Krisen folgen Krisen folgen Krisen

Wir leben jetzt in einer Zeit, in der verschiedene Krisen sich mit- und voneinander ablösen, mal wiederkehren, wieder im Nirvana verschwinden oder von neuen und bisher unbekannten Vorkommnissen übertönt werden, die Plötzlich schier aus dem Nichts auftauchen. Was sagt uns das? Wie ist das zu verstehen? Was passiert da?

 

Wir hatten, Sie erinnern sich, aufgrund einer amerikanischen Immobilienkrise eine Bankenkrise, die dann zu einer Staatsschuldenkrise umgedeutet wurde. Dann gibt es eine Krise zur Krim durch deren Annektierung, die durch westliche Sanktionen zur einer russischen Wirtschaftskrise wurde, die verstärkt durch den Kapitalbedarf erdölexportierender Länder sich zu einer Ölpreiskrise für die betroffenen Staaten und zu billigen Energiepreisen für die Endverbraucher umformte, was wiederum die alternative Energieproduktionen in die Krise stürzte. Durch die von Europa und Amerika unterstütze Destabilisierung der arabischen Welt (arabischer Frühling) hinterließ ein Vakuum, das terroristischen Gruppierungen eine neue Heimat gab und ihnen gleichzeitig neue Finanzierungsquellen schuf. Jetzt fliehen immer mehr Menschen vor dem neuen Terror aus dieser Region Richtung Europa, was uns die jetzige Flüchtlingskrise bescherte. Vielleicht habe ich noch die eine oder andere Krise vergessen, aber es wird deutlich, wovon die Rede sein soll.

Krisen entstehen, wenn man ihr Aufkommen, ihr Wachsen nicht sieht, zu spät sieht oder einfach nicht sehen will. Einfachstes Beispiel dafür sind Spekulationsblasen, die Börsenstürze auslösen. Anleger und Bankkunden scheinen hier der Überzeugung zu sein, dass sie die drohenden Anzeichen schon noch rechtzeitig erkennen werden und folglich auch rechtzeitig die Kurve kriegen. Und das mag für den Einen oder Anderen auch ganz gut klappen, aber wie gesagt, nur für den Einen oder Anderen, bestimmt aber nicht für Alle!

Ein weiteres Kriterium für Krisenentstehung ist die Fahrt auf Sicht. Es ist das große Thema der Weltgeschichte: Wenig Phantasie, keine Visionen, immer mehr desselben, weitergehen in der Art „Wir schaffen dass“. Wir erkennen diese problematischen Vorgehensweisen auch schon bei den Anlegern und ihren Blasen. Fahren aus Sicht erfordert schnelle Entscheidungen zu unbekannter Zeit auf unbekannter Grundlage. Das ist so ziemlich das schlechteste Vorgehen für Problemlösungen überhaupt.

Dazu kommen die Hauptverursachern von Krisen. Das sind die Menschen, die auf wissenschaftlicher Grundlage vergangene Krisen analysieren und daraus Strategien und Gesetzmäßigkeiten entwickeln. Diese werden dann, zu Wissenschaft aufgebläht, für Krisenvermeidung und -bewältigung herangezogen. Wie sich später herausstellt, ist diese Methode aber nur dann geeignet, wenn die neu zu bewältigende Aufgabe exakt der vorher analysierten entspricht. Neue Entwicklungen, neue Lebens- und Wertvorstellungen bleiben so aber unberücksichtigt. Und die Entwicklung von Gesellschaften bleibt nun einmal selten stehen. Die Probleme dieser neuen Entwicklungen, oder anders ausgedrückt: wenn Neues auf Altes trifft, können in der Vergangenheit nicht aufgefunden werden und bleiben daher einer nachfahrenden Analyse verborgen.

Ein weiteres Motiv für Krisenentstehen sind neue Technologien, die in alten Systemen gar nicht vorkommen und neue Wege eröffnen. Die Digitalisierung und Informationsverarbeitung der heutigen Zeit wird zwar auch in den Wissenschaften ausgiebig genutzt, aber analysiert sind diese fortschreitenden Techniken bisher nicht. Welche Auswirkungen entstehen durch sie bezüglich der Lebensgefüge von Familien, Kommunen und Staaten. Welche Möglichkeiten entstehen für die Wirtschaft, die Staatsmacht, aber auch für Kriminalität, den Missbrauch von und durch Menschen.

