Der Niedergang der Sozialdemokratie

Durch die aktuellen Wahlen in Deutschland und Schweden, die bereits erfolgten Wahlen in den Niederlanden und in Frankreich, die neuen Mehrheitsverhältnisse in Italien und GB kann man durch Prognosen und Ergebnisse ein Niedergang der sozialdemokratischen Parteien konstatieren.

In vielen Sendungen und Berichten wird dieser Niedergang durch unsere Medien kommentiert und analysiert. So gab es in HR2 (Der Tag) eine Stunde lang Meinungen und Analysen zu hören und es kamen Professoren und Kenner zu Wort. Diese belegen in ihren Erläuterungen, dass die Ära der Sozialdemokratie zu Ende sei, weil einerseits die Politiker dieser Richtung unzeitgemäße Vorstellungen und Grundlagen hegen und andererseits nicht in der Lage waren, ihren Wählern die Erfolge zu verkaufen, die der Sozialdemokratie gelungen seien. Deutlicher ausgedrückt heißt das: Der Klassenkampf ist jetzt zu Ende, wird nicht mehr gebraucht und die Köpfe dieser Partei haben Public Relation weder gelernt noch verstanden. Ist dem wirklich so?

Nein! Ich empfinde diese Analysen als extrem falsch und verzerrt ausgelegt. Sie sind im Grunde genommen der Versuch, aus der vorherrschenden neoliberalen Sichtweise eine Erklärung zu bieten, die das System der westlichen Wirtschaftsdoktrien stützt und diese nicht gefährdet. Da ist zum einen der Klassenkampf, der angeblich unnötig geworden sei. Das ist aber so nicht richtig, denn die nach wie vor bestehenden Klassen heißen heute nur anders, haben ein anderes oder fehlendes Klassenbewusstsein und setzen sich anders zusammen, als die Historie es uns überliefert. Vier Klassen sind in den westlichen Gesellschaften vertreten. Sie bildeten sich aus den zwei Klassen, die der Sozialismus in seiner Arbeitshypothese annimmt. Das waren mal die Klasse der Besitzenden, und die Klasse der Lohnabhängigen. Nun ist es so, das sich diese beiden Klassen mittlerweile differenziert haben. Sie haben sich jeweils in zwei Riegen unterteilt. Da sind nach wie vor die Arbeiter und Angestellten, die durch die Gewerkschaften vertreten werden. Sie müssten eigentlich die klassische Arbeiterklasse bilden, sehen sich aber nicht mehr als solche. Die Niedergang der Gewerkschaften ist dafür ein Beleg. Dann gibt es eine gutverdienende und hoch versorgte sogenannte Mittelschicht, die besser ausgedrückt das etablierte Bildungsbürgertum heißen sollte und das nicht in der Mitte, wie sie sich selbst gerne nennt, sondern am oberen Rand angesiedelt ist, zu denen jetzt auch der ärmere Teil der Besitzenden gehört. Diese Gruppe von Menschen ist gut vernetzt, pflegt Beziehungen zu den angrenzenden Gruppen und ist wenig bis gar nicht politisch interessiert. Ihre Stimme wird bei einer Wahl immer denen zuwachsen, die möglichst nichts zu verändern suchen. Es geht uns ja so gut. Dann gibt es eine prekär beschäftigte Unterschicht. Diese Menschen sind ebenfalls wenig bis gar nicht organisiert, sind weder durch Gewerkschaften vertreten, deren Klientel sie eigentlich sein sollten, noch werden ihre Wünsche und Bedürfnisse im medialen Diskurs wahrgenommen. Ihr Klassenbewusstsein steht bei null und ihre einzigen politischen Reaktionen auf ihren Status drückt sich in Wut und Resignation aus. Die einzige Partei in Deutschland, die sie vertritt, ist die Partei Die Linke, die hier wohl in ihrem Verständnis die klassische Arbeiterklasse angesiedelt sieht, trotzdem diese Menschen schon lange nicht mehr erreichen kann, weil ihr die Durchsetzungskraft für Erfolge fehlt, um diese Menschen dauerhaft binden zu können. Und dann gibt es noch die vierte und kleinste Schicht im Klassengefüge. Das sind die wenigen Reichen und Superreichen, die entweder ein leistungsloses Einkommen beziehen, also geerbt haben, oder die durch das Erreichen von Führungspositionen in der Wirtschaft so viel Geld verdienen, das sie eigentlich nur wenige Jahre tätig sein müssen, um sich ausreichend versorgen zu können.

Kurz zusammengefasst haben wir folgende Situation, die ich hier kurz und aus sozialdemokratischer Perspektive mal so darstellen möchte: Das als Zielgruppe der heutigen Sozialdemokratie gepflegte Bildungsbürgertum besitzt kein Klassenbewusstsein mehr und wählt nicht mehr treu und zuverlässig nur eine einzige Partei. Die eigentliche Arbeiterklasse, die klassisch betrachtet ins Bild der Sozialdemokratie passen würde, ist die prekär beschäftigte und ständig ums Überleben kämpfende Unterschicht. Diese wird aber von der Partei und ihren Anführern weder gesehen noch bemerkt, im Gegenteil, sie wird sogar von Maßnahmen, wie sie durch die Agenda Politik eingesetzt wurden, noch gedemütigt und gestraft. Dem gehobenen Bildungsbürgertum ist die Sozialdemokratie viel zu proletarisch. Ihr Status beruht auf persönlichem Ansehen und persönlicher Leistungsfähigkeit. Da kann man Klassengedanken und Organisationsformen, wie sie Arbeiterparteien und Gewerkschaften anbieten, gar nicht gebrauchen.

Und die wenigen Reichen und Superreichen sind schon immer ihren alten Parteien treu geblieben. Sie wählen die klassisch konservativen Parteien, sind heute sehr gut organisiert, haben ein gut funktionierendes Klassenbewusstsein und leben das auch. Sie organisieren sich in NGO’s und  Debattierklubs (Think Tanks). Hier werden in großem Rahmen und auf nicht öffentlichen Konferenzen die Strategien festgeschrieben, mit denen ihr Status gesichert und erweitert werden kann.

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