Manchmal spielt das Leben und die darin enthaltene Alltagskonfiguration einem Menschen wie mir keine Streiche, sondern scheint durch Situations-gegebene Anforderungen auf längst abgehakte und vergessen geglaubte Wahrheiten hinzuweisen. Was war geschehen? Durch eine Catarakt-Operation durfte ich eine gewisse Zeit lang nicht ausdauernd lesen, und so kam mir in den Sinn, meine alten Hörbücher durchzusehen und mir daraus etwas Beschäftigung zu generieren. Was mir schon bald in die Hände fiel, war Watzlawicks „Anleitung zum Unglücklichsein“. Ja, dachte ich, das könnte ich mir nochmal anhören, weil: Gelesen hatte ich es schon zwei Mal, aber nur gehört hatte ich das noch nie. Ich warf also meinen alten Rechner – Die neueren können das Format von 2000 nicht mehr abspielen – an und machte es mir bequem. Es entzückt mich immer wieder, wenn ich durch ein gutes Buch hier und da auf Denkfehler hingewiesen werde. Dieses Buch beschreibt unendlich viele Denkfehler durch die Aufdeckung des Prinzips, dem der Fehler unterliegt, denn nahezu jeder Absatz scheint direkt und sehr klar auf genau das hinzuweisen, was alltäglich in Gedanken, in Nachrichten, Magazinen und Gesprächen wahrgenommen werden kann. Ich würde daher schon jetzt dafür werben wollen, das dieses Buch nicht nur eine größere Reichweite bekommen, sondern Pflichtlektüre für jeden Amtsträger sein sollte, der Entscheidungen in gesellschaftsrelevanten Themen treffen muss.
Wir haben ja gerade eine außergewöhnliche politische Situation. Das muss nicht im Detail genau beschrieben werden, einige Stichworte müssen daher genügen. Mit Donald Trump und seiner Politik verliert unsere heißgeliebte europäische Kultur ihren großen Freund und Beschützer namens USA, also das Land, das unsere Sprache, unsere Musik, unser Denken, unsere Gesellschaftsordnung und unseren Blick auf die Welt in 70 Jahren so maßgebend geprägt hat. Und dabei fällt uns gerade voller Erstaunen auf, das wir ohne diesen großen Freund ja vollkommen schutzlos, vollkommen verloren und ausgeliefert sind. Außerdem bricht uns mit ihm ein großes Vorbild weg, dem wir drei Generationen lang ohne Einschränkung nachgeeifert haben. Wir müssen weiter feststellen, das große Freunde auch schnell zu großen Feinden werden können, wenn sie, wie es gerade geschieht, ihre politische Agenda grundlegend verändern und wir das in unserer wirklichkeitsfremden Bewunderung niemals auch nur im Ansatz bemerken wollen. Der große Freund nämlich scheint bemerkt zu haben, das die Restwelt außerhalb der blühenden Gärten Europas und Nordamerikas, also der „Dschungel“, durch Internet und nicht zu übersehender Habgier sprich „Auslagerung der Produktionen in Billiglohnländer“ nicht nur ihre Arbeitskräfte beschäftigten, sondern sich auch das ganze „Gewusst Wie“ angeeignet haben, das den Länder des Westens über Jahrzehnte hinweg ihre Vormachtstellung gesichert hat(te). Sie produzieren heute nicht mehr nur, sondern sie kopieren, entwickeln weiter, forschen und etablieren neue Techniken und Innovationen deutlich schneller und wirksamer als die Alte Welt. Schauen sie nach China, das ist heute ein Hochtechnologieland mit riesigen Ressourcen, unendlichen Arbeitskräften und einer alles übersteigenden Wirtschaftskraft. Schauen sie nach Indien, ein Land, das in Sachen EDV weltweit Dienstleistungen anbietet und mittlerweile eigene Fluggeräte erfolgreich zum Mond schickt. Schauen sie nach Russland, ein Land, das nach dem Zweiten Weltkrieg am Boden lag und heute sich in Sachen Technologie mit jedem Staat der Welt messen kann. Das Land hat riesige Ressourcen an Bodenschätzen, gebietet über die größte Landmasse der Welt, ist führend in der Raumfahrt und der Militärtechnik und wird nicht umsonst als Supermacht angesehen, in Augenhöhe mit China und den USA, obwohl es nur 180 Mio. Menschen beheimatet. Ach ja, werden sie sagen, das wissen wir alles, aber wo ist denn Europa, wo ist Deutschland in dieser Aufzählung? Ja genau, darüber möchte ich nachfolgend einige Worte verlieren, denn mit der Augenhöhe von drei Supermächten (USA, Russland, China) und erfolgreich sich entwickelnden Staaten in der sogenannten „Dritten Welt“ entfällt der große Vorteil Europas, im Schutz der einzig ernstzunehmenden Weltmacht vergangener Tage dem Rest der Welt diktieren zu können, wie sie sich verhalten müssen, um die Hilfe des Alten Kontinents zu erhalten.
Das Erfolgskonzept Europas war/ist Jahrzehnte lang klar und eindeutig: Im Schutz der Supermacht USA konnte es sich in nahezu der ganzen restlichen Welt bedienen, um Bodenschätze und Dienstleistungen abzugreifen und sich teilweise sogar noch als Schutzmacht aufzuspielen. Europa hat nahezu mit jedem Land der Welt Handelsverträge, die meist nur die Oberschichten dieser Länder bedienen und stets zu Lasten der breiten Bevölkerungen gehen. Unsere Exporte zerstör(t)en die Einkünfte der dort ansässigen Agrarwirtschaften, unsere Firmen plünder(te)n die dort vorkommenden Bodenschätze zu Billigstpreisen, unsere Firmen lassen dort billig produzieren, unsere Militärtechnik bedien(t)en jede Armee einschließlich beliebig vieler Milizen und unsere Touristen besetz(t)en jeden schönen Ort des exotischen Landes. Das alles hat Europa reich gemacht nach dem Zweiten Weltkrieg. Weiterhin besaß Europa eine hoch gebildete Bevölkerung, einen Kontinent, der weitestgehend von Umweltkatastrophen verschont blieb und ein angenehmes Klima vorhielt. Solch abgehobenen Sonderstellungen allerdings bringen stets die gleichen Gefahren mit: Die Menschen glauben auf der höchsten Stufe angekommen zu sein, fahren ihre Bemühungen herunter, richten es sich gemütlich ein und verpassen so tief schlafend den Anschluss, denn: Die Anderen wollen auch nach oben, mühen sich und bekommen mehr und mehr Fahrt, die sie irgendwann in die Lage versetzen, an den Schläfern vorbeizuziehen. Das ist China gelungen, Russland gelungen, Indien gelungen, einigen arabischen Ländern gelungen und viele stehen noch in der langen Schlange. Mir scheint, niemand im sogenannten Westen ist das jemals aufgefallen, und plötzlich, scheinbar aus dem Nichts, erscheint alles anders. Die Afrikaner wollen uns Europäer nicht mehr, auch in Südasien und Lateinamerika sind wir nicht mehr beliebt, selbst die angelsächsischen Länder haben uns ebenfalls mehr als satt und diplomatisch stehen wir mittlerweile nahe der Abstiegszone.