Das erste Motiv kann man Ignoranz oder Selbstüberschätzung nennen. Dazu kommen dann als zweites falsche Lösungsstrategien oder die Gewohnheit, das Alte fortzuschreiben und immer weiterzuführen. Als drittes zu erwähnendes Motiv ist der Glaube an den Fortschritt, der jedes Neue unbeirrt in die Tat umsetzt und deren Problematiken nicht oder erst viel zu spät erkennt. Anders sind in meiner Überzeugung des Totalversagens von Politik-, Wirtschafts- und Kulturwissenschaften angesichts der vielen ungelösten Krisen nicht zu erklären. Sie stellen meist die falschen Fragen, stellen diese wenn überhaupt zu spät und haben dann noch die Gewohnheit, ungeduldig fortzuschreiten, ohne Antworten abzuwarten.

Haben wir uns jemals gefragt, wie unsere expansiv ausgerichtete europäische Wirtschaftspolitik (USA eingeschlossen) die Lebensgefügen anderer Völker und Kulturen zerstört? Wir fischen die Meere leer, verbrauchen Bodenschätze und Landwirtschaftsflächen zerstören so die Überlebensfähigkeit anderer Völker. Fischer in armen Ländern finden keine Fang mehr, Bauern werden vertrieben oder gezwungen, für Europa marktfähige Produkte anzubauen, von denen sie dann nicht leben können, weil sie in der Herstellung zu teuer für den Weltmarkt sind.

Haben wir uns jemals gefragt, ob unsere Form der Demokratie wirklich für alle und jeden die beste Regierungsform ist und ob unsere Werte und Vorstellungen wirklich von allen geteilt werden müssen, oder gibt es nicht auch andere Möglichkeiten der Gesellschaftsgestaltung, die gut sind. So wie es gute und schlechte Demokratien gibt, gibt es auch gute und schlechte Diktaturen und gute und schlechte Regime jeglicher Art. Schlecht funktionierende Demokratien zB gibt es zuhauf, viele sind nur Schein und Oberfläche für subtilere Formen von Machtmissbrauch. Und es gibt ja auch noch alternative Gesellschaftssysteme, die noch niemals wirklich versucht wurden oder die erst durch die Technologie der Neuzeit möglich wären.

Haben wir uns die Frage gestellt, ob die neuen Technologien, die wir selbst Kindern schon in die Hand geben, die besten Lösungen für Leben und Lernen sind? Die meisten dieser neuen Formen wurden für Dienstleistungen geschaffen oder dienen der Automatisierung von Produktionsprozessen. Dienstleister werden aber nur von den Menschen bezahlt werden können, die produzieren und Vermögenswerte schaffen durch Arbeit oder Ausbeutung. Automatisierung reduziert aber sowohl Produzierende als auch Rohstoffe, so dass immer weniger Schaffende immer mehr Dienstleistende unterhalten müssen. Geht das endlos so weiter? Und erfahren viele Menschen, die zufrieden und friedlich ihr Leben lebten nicht jetzt erst durch unsere Informationstechnologien, wieviel besser sie angeblich leben könnten, wenn sie unsere Form zu leben annähmen. Und machen sich viele nicht gerade deshalb heute auf den Weg zu einem besseren Leben in Europa, weil dieses neue Leben in der Heimat nicht gelingen kann?

Haben wir uns die Frage gestellt, ob viele Kriege und Konflikte nicht erst durch unser Eingreifen verursacht wurden? Der nahe Osten und seine Konflikte und Zerwürfnisse sind Ergebnisse europäischer Politik des 20. Jahrhunderts und der amerikanischen Politik des 21. Jahrhunderts. Hier gibt es Völker ohne Land und Grenzziehungen, die genau betrachtet die Interessenlage der Menschen dieser Region vollkommen unberücksichtigt ließ. In anderen Teilen der Welt ist das nicht anders. Denken wir einfach mal an Tibet? Oder wie die vielen Minen nach Vietnam kamen? Und was geschieht in Zukunft mit den Völkern, die ihren natürlichen Lebensstil nicht aufgeben wollen wie Eskimos, Indianer und Aborigines.

Es sind Fragen, die unsere Welt vorwärtsbringen, nicht Antworten. Diese Fragen müssen rechtzeitig gestellt werden und müssen solange unbeantwortet bleiben, bis eine zufriedenstellende Antwort gefunden ist. Es gibt Beispiele, wo diese Art zu denken Früchte getragen hat. Deutsche Physiker z.B. beantworteten die Frage nach einer Atombombe für Hitler mit „nein, das wollen wir nicht“. Leider wurde die gleiche Frage für die USA mit „ja, gerne“ beantwortet und hat im Ergebnis für die große Verwerfung des kalten Krieges gesorgt.

