Dienstag, den 3. Nov. 2020
Wenn jemand wie ich über Politik und Zeitkritik schreibt, kommt er in meinen Augen nicht drum herum, für eine bevorstehende Wahl eine Einschätzung, einen Tipp abzugeben. Das gilt für die BT-Wahlen in Deutschland im nächsten Jahr genauso wie bei der morgigen US-Wahl.
Nun, eigentlich ist bei letzteren Wahlen keiner der Kandidaten in meinen Augen ein geeigneter Präsident. Beide sind in meinen Augen zu Medien-lastig, verleumden und lügen gerne mal in den Aussagen über ihre Widersacher, beide nutzen jede nur erdenkliche Möglichkeit, um sich und ihre Interessengruppe zu bereichern, beide sehen praktisch nur ihre eigene Welt und die Vorteile, die ihre Sichtweise für kurzfristige (Trump, Deal) oder langfristige (Biden, Imperium) Ziele und somit Medienaufmerksamkeit bringen kann. Mir persönlich wären bei den Demokraten eine Tulsi Gabbard oder sogar eine Elisabeth Warren lieber gewesen. Die beiden Damen zeigen zumindest Potential in Zukunftsfeldern der Politik. Bei den Republikanern sieht es dagegen sehr dünn aus. Bill Weld oder Nikki Harley kämen da in Frage. Aber beide unterscheiden sich politisch von Trump nahezu nur in Bezug auf ihr „Sich-Benehmen-Können“. Die wenigen Unterschiede in der Agenda, die ich entdecken konnte, brächten die Waage nicht zum Ausschlag.
Ich komme jetzt mal wieder zurück zu Trump vs. Biden. Biden steht wohl in vielen Punkten für eine Fortsetzung der Politik Obamas. Da ist Krieg inbegriffen, da ist wie bei allen amerikanischen Präsidenten der letzten Jahre auch ein „Amerika First“ im Spiel, aber sie proklamieren dies schön versteckt und verkleidet in „Yes we can“ oder in Aussagen, die den Anspruch, als Regent, Polizist und Richter der Welt zu fungieren, durchscheinen lassen, wobei das eigene Land letztlich doch immer den Vorzug erhält. Trump hingegen wird wohl weitermachen wollen wie bisher. Im Unterschied zu Biden verfolgt Trump keine groß angelegte weltweite Geo-Strategie. Er versucht wohl eher, Amerika wie einen Konzern zu leiten, macht Deals, die Amerika nutzen können, verfolgt Restriktionsmethoden (Erpressung) mit dem gleichen Ziel und wechselt seine Meinungen und Taktiken mehr willkürlich, also einer Laune folgend aus, um nicht vorhersehbar zu sein. Suntzu oder Machiavelli wären hier wohl mal eine geeignete Lektüre für alle amerikanischen Politiker. Da könnten sie wohl über den nachhaltigen Gebrauch von Macht noch viel lernen.
Wie ich mich zwischen den beiden entscheiden würde, sage ich hier nicht. Das ist ein bisschen wie die Wahl zwischen den berühmten zwei Krankheiten, und ein kleineres Übel sehe ich dabei nicht. Allerdings schätze ich,
das Donald Trump Präsident bleibt.
Und eine Begründung über diese Einschätzung ist schwer zu geben. Sie beruht wohl mehr auf Intuition als auf sachlichen Argumenten. Alles in allem werden wohl auch die Machtverhältnisse in Kongress und Repräsentantenhaus maßgeblich den künftigen Politikstil bestimmen. Das wird sicherlich spannend die nächsten Jahre. Und das ist ja wohl in Deutschland politisch ebenso zu erwarten. Auch hier sehe ich keinen wirklich geeigneten Kanzlerkandidaten am Horizont erscheinen. Und da auch Frankreich nette Aussichten verspricht, sehe ich wirklich „lustige“ Zeiten anbrechen für die „freien“ westlichen Staaten.
Mittwoch, den 4. Nov. 2020
Nun scheint wohl eingetreten zu sein, was sich in vielen Köpfen weltweit niemand hat vorstellen mögen: Es wird sehr sehr knapp werden bei der Stimmenauszählung. Bei allen drei Institutionen, die zur Wahl standen, Senat, Repräsentantenhaus und der Präsident gibt es keinen eindeutigen Sieger, bevor alle Stimmen ausgezählt sind. Vielleicht hätte man sich in Europa doch ein wenig mehr Gedanken machen sollen, bevor man sich einseitig auf einen Liebling festlegt. Sollte Trump gewinnen, was durchaus möglich scheint, wird es eng bei den „Transatlantikern“ in Europa.
Dienstag, den 11. Nov 2020
Also ich habe ja das US-amerikanische Wahlsystem, diese Urgewalt der Demokratie, wohl noch nicht richtig verstanden, aber eine Vorbildfunktion für eine freie Welt sehe ich darin nicht mehr. Meiner Ansicht nach verbindet dies Konstruktion die Vorteile einer gedeckelten Diktatur, einer über Wahlen organisierten Machtwechselmöglichkeit und einer in Teilen gelungenen unabhängigen Justiz. Zum Ersten besitzt ein amerikanischer Präsident in meinen Augen viel zu viel Macht, die allein auf eine Person konzentriert ist. Zweitens sollten alle Bürger gleichberechtigt zu einer Wahl zugelassen sein. Das erscheint mir in den USA noch immer nicht gegeben. Und drittens sollte nicht der Präsident, sondern gewählte Volksvertreter über die Besetzung von Positionen in der Justiz entscheiden. Die größte Machtposition eines demokratischen Systems ist ja gleichzeitig auch die Instanz, die eine unabhängige Justiz bevorzugt zu kontrollieren hat. Das sind drei entscheidende Fehler, die sich gerade heute bemerkbar machen. Macht korrumpiert. Das einzudämmen, ist die Aufgabe, die ein demokratisches System erfüllen muss.
Zur aktuellen Lage ist doch folgendes zu sagen: Erstens ist eine Wahl dann beendet, wenn alle Stimmen ausgezählt und alle Einsprüche juristisch abgearbeitet sind. Früher zu einer Aussage zu kommen ist nur dann gegeben, wenn einer der Kandidaten seine Niederlage anerkennt und dies öffentlich ausspricht. Beides haben wir heute aber noch erlebt. Also wird die Stimmabgabe der Wahlmänner wohl der alles entscheidende Termin sein. Alles andere ist Humbug, Spekulation und daher keine sinnvolle Vorgehensweise. Das man bisher so etwas wie „good will“ der Kandidaten walten ließ, hat keinen Gesetzescharakter.
Und noch eine kleine Schelte an Europa: Gratulieren kann man nur einem Gewinner, der feststeht. Gratuliert man vorzeitig und dem eventuell falschen Kandidaten, ist das zumindest ein diplomatisches Desaster. Dem sollte man und kann man ganz leicht mit Geduld begegnen.