Wir sehen es in Amerika, in Italien und Griechenland, sehen es in nahezu allen Nationen, die sich einer parlamentarischen Demokratie als Regierungsform verordnet haben: Das politische Problem ist leider nicht der Politiker an sich, das Problem sind die Parteien, deren Wirken manchmal an die Organisationsformen in Hühnergehegen zu erinnern scheinen.
Jeder unserer Parteien in Deutschland und ganz besonders die Volksparteien gehören keine homogenen Gruppen von Menschen an, die in sich und nach außen auch nur den Anschein von Einigkeit erzeugen könnten, sondern es gibt erklärtermaßen Flügel, Zirkel, Verbindungen, Gruppen, Freunde und sonstige Gruppierungen. Trotzdem werden diese alle nach einer Wahl in eine Fraktion gezwängt, deren Kompromisse dann in einer Koalition einer erneuten Kompromissbildung unterworfen werden, deren Entscheidungen dann noch durch Budget, Interessenverband, Bündnis und Gemeinschaft mit anderen Staaten abgestimmt und verbildet werden müssen. Und aus diesem Wust an Halbwahrheiten soll eine sinnvolle Politik entstehen? Mir scheint dies unmöglich.
Zunächst einmal sind Parteien dazu vorgesehen, politisch interessierte und engagierte Menschen mit halbwegs einheitlicher Zielsetzung zu organisieren, einer Wahl zu unterziehen und gebündelt in Parlamente und Ämter zu versenden. Hier sind diese Abgesandten (Abgeordnete, Amtsträger) dann anderen Prinzipien verpflichtet. Abgeordnete unterliegen Gewissensfreiheit, Amtsträger den Verordnungen und Vorgaben, die durch Gesetze geregelt werden.
Nach der Verfassung sind es die gewählten Abgeordneten des Bundestages, die eine(n) Kanzler(in) wählen, die dann ihre Minister bestimmt und einsetzt. Dazu werden Absprachen und Positionen innerhalb der Abgeordneten ausgehandelt und mit Mehrheiten in Abstimmungen festgeschrieben. Dazu organisieren sie sich in Fraktionen, die in aller Regel geschlossen agieren, Redner auswählen, Verhandlungen führen und nicht zuletzt für oder gegen einen Gesetzesentwurf stimmen. Normalerweise sind die Angehörigen dieser Fraktionen alle Mitglieder ein und derselben Partei oder Parteienbündnissen, die nach Geschäftsordnung lediglich bei den Volkswahlen nicht gegeneinander antreten dürfen. So erklärt sich auch die Fraktion der CDU/CSU, die aus zwei Parteien gebildet wird. Nirgendwo in der Geschäftsordnung ist festgelegt, das jede Partei nur in einer Fraktion organisiert sein darf. So wäre es durchaus legitim, das innerhalb der Abgeordneten einer Partei sich zwei oder sogar drei Fraktionen bilden könnten.
Worauf möchte ich hinweisen mit dieser Erläuterung? Meiner Ansicht nach wäre es ein entscheidender Fortschritt innerhalb der politischen Kultur, wenn die Fraktionen des BT zum Beispiel auf maximal 150 Mitglieder beschränkt sein müssten. Die großen Volksparteien würden dann jeweils mindestens zwei Fraktionen bilden müssen, die durchaus unterschiedliche Positionen vertreten könnten. So wäre zum jetzigen Zeitpunkt eine Koalition der CDU/CSU und ihren Fraktionen mit dem rechten Flügel der SPD möglich, während der linke Flügel der SPD für eine funktionale Opposition sorgen würde. Meiner Ansicht nach hätte das zur Zeit stattfindende Gewürge damit ein Ende und Politik bekäme wieder ein Maß an Spannung und Authentizität, die selbst richtungsweisende Entscheidungen wieder ermöglich würde. Auch in Hessen würden kleinere Fraktionen durchaus zu einer Lösung beitragen.
In der Einführung von kleinere Fraktionen (jeweils zwischen 5-25% der Mitglieder des BT) sehe ich eine Lösung für viele Probleme der Gegenwart. Sie sorgen für Meinungsvielfalt und beleben den politischen Alltag. Sie wären ein erster Schritt hin zu einer modernen politischen Kultur, dem durchaus weitere folgen könnten. Angedacht werden könnte ein Abrücken der Fraktionsbildung von der Mitgliedschaft in Parteien und eine Organisationsform im BT, die sich an Sachentscheidungen orientiert und die der Gewissensfreiheit der Abgeordneten Rechnung trägt. Aber ein Schritt nach dem anderen.