Wir haben viele Fragen zu beantworten, Fragen, die wie ein großer Berg uns die Sicht auf die Zukunft versperren. Vielleicht sollten wir einfach mal anzuhalten versuchen und diesen Berg erst abtragen, bevor wir neue Wege einschlagen oder blind weiterlaufen. Wir müssen sicher noch Lösungen finden für die drängenden Fragen Globalisierung, Fundamentalismus, Ausbeutung und Machtmissbrauch. Aber da sich diese Lösungen nicht einstellen werden unter Armut, Krieg, Hunger und Leid, muss doch hier zuerst gearbeitet werden, sowohl hier in unserer Nachbarschaft als auch dort im fernen Afrika. Und alles andere sollte uns nicht wichtig genug erscheinen, um diese drängenden Probleme jemals auch nur eine Minute lang zu vergessen!

Wo also liegen die ersten Schritte?

Die Beendigung aller Kriege und bewaffneten Konflikte unter diplomatischer als auch militärischer Mitwirkung der Weltgemeinschaft ist grundlegend für eine Weiterentwicklung. Kriege sind die Ursache für die Schwächung und den Zerfall von Gemeinschaften jeder Art, und dabei ist es egal, ob die Kriege zwischen Staaten, Volkgemeinschaften, Religionen, Stämmen oder Familien stattfinden und in welchem Namen und für welches Dogma sie geführt werden. Ohne Gemeinschaften gibt es keine Entwicklung.

Das allerwichtigste für die Probleme Hunger und Armut ist die Einsicht, dass die Nahrungsmittelproduktion der Entwicklungsländer, davon betroffen sind Bauern, Fischer und Kleinhändler, nicht der Konkurrenz der Industriestaaten ausgesetzt werden dürfen. Freihandelsabkommen müssen entweder diesbezüglich geändert werden oder der Industrie muss per Gesetz eine Beschränkung auferlegt werden. Dazu gehört das Verbot von Landaufkäufen ebenso wie der Schutz der Fischereizonen vor den Küsten. Weiterhin sind die Käufer von Rohstoffen dazu zu verpflichten, dass Abbau und Ausbeutung von Bodenschätzen grundsätzlich in umweltverträglicher Art und Weise zu geschehen haben. Und natürlich sollten der Missachtung dieser Gebote kräftige Strafen folgen. Weiterhin sind der Handel und die Spekulation mit Grundnahrungsmitteln unter Verbot zu stellen.

Die Säulen unserer Art zu wirtschaften ist das Unternehmen. Ein Unternehmen besteht aus Eignern, Mitarbeitern und Kunden. Jede dieser Säulen ist wichtig, und jede ist als gleichberechtigt anzusehen, denn Mitarbeiter sind immer auch Kunden und können Eigner sein, Eigner sind Kunden und können Mitarbeiter sein und auch die dritte Variante ist möglich. Trägt nur eine dieser Säulen die ganze Last, leiden auch die anderen mit. Dass es hier und da Ausnahmen gibt, und für wenige Glückliche diese Regeln nicht zu gelten scheinen kann aber nicht zur Grundlage von ganzen Gesellschaften gemacht werden. Heute tragen die einfachen Mitarbeiter in den Industrienationen die ganze Last der Gemeinschaft. Wir haben sinkende Löhne, erpressbare Lebenseinkommen (prekäre Beschäftigung) und eine Isolierung dieser produktiven Gruppe. Vermögende und Konzerne zahlen keine Steuern, Wohlhabende beteiligen sich nicht an den Sozialsystemen und gönnen sich Bevorzugungen in der Ausbildung ihrer Nachkommen und belegen überdimensional viel Lebensraum für ihre Familien. Hier muss in nächster Zukunft ein Umdenken erfolgen, sonst erzeugen wir ein soziales Pulverfass noch zusätzlich in den starken Nationen. Wir brauchen starke Gesellschaften, um die Schwachen dieser Welt zu stützen und hilfreich zu begleiten.

Der erste Schritt ist die Grundlage der Entwicklungsfähigkeit, nämlich Geschaffenes nicht sinnlos zu zerstören. Der zweite Schritt erst macht Entwicklung möglich und mit Schritt drei sorgen wir dafür, dass diese Entwicklungen in überschaubaren und geschützten Bahnen verlaufen können. Drei Schritte, dreimal kurz Nachdenken über einfache, jedem und jeder zugängliche Motive. Und da die arbeitende Bevölkerung die Mehrheiten der Industrienationen darstellt, sollte unter demokratischen Prinzipien eine zügige Änderung jederzeit möglich sein. Wie das gehen kann ist einfach:

  • Vertreten Sie ihre Meinung.
  • Treten Sie ein in die Parteien, die Sie wählen.
  • Glauben Sie nicht immer das, was die Medien Ihnen sagen, sondern denken Sie selbst nach und recherchieren Sie selbst im Netz.
  • Legen Sie ihre Angst ab. Jede Meinung ist willkommen und darf geäußert werden.
  • Informieren Sie sich über den „kategorischen Imperativ“ von Kant (Was du nicht willst, was man dir tue…) und handeln Sie danach.

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