Seit einem Angriff auf einem Israeli mit palästinensischem Hintergrund, der ohne selbst Jude 1 zu sein in Berlin mit einer Kippa 2 auf der Straße sich bewegte, spielen die Medien verrückt und beklagen Antisemitismus und Judenfeindlichkeit.
Ich selbst bin ebenfalls der Ansicht, dass das Tragen einer Kopfbedeckung in Deutschland nicht zu Anfeindungen führen darf. Das gilt für eine Kippa ebenso wie für einen Hut, für einen Turban und ein Kopftuch, gilt für einen Kegelhut oder einen Fes, gilt für eine Baseballmütze in der Oper ebenso wie für den Cowboyhut im Schwimmbad, gilt für Pudel- und Zipfelmützen ebenso wie für Bandanas. Generell finde ich jede Form von Anfeindung in unserem Land einfach unsinnig. Hart und engagiert diskutieren, ja, gerne, aber Gewalt in welcher Form auch immer? Nein! Warum aber wird ein solch banaler Vorfall so aufgebläht durch die Medienlandschaft gezogen? Vom Deutschlandfunk über Zeit-Online, über Welt, Süddeutsche bis hinunter in die Regionalpresse steht Judenfeindlichkeit an oberster Stelle.
Wenn ich mir so vorstelle, wie diese Aktionen auf einen Menschen mit dunkler Hautfarbe wirken muss, der ohne angefeindet zu werden sich in deutschen Stätten fast gar nicht mehr bewegen kann? Oder wie muss das einem anderen Mitbürger vorkommen, der wegen seines nordafrikanischem Aussehens ständig von Polizeikontrollen belästigt wird? Nach Informationen des Tagesspiegel gab es 2015 „…durch Neonazis und andere Rechte… 1698 Gewalttaten“, und von den rechten Straftaten insgesamt „waren 19751… im Themenkreis Hasskriminalität“ zu verzeichnen. Wann lesen wir darüber in den überregionalen Zeitungen? Wann haben die Süddeutsche oder die FAZ über diese Zahlen aufgeregt berichtet?
Ich selbst vermute hier mal wieder eine Kampagne, die zur Unterstützung der Menschen in unserem Lande für Israel und seine Politik im arabischen Umfeld werben soll. Nach der Schlappe der „Anti-Assad-Rebellen“ 3 und dem Wiedereinzug Russland in die Weltpolitik ist Israel 4 das einzige Land im Nahen Osten, das im Neusprech „Werte“ westlicher Prägung zu verteidigen bereit ist. Israel hat sich bisher nie gescheut, seine Interessen in der Region auch mit Gewalt durchzusetzen. Bombenangriffe auf fremde Staaten, die Eindämmung von Demonstrationen mit scharfen Schusswaffen und der berühmt berüchtigte Mossad mit seinen weltweiten Aktionen sprechen hier eine sehr deutliche, sprich Nato-Sprache. Sollte da wieder etwas in Planung sein, wofür diese Kampagne schon im Vorfeld Verständnis schaffen soll? „Aber das einzige demokratische Land, das wie eine Festung inmitten von arabischen Autokratien steht, hört nicht auf, um seine Ideale zu ringen“, wie es im Deutschlandfunk so schön zu lesen ist, steht vor seinem 70-sten Geburtstag, und da kann es angesichts der desolaten Lage, in die es die westliche Welt wieder einmal gestürzt hat und mit der es jetzt allem Anschein nach wieder allein zurückgelassen wird, etwas Werbung und Meinungsmache durchaus gebrauchen.
Ich denke ja immer noch, dass eine Annäherung und Aussöhnung mit den arabischen Nachbarn die bessere Strategie für Israel gewesen wäre als ständige Gewalt, Bedrohungen und Völkerrechtsverletzungen. Weiterhin wird die Zerstückelung der Palästinensergebiete durch die israelische Siedlungspolitik nicht zu Freundschaften in der Umgebung beitragen. Seine Politik „Auge um Leben, Zahn um Prügel“ wird ohne westliche Hilfe nicht durchzuhalten sein. Und die bröckelt gerade. Die zerstörten Länder Syrien, Afghanistan und Irak, verlangen westliche Gelder, um wiederaufgebaut zu werden. Und wird der Westen das nicht stemmen wollen, werden wohl Russland, der Iran und China einspringen wollen und die Nato-Länder würden die Kontrolle über ein wichtiges Rohstoffgebiet verlieren. Das werden sie aber nicht wollen in Paris, London, Washington und Berlin. Egal wie man sich entscheidet, immer wird Israel mit einer schwierigen Zukunft zu kämpfen haben. Wie heißt es so schön in Europa: „Hast du Freunde, brauchst du keine Feinde mehr“. Im Nahen Osten geht der Spruch etwas anders: „Ziehen sich die alten Freunde zurück und schaffst es nicht, neue Freundschaften zu knüpfen, hast du bald nur noch Feinde“. Das haben die Taliban erfahren, haben die nordafrikanischen Staaten erfahren, erfahren die Kurden gerade und werden alle erfahren, die sich auf den Westen und seine Nato verlassen. Klingelt es nicht mehr im Beutel, ist schnell Schluss mit Freiheit, Gleichheit und Freundschaft. Von Brüderlichkeit wollen wir hier gar nicht erst sprechen. Die ließ sich nämlich noch nie in Dollar ausdrücken und kommt im Kapitalismus daher auch gar nicht vor!
- Beide Beteiligten waren sunnitische Moslems ↩
- Jüdische Haus-Kopfbedeckung – In der Öffentlichkeit trägt der europäische Jude traditionell einen Hut ↩
- Gewaltbereite sunnitisch muslimische Fundamentalisten, die von den Nato-Staaten und Israel zum Umsturz einer unbeliebten Regierung angeheuert und unterstützt wurden. ↩
- Westliche Werte und Saudi Arabien? Ich weiß nicht so recht! ↩