicht Deutschland, sondern Europa wurde das Ziel. Es gibt mehr Patchwork-Familien, Alleinerziehende, in blanker Armut und Not lebende Familien als je zuvor, und die Zahl der Scheidungen hat die 50%-Marke bereits überschritten. Ist also Familie in der bisher erzählten Form noch zeitgemäß? Wollen oder müssen wir sogar immer weiter aus dem Sozialgefüge aussteigen und zu sich selbst vermarkenden Einzelkämpfern auf einem von Konzernen beherrschten Finanzmarkt werden? Ist Internationalismus denn wirklich schon sinnvoll, wenn Staatengemeinschaften wie die EU oder die UN keine gültigen, also für alle verbindlichen Rechtsgrundlagen schaffen konnten? Und ist die Umrechnung von alles und jedem in (Human-) Kapital wirklich die endgültige Lösung als Gesellschaftsgrundlage der Menschheit? Ich kann diese Fragen nicht beantworten. Dazu braucht es Spezialisten. Aber, und das ist die Frage, die mich umtreibt, in wessen Auftrag arbeiten die dann?

Wir kamen bis in die 90er aus der Moderne, einer Zeit, in der ebenfalls viele alte Strukturen zerschlagen wurden. Der Bauernsohn konnte plötzlich Arzt werden und gesellschaftlich im Statusdenken aufsteigen, der Anwaltssohn konnte Kfz-Mechaniker werden, also gesellschaftlich (zumindest im Statusdenken) absteigen. Die Ehe als Institution wurde zwar angekratzt, aber die Familie wurde in den Grundlagen nicht beseitigt. Die sexuelle Befreiung, die Gleichberechtigung, die Freiheit der Meinung und vieles andere wurden in dieser Zeit, gerade von der Jugend und den Studenten, hart erstritten und erkämpft. Aber das Narrativ zur Arbeit, „Wer etwas leistet, wird es auch schaffen“, blieb erhalten, zwar geschoren und etwas verkleinert, aber immer noch stabil.

Die Prä-Moderne Zeit dagegen kannte nur die Rollenspiele, zu denen viele Konservative und Rechte heute gerne wieder zurückkehren würden. Frauen am Herd, Kinder in den Fußstapfen der Eltern, Patriarchat, sexuelle Unfreiheit, gefestigt im heiligen Glaubensmodus der christlichen Kirchen. Dahin zurückkehren zu wollen ist für mich eine unvorstellbare Fehlinterpretation des Sinnvollen. „Früher war alles besser“ ist der Slogan dazu, und, jeder, der klar sehen kann, weiß: Das ist grundsätzlich falsch. Es war noch nie so gut wie heute, zumindest was den Wunsch nach gesellschaftlicher Freiheit angeht, aber es gibt Lücken, es gibt Baustellen und ernstzunehmende Trends in die falsche Richtung. Rechtzeitig zu bremsen wäre hier angeraten, und weiter zu bauen in Richtung Freiheit, Selbstbestimmung und Offenheit. Wenn der Rücksprung in die Prä-Struktur einmal gelungen ist, ist es für Widerstand zu spät, dann, fürchte ich, ist Unfreiheit alltäglich, und dann beginnt der Kampf von neuem. Der Ausgang aber wird dann, fürchte ich, offen sein. Das kann wirklich niemand wollen.

Das ist meine erste Stellungnahme zu der Wirkung von Narrativen, gesellschaftlichen Erzählungen, weitere werden folgen (müssen). Dabei belasse ich es erstmal für jetzt… Macht was draus!

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