Wir leben auf der Nordhalbkugel in einer stark verdichteten Medien- und Gesellschaftswelt, in denen Kunst, Pflicht und Nutzen einen sehr hohen Stellenwert besitzen. Und zusätzlich zu diesen Gegebenheiten 1 haben wir ein Wertesystem etabliert, das unseren Erfolg oder Misserfolg in einer Rahmensetzung in Form von „(Nicht-)Besitz und (Nicht-)Haben“ auszeichnet. Um es gleich zu schreiben, mir wäre als Richtscala „Leben, Sein und Liebesfähigkeit“ die geeigneteren Werte. Glück wäre auch möglich, wurde aber durch Verbindungen wie Glück-Haben-Können (Lottogewinn) bereits in der Alltagssprache entwertet.
Kommen wir zurück zu der grundlegenden Fragestellung. Diese wurde bereits kurz erwähnt und lautet: Sind die Maßstäbe und Verfahrensweisen, denen wir folgen, gegeben wie ein Schicksal, oder sind das Rahmenbedingungen, die verändert werden oder absolut betrachtet sogar ganz anders lauten könnten. Woher stammen diese Bedingungen, wer hat sie installiert und wie funktioniert das alles eigentlich. Das ist die Frage, der ich jetzt erst einmal nachgehen möchte. Es gibt zur Zeit nur einige wenige Weltsichten, die einem Erklärungsversuch nahekommen. Da ist zum einen die alt bewährte Feststellung, dass es eben so sei wie es ist und man, wer immer das auch sein mag, dagegen nichts machen könne. Das ist alternativlos. Dann gibt es die Ansicht, das dem bestehenden System eine Macht, wer immer das auch sein mag, zugrunde liegt, die zum Zwecke der Ausbeutung die sogenannten Gegebenheiten installiert habe. Hier wird gerne die Verschwörung oder eine Verschwörungstheorie angenommen oder gebrandmarkt. Sehr modern sind hier die Thesen vom Krieg „Reich gegen Arm“ und die vom „Tiefenstaat“. Und wenn wir These eins mit weiß und These zwei mit schwarz markieren, gäbe es viele Grautöne dazwischen.
Wenig modern und nahezu unbedeutend dagegen ist eine andere Beschreibung, die besagt, dass wir ein systemisches Gefüge begonnen und ausgebaut haben (Wir, das sind wir alle, die sich „zivilisiert“ nennen), dass auf der Tatsache beruht, dass wir in den reichen fortschrittlichen Inseln einzusehen begannen, das nicht alle Menschen auf dieser Welt auf unsere Weise gut und glücklich werden leben können und wir in der Hoffnung, weiterhin zu den wenigen Auserwählten zu gehören, den Aufbau unseres Systems immer weiter vorangetrieben haben. Dabei haben wir als die Auserwählten darauf geachtet, die Hoheit darüber zu festigen, dass notwendige Veränderungen, Verschärfungen oder Abmilderungen nur durch uns vorgenommen werden können. Dazu bemächtigten, gründen und kontrollieren wir Institutionen (UN, Menschenrechtsrat) und Machtzentren (Nato, EU), die dafür ausschlaggebend sind oder sein sollen. Regeln und Gesetze wurden konstruiert und wie ein Netzwerk abgesichert, deren Änderung wie eine nahezu unmögliche Aufgabe erscheint . Durch den Ausbau von Technik und den digitalen Medien haben wir uns und unsere Weltsicht so Schritt für Schritt und Land für Land über den ganzen Erdball ausgebreitet, und stellen jetzt erstaunt fest, dass wir damit die Grundlagen unseres Ausbeutungssystems selbst zerstört haben, denn die Geberländer früherer Zeit wie China, Indien und Südamerika sind mittlerweile selbst zu in unserem Sinne zivilisierten und gleichberechtigten Partnern geworden, und die wenigen Länder, die nicht mitziehen konnten, reichen als Geberländer nicht mehr aus. Also begannen wir, in unseren reichen Inseln eine weitere Teilung vorzunehmen, die ein Fortschreiten unseres Systems möglich macht, indem wir die relativ armen und ungebildeten Schichten des Nordens zum Geben verurteilten. Nur, die neuen Geber sind uns sehr nahe, leben in unmittelbarer Umgebung und sehen mehr als deutlich, dass für sie das Prinzip Hoffnung nicht aufrechtzuerhalten sein wird. Doch auch hierfür gibt und gab es eine Lösung, denn wie in früherer Zeit sind es auch hier wieder die Institutionen, deren sich die Auserwählten bemächtigen können, um Veränderungen zu kontrollieren oder es werden Neugründungen vorgenommen, die in die gleiche Richtung streben. Es hat sich heute eingespielt, diese Neugründungen „populistisch“ zu nennen. Dieser Prozess ist zurzeit in der gesamten Welt im Gange, und wir wissen nicht, wohin dieser Weg führen wird. Soweit eine kurze Beschreibung des Systems, das wir als gegeben betrachten können oder wollen. Es bleibt jetzt noch zu klären, wer die Auserwählten sind, wer oder was sie erwählt hat und worauf sich dieser Status gründet. Diese Frage allerdings ist nicht schwer zu beantworten.
- Ein Ausdruck, der zu hinterfragen sein wird ↩